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(c) Pester Lloyd / 03 - 2011  POLITIK 21.01.2011

 

Treffen der Festungsmeister

EU-Innenminister tagten in Ungarn: Deutschland demütigt Rumänien und Bulgarien weiter

Die EU-Ratspräsidentschaft Ungarns ist nach dem großen Getöse zum Auftakt nun in den Arbeitsalltag eingetreten. Doch auch da gehen die Wogen sofort hoch. Die Innenressorts der Mitgliedsländer trafen sich auf Schloß Gödöllö um wichtige Themen, wie die Finanzierung der Grenzsicherung, die Durchsetzung von Bürgerrechten sowie die Qualifizierung von Richtern zu beraten. Doch dominiert wurden die Sitzungen von dem Geschacher um den Schengenbeitritt von Rumänien und Bulgarien und der Flüchtlingslage in Griechenland. Deutschland bleibt bei seiner harten Linie.

Der deutsche Innenminister Lothar de Maiziere
und sein ungarischer Amtskollege Sándor Pintér

Mehr Geld für die Grenzsicherung gefordert

Am 20. und 21. Januar 2011 trafen sich die Justiz- und Innenminister der EU zu einem informellen Austausch im Schloss Grasslakovich in Gödöllo bei Budapest, das für die nächsten sechs Monate Hauptbühne für die vielen Tagungen im Rahmen der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft sein wird. Am 24. und 25. kommt es dann zur offiziellen Ministerratstagung. Während der Sitzungen ging es um "ein verstärktes Auftreten gegen die organisierte Kriminalität", vor allem die Erhöhung des Ausgabenanteils für innere Angelegenheiten im neuen EU-Haushalt ab 2014. Größter Kostentreiber dürfte hierbei die Absicherung der EU-Außengrenzen (Stichwort: Festung Europa) sein.

Die Ausgaben für Inneres betragen im EU-Haushalt bisher nicht einmal 1% des Gesamtbudgets, die damit zu finanzierenden Aufgaben wachsen aber stetig. So wird derzeit die Einführung modernerer Technologien bei der sogenannten "integrierten Grenzüberwachung" betrieben. Ungarn, das mit der Ukraine und Serbien sowie immer noch Kroatien drei EU-Außengrenzen sowie zu Rumänien noch eine Schengengrenze betreut, hat an der Zentralisisierung der Aufgaben und einer finanziellen Entlastung durchaus eigenes Interesse.

Deutschland bleibt in der Schengenfrage hart

An Rande kam es zu einer interessanten Begegnung zwischen dem ungarischen Innenminister Sándor Pintér mit seinem deutschen Kollegen, Thomas de Maiziere. Es ging um zwei brisante Themen: das Mediengesetz und den (vorerst abgesagten) Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien. Pintér sagte danach: „Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, den deutschen Herrn Minister davon zu überzeugen, dass das ungarische Mediengesetz die Probe hinsichtlich der europäischen Vorschriften bestehen wird.”

Was Schengen anbelangt, hatte de Maiziere vor der Beratung gegenüber Journalisten erklärt, dass für Deutschland der Beitritt von Rumänien und Bulgarien zum Schengener Abkommen nicht nur von technischen, sondern auch von politischen Bedingungen abhhängt. Der Minister wiederholte den Standpunkt der deutschen und französischen Seite, wonach beide Länder dem Schengen-Raum nur dann beitreten könnten, wenn sie gegen Korruption vorgingen und ihr Justizsystem reformierten. Damit fuhr er dem ungarischen Gastgeber ziemlich in die Parade, der nämlich kurz zuvor Rumänien und Bulgarien noch ermutigt habe, dass der "Termin Ende März" noch nicht verloren sei.

Da ist gut reden... Im königlichen Ambiente wurde über das Elend von Flüchtlingen beraten, Schloss Grassalkovich in Gödöllö, einst Lieblingsrefugium von Kaiserin und Königin Elisabeth, genannt Sisi.

Beide Länder räumen Defizite bei Korruptions- und Verbrechensbekämpfung ein, bewerten aber die Verknüpfung dieser Fragen mit der Entscheidung über Schengen als einen ungerechten Präzedenzfall, zu dem die großen EU-Mächte Frankreich und Deutschland kein Recht haben. Rumänien überlegte sogar kurz, sich dafür mit dem Entzug der Zustimmung zum Beitritt Kroatiens zu rächen. Die rumänische Delegation zeigte sich daher in Budapest entsprechend enttäuscht, zumal es unbestritten sei, dass man die technischen Voraussetzungen längst erfüllt. siehe dazu unseren ausführlichen Beitrag

De Maiziere forderte weiter von Griechenland eine humanere Behandlung der Flüchtlinge an der türkischen Grenze binnen eines Jahres und bot dafür gleichzeitig mehr materielle Unterstützung an sowie auch, auf die (Rück)-Abschiebung von Flüchtlingen nach Griechenland vorerst zu verzichten.

Recht haben und Recht bekommen

Als weiteres Thema stand die Durchsetzung der Rechte der europäischen Bürger innerhalb der Unionsgrenzen an. Man sieht die Bürger in "zahlreichen Lebenssituationen an der Wahrnehmung ihrer Rechte behindert", unter anderem bei Ehepartnern mit unterschiedlichen Staatsangehörigkeiten, für Menschen, die in verschiedenen Ländern Erbschaften antreten, beim Scheidungsrecht, bei der Inanspruchnahme medizinische Leistungen oder beim unterschiedlichen Rechtschutz beim Online-Shopping. Insgesamt kursiert eine Liste mit 25 Punkten und kurz- bzw. mittelfristigen Lösungsvorschlägen dazu.

Auch die Durchsetzung der Grundrechte wurde besprochen, wobei es hier um eine Kardinalsfrage geht. Jene nämlich, welche der wichtigen EU-Institutionen, also Rat, Kommission oder Parlament, letztlich die Garantiegeber, sprich das exekutive Organ bei der Gewährung der Grundrechte wird.

Richter brauchen mehr europäische Weiterbildung

Weiter wurde über die Zusammenarbeit bei der justiziellen Aus- und Weiterbildung beraten. "Hintergrund dafür ist das Problem, dass die Gesetzgebung der Union immer schneller arbeitet, in den Mitgliedstaaten jedoch die Richter im Allgemeinen über geringe Kenntnisse von den EU-Normen besitzen bzw. keine Sprachen sprechen und somit die Rechtssprache der anderen Mitgliedstaaten nicht verstehen." schätzt die EU-Ratspräsidentschaft offiziell die Lage dazu ein. Im Sinne eines Beschlusses des Europäischen Rates von 2009 haben die Hälfte der Richter, Staatsanwälte und Justizbediensteten der EU bis 2015 eine EU-Ausbildung zu absolvieren oder an einem EU-Austauschprogramm teilzunehmen. Nur sieht es so aus, dass von den ungefähr 160.000 Richtern und Staatsanwälten der EU in den vergangenen 10 Jahren nicht einmal 10.000 eine solche Weiterbildung erhalten haben.

Laut der ungarischen Ratspräsidentschaft ist es nicht erforderlich, neue Institutionen zu einzurichten, eine Zusammenarbeit der vorhandenen nationalen Bildungseinrichtungen würde ausreichen. Die Ratspräsidentschaft diskutiert mit den Mitgliedstaaten darüber, wie die Zusammenarbeit bei der justiziellen Ausbildung verbessert werden kann, ob alle juristischen Berufe einbezogen werden oder ob Richter und Staatsanwälte Priorität genießen sollen.

red.

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