(c) Pester Lloyd / 04 - 2011 OSTEUROPA 27.01.2011
Großspurig
Slowakei und Ungarn im Wettbewerb um Russlands Gunst
Die Slowakei und Ungarn befinden sich nicht nur im stetigen Wettstreit um Betriebsansiedlungen, Steuersätze, Fachkräfte. Auch um das gigantische
Handelsvolumen aus und nach Russland und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion wird wieder offensiver gebuhlt. Die Slowakei denkt laut über eine Verlängerung der
Breitspurstrecke von Košice über Bratislava bis nach Wien nach, Budapest versprach ebenfalls Milliardeninvestitionen.
Zwischen der Slowakei und Ungarn gibt es
schon seit Jahren einen anhaltenden Kampf, sich als Logistikdrehscheibe den Handel von und nach Russland bzw. die Ukraine ins Gespräch und möglichst in die Poleposition zu
bringen. Vorgelegt hatte die Slowaken mit dem Bau, bzw. Ausbau einer der russischen bzw. ex-sowjetischen Spurbreite dienlichen Strecke nach Košice. Ungarn versuchte es mit
einer speziellen Förderung von Industrieparks in der nordöstlichen Grenzregion zur Ukraine nach Zahony. Beide Projekte blieben, wenn auch großspurig angekündigt, meist auf halber
Strecke stehen, der russische Handel nach West- und Südosteuropa spult sich weiterhin überwiegend über Polen und auf der Straße bzw. auf dem langwierigen Seeweg ab.
Beim kürzlichen Besuch in Russland, "versprach" Premier Orbán seinem Amtskollegen Putin
eine Investition in Dimensionen von bis zu 2 Milliarden USD, die u.a. den Bau einer Breitspurstrecke bis Dunaújváros südlich von Budapest vorsehen und die dortige Errichtung
eines Umschlagplatzes für russische Waren für ganz Europa, inklusive Umspureinrichtung, Lager, Donauhafen und Autobahnanschluss. Angesichts der Budgetlage und des
Investitionsrückstandes der schwer defizitären Staatsbahn MÁV hielten das viele für eine etwas gewagte Ansage, die bisher auch kaum konkrete Folgen zeitigte. Locken will man
die Russen nicht zuletzt auch mit großen Verdienstmöglichkeiten, u.a. beim beschlossenen Ausbau des Kernkraftwerkes in Paks.
Nun geht aber wiederum die Slowakei in Vorlage und überdenkt ihrerseits seit längerem
auf dem Tisch, bzw. in Schubladen liegende Pläne einer Verlängerung der Breitspurbahn von Košice über Bratislava bis nach Wien. Der slowakische Verkehrsminister Ján Figel
"schloss diese Möglichkeit nach seinem Treffen mit dem Chef der Russischen Eisenbahnen Vladimir Yakunin nicht aus.", meldet die slowakische Nachrichtenagentur TASR. Das
Verkehrsministerium analysiert demnach bereits eine Machbarkeitsstudie des Projektes, obwohl man gerade im Juni den Österreicher erklärt hatte, dass alles zu teuer sei.
Bereits im April 2010 hatte eine Delegation der russischen Eisenbahn bei den Slowaken für
die Vorzüge der 1520mm-Schienen geworben. "Die Fahrtzeit aus Ostasien nach Westeuropa per Schiene wird mit 13 bis 14 Tagen um die Hälfte kürzer als auf dem Seeweg sein, was
bei den Frachteignern geringere Transportkosten verursacht: Je nach Frachtwert wird die Ersparnis bis zu 1000 US-Dollar je Container ausmachen." meinte Wladimir Jakunin, der
russische Eisenbahnchef. Nach einer vorläufigen Machbarkeitsstudie könnte der Güterverkehr zwischen Kosice und Bratislava 2025 auf über 23 Mio. t anwachsen. Vor allem
Rohstoffe würden nach Europa befördert werden. In umgekehrter Richtung werden vor allem Container unterwegs sein.
Die geschätzten Baukosten für das Projekt betragen über sechs Milliarden Euro, noch vor
kurzem hieß es, rund 4 Mrd. EUR. Gemäß der letzten Studie sei die Verlängerung der Breitspurbahn um 450 Kilometer technisch sowie rechtlich machbar, allerdings hätte beim
letzten Teilstück auch Österreich noch ein Wörtchen mitzureden. Seit Dezember 2009 gibt es zudem ein russisch, ukrainisches, slowakisches Gemeinschaftsunternehmen. Das
Großprojekt würde angeblich bis zu 11.000 neue Arbeitsplätze schaffen "sowie mehrere wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen", und - nicht so ganz nebenbei - Überlegungen der
ungarischen Konkurrenz obsolet machten. Denkbar ist nach den Äußerunge aus Bratislava auch, dass man die Breitspur elegant in der slowakischen Hauptstadt enden lässt, um die
Logistikdrehscheibe ganz in eigenen Händen zu halten. Das wäre zwar gegen die Absichtserklärungen, aber dennoch “machbar”.
red.
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