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(c) Pester Lloyd / 01 - 2011  POLITIK 05.01.2011

 

Die Populismus-Spirale

Andauernde Spannungen zwischen Ungarn und der Slowakei

Ungarn hat sich die ethnischen Minderheitenrechte auf die Fahne seiner EU-Ratspräsidentschaft geheftet, instrumentalisiert aber die eigenen Landsleute in der Slowakei wieder für eigene Interessen: der neuerliche Vorstoß, den Slowakoungarn mit einem ungarischen Pass auch das Wahlrecht zu erteilen, kommt zur Unzeit, denn gerade bemüht sich die wackelige Mitte-Rechts-Koalition in Bratislava um deutliche Schritte der Entspannung mit dem Nachbarn, indem sie rachsüchtige Schnellschüsse der Fico-Regierung rückgängig macht. Aus Budapest bekommt sie dafür keinen Dank, sondern nur weitere Provokationen zur Antwort, offenbar sieht man dort eine instabile Slowakei als nützlich an und kalkuliert mit einer loyalen Wählerbasis im Ausland.

Wundern, aber nicht fürchtern

Der slowakische Ausßenminister Mikuláš Dzurinda (Foto) von den Christdemokraten (SDKÚ), bezog am Montag in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur TASR eine etwas unklare, ja verunsicherte Position zu den neuerlichen Ambitionen der ungarischen Regierungskoalition, Ungarn in den Nachbarländern, die von der neu geschaffenen Möglichkeit eines ungarischen Passes Gebrauch machen, auch das Wahlrecht einzuräumen. Dabei besteht Dzurinda darauf, dass dieses Staatsbürgerschaftsgesetz "offensichtlich im Widerspruch zu den Grundsätzen des internationalen Rechts verabschiedet wurde".

Er selbst sieht "keine rationale Grundlage dafür, dass Bürger eines Landes die Verfassungsorgane eines anderen Landes wählten." Andererseits beruhigte der Minister, der auch fast acht Jahre Ministerpräsident seine Landes war, in dem er sagte, dass sich die "Slowakei nicht vor Schritten" fürchten müssen, die für das Land keine Gefahr darstellen. Vergleicht man diese Aussagen mit dem Gepolter von dem "Angriff der Ungarn auf die Slowakei" der Vorgängerregierung, sieht man deutlich den Willen zur Entspannung, der von ungarischer Seite - trotz gegenteiliger Behautptungen Viktor Orbáns - kaum erwidert wird. Im Gegenteil.

Verfassungsrechtliche Bedenken stellen in Ungarn heute kein Hindernis mehr dar

Der von der KDNP, einer Anhängselpartei des Fidesz neuerlich ausgehende Vorstoß, beinhaltet die Überlegung, dass Auslandsungarn mit ungarischem Pass bei Wahlen in Ungarn die dortigen Parteilisten wählen können sollen. Dahinter steht das Ansinnen, "die ungarische Nation", wörtlich a Magyarság (das Ungarntum) zu einen. Bisher ist die Wahl nur Staatsbürgern gestattet, die einen Wohnsitz in Ungarn haben. Die Idee geistert schon länger herum, bisher bremsten jedoch wahl- und verfassungsrechtliche Bedenken, wie man lernen konnte, stellen solche heute in Ungarn kein Hindernis mehr dar. Mit der Verfassungsreform im Frühjahr ist auch ein neues Wahlrecht vorgesehen.

Allerdings würde nach jetztiger Planung so auch in Ungarn ein zweigeteiltes Wahlrecht entstehen, da die Direktstimmen in den Wahlbezirken nur gemeldeten Einwohnern vorbehalten blieben, was wiederum dem Grundsatz von "gleichen" Wahlen widerspräche und somit automatisch ein Fall für OSZE und EU werden müsste. Die Slowakei betrachtete das Ansinnen der Nationalkonservativen in Budapest ohnehin als Angriff auf die eigene Staatlichkeit, weil sich so slowakische Bürger mit auch einem ungarischen Pass einer anderen legislativen Gewalt andienen würden, was die Loyalität zu ihrem Land untergraben könnte.

Die Premiers der Slowakei und Ungarn beim ersten offiziellen Staatsbesuch seit elf Jahren,
im Dezember 2010 in Bratislava

Fidesz will im Ausland eine Machtbasis aufbauen

Dabei ist das Wahlrecht für im Ausland lebende Bürger gar nichts besonderes, mit kleinen Einschränkungen. Inhaber der deutschen Staatsbürgerschaft, zum Beispiel, die wenigstens einmal in ihrem Leben zusammenhängend drei Monate in der Bundesrepublik Deutschland gewohnt haben, können sich an ihrem letzten Wohnistz ins Wahlregister eintragen lassen und so auch an der Bundestagswahl teilnehmen, wenn sie ununterbrochen im Ausland gelebt haben. Abgesehen davon, dass die meisten Auslandsungarn in den Nachbarländern aber nie in Ungarn lebten, geht das Kalkül der Nationalkonservativen eher dahin, dass man von einer grundsätzlich nationalen Gesinnung der Brüder und Schwestern in den durch Trianon abgetrennten Gebieten ausgeht, die man auch nach Kräften durch warme Worte und finanzielle Unterstützungen pflegt. So will das Fidesz sich eine dauerhafte Machtbasis im Ausland sichern.

Die neue slowakische Regierung bemüht sich um Entspannung zum Nachbarn

Die fundamental-christlich-nationale KDNP provoziert mit ihrem Vorstoß unnötigerweise das slowakische Parlament und bringt die Koalition von Ministerpräsidentin Iveta Radičová in Erklärungsnot, die sich gerade mit einer Novelle des eigenen Staatsbürgerschaftsgesetzes beschäftigt. Darin soll ein Passus rückgängig gemacht werden, den der Vorgängerpremier Robert Fico als aus der Hüfte geschossene Reaktion auf das für ihn provokante ungarische Staatsbürgerschaftsrecht verabschieden ließ und wonach jeder Slowake, der nur einen zweiten Pass beantrage, automatisch der slowakischen Staatsbürgerschaft verlustig ginge. Die neue konservative Regierungskoalition bemüht sich hingegen um eine Entspannung mit dem Nachbarn, allein schon um wenigstens ein Problem weniger zu haben und will eine weitere Eskalation in der Frage vermeiden, die von den wahlkämpfenden Politikern beider Seiten zu teils absurden Attacken missbraucht worden ist und das ohnehin angespannte Verhältnis beider Länder weiter verschlechterte.

Ungar hält lieber das alte Feindbild hoch

Bereits zuvor hat die neue Regierung in Bratislava dafür gesorgt, dass das in Ungarn als Angriff auf die Minderheit betrachtete "Gesetz zum Schutz der slowakischen Sprache" so entschärft wird, dass keine Sanktionierungen für den Gebrauch des Ungarischen in der Slowakei außerhalb offizieller Statements mehr zu fürchten steht. Das Staatsbürgerschaftsrecht ist nun schon die zweite Gelegenheit, bei der die Slowaken den Ungarn entgegenkommen, während diese - ganz offensichtlich aus innenpolitischen Erwägungen heraus - weiter auf ihrer kompromisslos-nationalistischen Linie beharren und so wieder die populistischen Kräfte in der Slowakei stärken, zu denen neben der indiskutablen SNS des Hasspredigers Jan Slota durchaus auch die sogenannten Sozialdemokraten von Smer-SD des Ex-Premiers Fico gehören, die zuvor eine Koalitionsregierung bildeten. Eine Kontaktaufnahme mit der auf Verständigung ausgerichteten Partei Most-Híd (slowakisch und ungarisch für Brücke), die sich vor zwei Jahren aus der stramm nationalen Ungarnpartei SMK abspaltete, lehnte Orbán bisher ab. Er brüskierte die Koalitionspartei und traf sich kürzlich demonstrativ nur mit einem Vertreter der radikaleren SMK, die bei der letzten Wahl aus dem Parlament flog.

Deals mit Rumänien und Serbien

Dass die Proteste zum neuen Staatsbürgerschaftsrecht aus Rumänien und Serbien, wo auch große ungarische Minderheiten leben, ausblieben, hat einfache Gründe. Rumänien wildert in Moldawien selbst mit der eigenen Staatsbürgerschaft herum, um seine "historischen" wie sehr heutigen Interessen zu wahren und Serbien ging mit Ungarn einen Deal ein. Verbesserte kulturelle Autonomie für die ungarische Minderheit in der Vojvodina gegen Lobbyarbeit Ungarns für den EU-Beitritt Serbiens. Hier halten auch beide ihre Zusagen, im Moment tatsächlich auch zum Nutzen beider.

Nicht so einfach sind die Konstellationen gegenüber der Slowakei, die man sich noch nicht durch einen Deal "Untertan" machen konnte und der man eine andere Rolle zugedacht hat. Offenbar ist eine instabile Slowakei im Interesse der ungarischen Machthaber, dort provoziert wiederaufkommende nationalistische Tendenzen kann man selbst wunderbar als Projektionsfläche für revanchistische Gedanken und für die Aufrechterhaltung eines liebgewonnenen Feindbilds benutzen, so dass der Nachbar als Machtstütze für die Regierung als Budapest herhalten soll. Umgekehrt lief es eine ganze Weile genauso, Ungarn könnte einfach schon durch Nichtstun diese Populismus-Spirale zum Stillstand bringen, will das aber offensichtlich nicht. Auch das sollte man wissen, wenn Ungarn während seiner EU-Ratspräsidentschaft die Stärkung der Rechte von  Minderheiten einfordern wird, sie selbst aber für das politische Machtspiel instrumentalisiert.

Zum Thema:

Scheitern nutzt keinem - 15.12.10
Langsame Annäherung zwischen der Slowakei und Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/2010_50/50slowakei/50slowakei.html

Der Sieger wird zum Verlierer - Juni 2010
Premier Fico gewinnt die Wahlen in der Slowakei, verliert aber die Macht - Ungarnpartei fliegt aus dem Parlament
http://www.pesterlloyd.net/2010_23/23wahlslowakei/23wahlslowakei.html

Doppelpass - Okt. 2010
Treffen der Präsidenten von Rumänien und Ungarn
http://www.pesterlloyd.net/2010_42/42ROHUpraesi/42rohupraesi.html

Eiszeit an der Donau - Mai 2010
Ungarn beschließt "Trianon-Pass", Slowakei droht mit Ausbürgerung von Antragstellern
http://www.pesterlloyd.net/2010_21/21trianonpass/21trianonpass.html

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