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POLITIK 21.01.2011
Freundliche Übertreibungen
Ungarns Präsident Schmitt in der Slowakei
Am Donnerstag stattete der ungarische Staatspräsident, Pál Schmitt, dem Nachbarland Slowakei einen offiziellen Besuch ab. Wie schon die Visite des
Ministerpräsidenten Orbán zuvor, diente das Treffen mit Amtskollegen Ivan Gasparovic der Normalisierung der schwer gestörten Beziehungen beider Länder. Man
redet wieder miteinander, in einigen grundsätzlichen Problemfeldern konnte und wollte man sich jedoch nicht einigen.
Der innige Handschlag beider Präsidenten war nicht die einzige freundliche Übertreibung
bei dem Treffen in Bratsilava... Fotos: KEH
Nur die Slowaken machen Ärger...
Der slowakische Präsident, Ivan Gasparovic, sagte, dass er die EU-Ratspräsidentschaft
Ungarns "voll unterstützt". Man stehe hinter dem Programm und den Prioritäten, die Ungarn für die kommenden sechs Monate erstellt hat. Beim Thema der vereinfachten
doppelten Staatsbürgerschaft für ethnische Ungarn aus der Slowakei bleiben "die Differenzen jedoch bestehen". Auch erkenne man die Kritik der ungarischen Seite am
"Gesetz der slowakischen Sprache" nur teilweise an. Schmitt wies die Kritik seines Amtskollegen zurück, "von den sieben Nachbarländern Ungarns, findet nur die Slowakei
dieses Gesetz falsch", so Schmitt.
Bezüglich der slowakischen Befürchtung, Slowaken, die über das neue Gesetz einen
ungarischen Pass erhalten, könnten dann auch in Ungarn wählen, was man in der offiziellen
Slowakei als Illoyalität und "Angriff auf die Staatlichkeit" betrachtet, beruhigte Schmitt nur
in soweit, dass es "verfrüht wäre", sich darüber aufzuregen. "Eine Entscheidung darüber wird es erst mit dem Inkraftreten einer neuen Verfassung geben." Diese ist für das
Frühjahr, mutmaßlich Ostern, vorgesehen.
Während die ungarische Seite keine Anstalten macht, den Slowaken dabei
entgegenzukommen, besteht man seinerseits auf Nachbesserungen am Sprachengesetz. Hier schaffte die Slowakei einige als repressiv interpretierbare Artikel ab, die von der
Vorgängerregierung quasi als Rache am Staatsbürgerschaftsgesetz beschlossen worden waren. "Nach den heutigen Gesprächen vertraue ich darauf, dass slowakische Bürger, die
ihre ungarische Muttersprache benutzen wollen, das ohne Angst vor Repressalien tun können." so Schmitt.
Dieses Foto suggeriert ja fast, die beiden würden im gleichen Team spielen...
Gasparovic würde gern beide Gesetze auf Eis legen
Gasparovic ging noch einen Schritt weiter und meinte, dass "es meiner persönlichen
Meinung nach, das beste wäre, beide Gesetze außer Kraft zu setzen", womit er auch den relativen Irrwitz des von ihm unterzeichneten Sprachengesetzes eingeräumt hätte, eine
selbstkritische Einstellung, die man sich vom Gegenüber, der als sklavischer Erfüllungsgehilfe seines Premiers gilt, vergeblich wünschen darf. Beide Präsidenten
schätzten ein, dass die Beziehungen beider Länder "zu 90% in Ordnung" sind, was man getrost als freundliche Übertreibung einschätzen darf, im Moment handelt es sich aufgrund
der Machtkonstellationen eher um einen fragilen Waffenstillstand als um eine gesunde Nachbarschaft. Während die fragile slowakische Vier-Parteien-Koalition vor allem auf Ruhe
bedacht ist, benutzen die Ungarn die Minderheit im Nachbarland weiter als Projektionsfläche für ihren ideologischen Feldzug.
Provokationen des Berufsprovokateurs
Der in der Luft liegende Sprengstoff zeigte sich auch darin, dass ein Treffen mit den
Fraktionschefs der im Parlament von Bratislava vertretenen Parteien kurzfristig "aus Zeitmangel" abgesagt wurde. Dahinter steckte aber, dass Schmitt sich auf keinen Fall auf
ein Wortgefecht mit Jan Slota von der SNS einlassen wollte, der aber darauf bestand, seine Fraktion zu vertreten. Slota ist ein wahrer Hassprediger und Ungarnhasser, dessen
Aussagen über die ethnischen Ungarn einen großen Anteil an der vergifteten Athmosphäre zwischen beiden Ländern haben, zumal seine Partei an der Koalition mit den
"Sozialdemokraten" von Smer-SD beteilgit war. Er bedient sich einer Rhetorik, die man in Ungarn ansonsten nur von der neofaschistischen Jobbik und noch extremeren
Gruppierungen gewohnt ist.
Slota ließ verkünden, dass er dem Präsidenten für "seinen Mut, die Slowakei zu besuchen"
danken wollte. Freilich hätte er auch ein paar Fragen an ihn gehabt, u.a., "ob er wirklich glaubt der Präsident von 15 Millionen Ungarn statt der 10 Millionen Einwohner in seinem
Land zu sein", außerdem wollte er wissen, wie sicher und stabil die Grenzziehung zwischen beiden Ländern ist. Außerdem verlangte Slota, dessen parteipolitische Bedeutung eindeutig
im Sinken begriffen ist, eine Entschuldigung für das Wiener Abkommen von 1938 und "die ungarische Beteiligung" beim Einmarsch sowjetischer Truppen in die Tschechoslowakei
1968. Vielleicht nicht ganz unverständlich, dass sich Schmitt mit diesem Mann nicht vor laufenden Kameras duellieren wollte.
Vor eineinhalb Jahren scheiterte an den hässlich geführten, eigentlich
kindisch-nationalistischen Debatten, ein Staatsbesuch. Damals wollte der damalige Präsident László Sólyom einen Tag nach dem Ungarischen Nationalfeiertag über die
Grenzbrücke von Komárom / Komárno schreiten und im slowakischen Teil eine Statue des Heiligen Stephan, des Nationalheiligen der Ungarn, einweihen. Die slowakischen Behörden
verweigerten ihm die Einreise mit der Begründung "man könne für seine Sicherheit nicht garantieren". So gesehen, ist der gestrige Besuch, wenn auch ohne inhaltliche Bewegung,
zumindest ein physischer Meilenstein, Schmitt konnte - wörtlich - einen Schritt vorankommen.
Zum Thema:
Aktuelle Hintergründe zu den Spannungen zwischen der Slowakei und Ungarn finden Sie in
diesem Beitrag: Die Populismus-Spirale - 05.01.11 Andauernde Spannungen zwischen Ungarn und der Slowakei http://www.pesterlloyd.net/2011_01/01ungarnslowakei/01ungarnslowakei.html
Erhellendes über den ungarischen Präsidenten:
Stempel der Nation - Juni 2010 Pál Schmitt: Präsident für Ungarn oder Platzhalter für Orbán? http://www.pesterlloyd.net/2010_25/26ungarnpraesident/26ungarnpraesident.html
Und dessen Beitrag zur ungarischen Verfassungsdebatte:
Die Offenbarungen des Apostels Pál - Nov. 2010 Die Verfassungsdebatte in Ungarn wird immer absurder http://www.pesterlloyd.net/2010_46/46palschmittverfassung/46palschmittverfassung.html
Über die Vorstöße zum Wahlrecht für Auslandsungarn:
Vorstoß für Wahlrecht von Aulsandsungarn - 03.01.11 http://www.pesterlloyd.net/2011_01/01wahlrechtAuslandsungarn/01wahlrechtauslandsungarn.html
Zum Besuch von Premier Orbán in der Slowakei:
Scheitern nutzt keinem - 15.12.10 Langsame Annäherung zwischen der Slowakei und Ungarn http://www.pesterlloyd.net/2010_50/50slowakei/50slowakei.html
Und zum gescheiterten Grenzübertritt von Sólyom im August 2009:
Passionsspiel auf der Grenzbrücke - 21.08.09 Die Slowakei verweigert dem Staatspräsidenten von Ungarn die Einreise http://www.pesterlloyd.net/2009_34/0934solyomSK/0934solyomsk.html
Mehr zum Thema:
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