Hauptmenü

 

Steigern Sie Ihren Google Rank und Ihre Besucherzahlen durch einen Textlink / Textanzeige Infos

 

 

 

Share

 

(c) Pester Lloyd / 04 - 2011  BULGARIEN 24.01.2011

 

SofiaLeaks

Ein Hauch Tunesien: Abhör- und Korruptionsskandale in Bulgarien

Bulgarien und Rumänien geben sich dieser Tage wieder größte Mühe, dem Bild, das man im Westen von den Zuständen in diesen Ländern hat und seine Schengenunreife zu bestätigen. Es geht um Korruptionsfälle u.a. bei Militär, Grenzern und im Polizeiapparat, im Falle Bulgariens sogar um Amtsmissbrauch auf allerhöchster Ebene. Alles eine Kampagne der Sozialisten und des organisierten Verbrechens, sagt Premier Borrissow, ohne die Vorwürfe selbst entkräften zu können.

Minister und Premier unterbinden Zollkontrollen

Der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow (auf dem Foto mit EU-Kommissionspräsident Barroso, Foto: europ. Parlament) ließ sich am 20. Januar noch zügig und mit knapper Not das Vertrauen des fragilen Parlamentes aussprechen. Neben den Abgeordneten seiner als konservativ bezeichneten GERB-Partei half ihm dabei die nationalistisch-chauvinistische Sammlungsbewegung Ataka. Der Ruf der Borissow-Regierung wurde in den letzten Tagen einmal mehr heftig ramponiert. Es tauchten Mitschnitte von Telefongesprächen auf, in denen der Finanzminister dem Zollchef die Empfehlung des Finanzministers nahelegte, einen bestimmten, in Bulgarien recht bekannten Geschäftsmann, vor Zollkontrollen zu bewahren. Danach folgten weitere Bänder, die auch Borrissow selbst zitieren, wie er eine Brauerei vom Zoll verschonen lassen will, mit der man sich anderweitig geeinigt hätte. Verbindungen reichen in allgemein bekannte Schmugglerkreise, das ganze Repertoire mafiöser Verbindungen wird offenbar. Die Konstellation sollte, so könnte man denken, genügen, um eine Regierung sofort zum Rücktritt zu bringen und Neuwahlen auszurufen.

Mafiaclans führen Krieg darum, wer die Regierung stellen darf

Nicht so in Bulgarien. Die vom Boulevardblättchen Galeria publizierten Mitschnitte stammen vom bulgarischen Geheimdienst und der Umstand, dass geheime, möglicherweise nicht genehmigte Mitschnitte an die Öffentlichkeit gelangt sind, wird vom Ministerpräsidenten als verbrecherischer eingestuft als die darin zu Tage kommenden Vorwürfe gegen ihn selbst. Alles wird als eine Kampagne der oppsitionellen Sozialisten und der mit ihnen verbandelnden Mafiosi eingestuft, was die Mafiosi in seinen eigenen Reihen offenbar entschuldigt. Seine zwei Minister und der Zollchef gaben kurz nach den Vorfällen ein Pressestatement ab, das an Absurdität nichts zu wünschen übrig ließ, in dem sie stolz davon berichteten, dass sie "hervorragend zusammenarbeiten", was die Bulgaren wohl auch aufgrund der "Sofia-Leaks" nur bestätigen können.

Der bulgarische Sicherhheitsdienst DANS stellt tatsächlich und nach wie vor einen Staat im Staate dar, nur dass die Unterscheidungen in sozialistisch und konservativ hier nichts mehr taugen, nur noch Hüllen für die Unterscheidung der beiden Hauptmafiakonglomerate des Landes sind, wie es ein nicht geringer Teil der Bevölkerung sieht. Hinter den Veröffentlichungen der aktuellen Bänder soll dann auch kein geringerer als der Ex-Geheimdienstmann und "Oligarch" Alexei Petrov stehen, der als der große Counterpart des Premiers gilt. Borissow wiederum war selbst Generlaleutnant und Innenminister und einen Sicherheitsdeinst führte und auch über exzellente Kontakte in die "Geschäftswelt" verfügt, nicht zuletzt über seine Freundin, die über den Handel mit Bankaktien wundersam schnell zu enormem Reichtum gelangt war. Er beschützte Ex-KP-Chef Schiwkow und war Bürgermeister von Sofia. Luschkow und Tunesien lassen herzlich grüßen.

Die andere zentrale Drehscheibe des Zwielichtigen, Petrov (Foto), wurde im letzten Februar verhaftet und steht bis heute unter Hausarrest, er steht im Dauerclinch mit der Borissow-Truppe, die daher behauptet, der Lauschangriff ist eine Racheaktion der alten Seilschaft, außerdem sei ohnehin das meiste gefälscht. Die "Attacken" seien der Gegenangriff gegen "unseren Kampf gegen die Korruption.", so Borissow. Alle Achtung! Täglich fliegen nun die Fetzen. Ein Ex-Innenminister bezichtigte den oben genannten Zollchef des Drogenahndels, die Anwälte haben alle Hände voll zu tun.

Die EU nimmt sich sehr gemählich der Sache an

Oppositionsführer Sergei Stanishev von den Sozialisten forderte natürlich den Rücktritt Borissows und sagte, dass dieser in seine eigene Falle getappt sei, schließlich habe er das Abhören von Mobiltelefonaten unter seiner Regierungszeit zu einer eigenen Industrie in Bulgarien werden lassen. Ein unverdächtigerer Beobachter der Szenerie, Dimitar Loudjev, wahrlich kein Sozialistenfreund und einmal Vizepremier der unmittelbaren Nachwendezeit, sieht darin lediglich "Borissows wahre Natur als ein Mann aus der Unterwelt" bestätigt.

Wie immer sehr gemächlich, mischte sich die EU in die Sache ein. Bulgarien steht wie Rumänien unter einem besonderen Beobachtungsprogramm hinsichtlich der Schritte im Kampf gegen Korruption und der Reformierung des Justiz- und Innenapparates. Zunächst beließ man es, wie meistens, bei einer "inneren Angelegenheit" Bulgariens, später dann forderte man doch eine "Verifizierung" der Vorwürfe, vor allem aber, ob die Bänder legal, also mit der Zustimmung eines Richters erstellt wurden. Als ob es ein Problem wäre, eine solche Unterschrift zu besorgen.

Die Schengenunreife selbst bewiesen?

Was nutzt es also, wenn die Länder "technisch" für die Schengensicherung gerüstet sind, aber Minister und -präsidenten persönlich die Aussetzung von Zollmaßnahmen anordnen. In Rumänien wurde vor einigen Tagen die Gendameriespitze entlassen, weil ans Licht kam, dass Ausbilder beim Militär und der Polizei jahrelang systematisch Prämien an den Ausbildungseinrichtungen einhoben und weiterleiteten. An der bulgarisch-rumänischen Grenze flogen am Freitag vierzehn bulgarische Grenzbeamte auf, die sich von "Transitreisenden" Passiergelder auszahlen ließen und sogar Wechselgeld zurückgaben, weil sie sich an eine feste Preisliste gehalten hätten.

Deutschland und Frankreich, die beiden Länder, die den Schengenbeitritt Rumäniens und Bulgariens vorerst gestoppt haben, können sich durch diese Entwicklungen freilich bestätigt sehen. Die Entrüstung der betroffenen Länder, die sich nun zurückgesetzt sehen, sollte angesichts solcher Zustände verstummen. Die Paten dieser Länder sollten sich ihrer Macht nicht mehr so sicher sein, Tunesien, zuletzt Albanien (dort auch durch einem Abhörskandal) haben gezeigt, dass die Geduld der Völker endenwollend und der Vergleich leider nicht sehr weit hergeholt.

red. / M.S.

Mehr zu Rumänien / Bulgarien

Mehr zum Thema:

 

DISKUTIEREN SIE ZU DIESEM THEMA IM GÄSTEBUCH

 

 



 

 

IMPRESSUM

 

Pester Lloyd, täglich Nachrichten aus Ungarn und Osteuropa: Kontakt