(c) Pester Lloyd / 36 - 2009
MUSEEN & GALERIEN 05.09.09
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Zitronenhain im Herzen
"Turner und Italien" bis 25. Oktober im Museum der Schönen Künste Budapest
157 Jahre nach seinem Tode widmet das Museum der Schönen Künste Budapest diesem Meister die erste Einzelausstellung auf ungarischer Erde.
Eine späte Premiere. Die thematische Schau "Turner und Italien" zeigt chronologisch 80 Werke, beginnt mit frühen Landschaftsstudien bis hin zu
späten Bildern mit Nähe zum Abstrakten. Die führenden Turner-Spezialisten Großbritanniens präsentierten diese Zusammenstellung zuerst in Ferrara und
Edinburgh, nun ist sie, leicht variiert, bis 25. Oktober an der Donau zu sehen.
Sinnenfreude, Reichtum und Vielfalt sind weder die gängigen Attribute der
englischen Küche, noch die der englischen Malerei. Die Inselkulinarik hat man wegen mangelnder Kooperationsbereitschaft zu Recht aus unserem Kulturkreis
verstoßen, das zweite, die englische Malerei, fristet, wegen überwuchender Mannigfaltigkeit des kontinentaleuropäischen Egozentrums, ein Schattendasein
bei blassen Kuratorinnen mit roten Haaren. Zumal, wenn es sich um die Romantik dreht, die man dem Engländer höchstens als schaumige Welle hinter maritimem
Standardmotiv oder viktorianisches Teetässchen zugesteht.
Turner: Dogana and Santa Maria della Salute, Venedig, 1843 National Gallery Art, Washington DC
Wie anders da William Turner. Der bedeutendste Maler von der Insel, ein
experimentierfreudiger Nordmann, der, wie seine deutschen Kollegen Sehnsüchte auf Italien kaprizierte, um dabei nur noch deutlicher seine Herkunft zu Tage
treten zu lassen, auch wenn sie weiche Ränder annahm. Er war kein Tümler wie andere Romantiker, seine Bilder sind weltmännisch und doch sehnsuchtsvoll, seine
Technik von großer Geste, machnmal fast frivol. Seine Wirkung öffnete auch anderen Künstlern die Augen und damit neue Wege.
Die Ausstellung heftet sich dabei nicht tagebuchhaft an die Reisestiefel Turners,
sondern versucht vor allem auch die Eindrücke, welche die zahlreichen Italienreisen (von 1802 über 1819 bis in die 1840er) in der ganzen Mal- wie
Lebensauffassung hinterlassen haben, zu spiegeln. Erste Werke reichen bis ins Ende des 18. Jahrhunderts zurück, als sich der junge Student noch mit
Eindrücken aus zweiter Hand anderer Reisender begnügen musste. Tausende Zeichnungen belegen das Interesse, seine Palette hellte sich unter
sonnebeschienenen Oliven- und Zitronenhainen auf, wie so vielen ging Turner in Italien sichtbar das Herz auf. Wir sehen Übergänge vom Genre- und
Landschaftsspezialisten zu einem, der Stimmungen einfängt, die aus seinem Inneren kommen, der anders beleuchtet, weil er sehend geworden ist, was ihn frei macht. ms
Noch bis 25. Oktober 2009
Weitere Informationen: www.szepmuveszeti.hu
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(c) Pester Lloyd
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