(c) Pester Lloyd / 01 - 2011 RUMÄNIEN 04.01.2011
Strapazierte Geduld
In Rumänien gibt es auch im neuen Jahr wenig Hoffnung
Rumänien ist das osteuropäische Land, das mit dem größten Pessimismus ins neue Jahr startet. Das Land ist politisch durch eine instabile Minderheitsregierung
gelähmt, obwohl es dringend tiefgreifender Reformen bedürfte. Noch immer hängt man am Hilfstropf des IWF, die Unzufriedenheit der Bevölkerung wächst,
die Politik bietet kaum Perspektiven, radikale Sparprogramme belasten einseitig das einfache Volk. Ein ungarisches Szenario steht durchaus zu befürchten.
Wie weiter? Ministerpräsident Emil Boc
Schuldenspirale dreht sich weiter
Am Ende dieser Woche wird eine Delegation des Internationalen Währungsfonds nach
Bukarest reisen, um über die Auszahlung von weiteren umgerechnet 900 Millionen EUR aus dem Stand-by-Abkommen zu entscheiden. Bisher hat Rumänien seit Ende 2008
11,27 Mrd. EUR vom IWF und 3,5 Milliarden EUR von der EU sowie 300 Mio Euro von der Weltbank in Anspruch genommen und damit in etwa so viel wie Ungarn, das aber
die letzten Raten nicht ausschöpfen musste. In Rumänien wird das wohl der Fall sein müssen, zu schlecht ist immernoch die Haushaltslage, vor allem die Ausgaben für den
öffentlichen Dienst und eine desaströse Steuerquote belasten das Budget. Noch 1,5 Mrd. EUR liegen bei der EU bereit knapp 2 Mrd. noch beim IWF und 700 Mio EUR bei
der Weltbank. Wie es dann weitergeht, weiß niemand so recht, denn ein neuer Kredite hat wenig Sinn, der Schuldendienst des Landes arbeitet schon jetzt am Anschlag.
Der rumänische Verbindungsmann beim IWF sieht sein Land in einer verbesserten
Position, man habe die Auflagen der Multinationenbank erfüllt, darunter so strukturelle Maßnahmen wie eine Rentenreform, ein neues, nun vereinheitlichtes Gehaltsschema
für den öffentlichen Dienst, einen verbesserten Haushalt 2011 sowie einen vorbereitenden Entwurf für die Reformierung der Sozialsversicherung. Daher sollte der
Genehmigung der nunmehr sechsten Hilfskreditranche am 7. Januar nichts mehr im Wege stehen, hofft man in Bukarest.
Dank für die arg strapazierte Geduld des Volkes
Ministerpräsident Emil Boc von den konservativen Lieberaldemokraten, seit 2008
Regierungschef, zuerst einer Koaltionsregierung mit den Sozialdemokraten, die aber bald zerbrach und nun in einer wackeligen Minderheitsregierung mit der Partei der
Ungarischen Koalition (UDMR), hofft, ja fleht insgeheim, dass "die harten Maßnahmen, die 2010 getroffen wurden, 2011 Früchte tragen werden." Dabei dankte er ein seiner
Neujahrsrede zu Recht "den Rumänen für ihre Geduld und Weisheit, die sie bewiesen", wohl in der Einsicht, dass noch mehr berechtigte Aufstände gegen das wirre
Politspektakel wohl auch keinen Nutzen bringen werden. Doch war 2010 die Geduld der Rumänen endenwollend, zahlreiche Streiks und zum Teil gewalttätige Proteste
belasteten das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern weiter. Höhepunkt waren die Massenproteste von bis zu 50.000 Menschen im Mai und Juni.
Demo Ende Mai 2010 in Bukarest
Ungarisches Szenario nicht ausgeschlossen
In der Woche vor Weihnachten
ging, ähnlich wie beim ungarischen Nachbarn, eine wahre Gesetzesflut durchs Parlament in Budapest. Neben einem, wegen seiner als unerreichbar beurteilten Kennziffern, hart umstrittenen
Haushalt ,wird vor allem ein knallhartes Sparprogramm durchgezogen, das ganze die bekannte Handschrift des IWF trägt und vor allem auf der
Ausgabenseite ansetzt und dabei in einer maßlosen Gnandenlosigkeit auch über die Ärmsten fegt und nicht einmal vor der ohnehn geringen finanziellen Ausstattung der
Ärmsten und der Behinderten halt macht. Der Sturz eines Mannes von der Besuchertribüne mit dem Ruf "Ihr habt unser Leben ruiniert", war der eindrucksvolle
Höhepunkt des Dramas, das sich seit Jahren in Rumänien abspielt und das vor allem darin besteht, dass die Geschäftswelt sich aus seiner Verantwortlichkeit gegenüber dem
Gemeinwesen nichts macht und das übermächtige Heer des öffentlichen Dienstes seine Privilegien verteidigt. Zwischen diesen Malsteinen wird das normale Volk zerrieben und
die Politik blockiert sich durch Selbstinszenierungen und aus Wahltaktik immer wieder selbst. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich das ungarische Szenario in Rumänien
wiederholt und bald extremistische Kräfte Auftrieb erhalten, wenn die EU das Volk mit seiner eigenen Regierung und dem IWF weiter allein lässt.
Geringere Wachstumsprognosen als bei den Nachbarn
Die rumänische Opposition, Sozialdemokraten und Liberale kündigten an, die
beschlossenen Maßnahmen durch die Bank vom Verfassungsgericht überprüfen zu lassen, was bedeuten kann, dass der Stillstand auch ins Jahr 2011 hinaus verlängert
wird. Man wolle nicht hinnehmen, dass "Millionen von Rumänen" einseitig von Sparmaßnahmen getroffen werden. Die Sozialdemokraten versprachen, dass sie das
"einheitliche Gehaltsschema" sowie das Rentengesetz zurücknehmen werden, sagten aber wieder einmal nicht, wie sie die daraus entstehenden Finanzengpässe beseitigen
werden. Denn rosig sind die Prognosen für die rumänische Wirtschaft nicht. Während die Länder ringsum wieder in einem normalen Rahmen von 2-3% wachsen sollen, stellt
man Rumänien gerade nur eine positive Stagnation von +0,2% bis maximal 1,2% des BIP in Aussicht. Vor allem die Landwirtschaft, das Baugewerbe und der Konsum (im
Sommer wurde die Mehrwertsteuer erhöht) werden als die großen Hemmschuhe gesehen, während das verabeitende Gewerbe wegen der anziehenden Nachfrage im
Westen sich schneller erholen sollte. Die Exporte dürften daher auch um bis zu 4% zulegen.
red.
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