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(c) Pester Lloyd / 06 - 2011  RUMÄNIEN 09.02.2011

 

Opposition rüstet zum Machtwechsel

Aktuelle Entwicklungen in Rumänien

Die rumänische Opposition von Links bis Mitte-Rechts gründet eine große Koalition gegen die Regierung - Milliarden-Investitionsprogramm der Regierung vor dem Start - Debatte um Mehrwertsteuersenkung und Flat Tax - Weiterer Notkredit vom IWF bewilligt - Dutzende Grenzbeamte wegen Korruption und Schmuggel verhaftet - Fünf Tote bei Grubenunglück

Allianz für Rumänien oder Koalition der Reformblocker?

In Rumänien hat sich ein Oppositionsbündnis aus der Sozialdemokratischen Partei, National-Liberalen Partei PNL sowie einer eher konservativ ausgerichteten Oppositionspartei gegründet, allesamt im Parlament vertreten. Am letzten Samstag unterzeichneten die drei Parteichefs, Victor Ponta, Crin Antonescu und Daniel Constantin (Foto oben aus den rumänischen Hauptnachrichten) die entsprechende Vereinbarung. Das Bündnis mit dem Namen "Sozial-Liberale Union" (USL). Sie wollen nach eigenen Angaben ein starkes Gegengewicht zur Regierungskoalition aus Liberaldemokraten und der Nationalen Union sowie der rumänischen Ungarn-Partei bilden. Die Gründer der Allianz betonten den partei- und ideologieübergreifenden Charakter, es handele sich daher um eine Alianz "für Rumänien und die Rumänen."

Die Regierungsseite kontert, dass gerade dieser parteiübergreifende Umstand zeige, dass sich hier nur reformunwillige, egoistische Kräfte zusammengeschlossen hätten, um den Fortschritt Rumäniens für eigene Interessen zu blockieren. Die USL kündigte an, neben einem Wahlbündnis für die Parlamentswahlen 2012 auch einen gemeinsamen Kandidaten für den einflussreichen Posten des Bürgermeister von Bukarest stellen zu wollen.

84% der Rumänen sehen ihr Land auf einem falschen Weg

Ministerpräsident Emil Boc (Foto rechts), dessen Koalition numerisch auf sehr wackeligen Füßen steht und nur durch die Gunst unabhängiger und sogar Oppositionsabgeordneter noch über eine Mehrheit verfügt, gibt sich nach außen von den geeinten Gegnern sowie den Protesten der Militärs und anderer öffentlich Bediensteter gegen die Rentenpolitik unbeeindruckt und wirbt weiter für sein umfassendes Reformprogramm, das jedoch in der Bevölkerung immer mehr auf Widerstand stößt.

Aktuelle Umfragen sehen seine Partei PDL bei nur noch 18% (bei der Wahl 32,4%), seine beiden Koalitionspartner kämen zusammen auf nur noch ca. 16%, während das neu gegründete Bündnis aus Liberalen, Konservativen und Sozialdemokraten mit 58% klar die Mehrheit erlangen könnte, wobei die Sozialdemokraten ebenfalls fast 10 Prozentpunkte weniger einführen als bei der Wahl 2008. Sehr fraglich ist zudem, ob das Bündnis auch nach den Wahlen noch haltbar sein wird. Auch bei der Präsidentenfrage liegt der sozialdemokratische Parteichef derzeit knapp vor dem Amtsinhaber, beide bekommen aber mit 15 bzw. 13% insgesamt wenig Vertrauen ausgesprochen. Insgesamt 84% der vom Institut IRES Anfang Februar Befragten sehen Rumänien auf einem "schlechten Weg", nur 13% glauben, dass das Land "die richtige Richtung" einschlägt.

Der Premier ringt um den richtigen Reformansatz

Ähnlich wie Ungarn, greift nun auch Rumänien offenbar zum Mittel einer Flat Tax, die die Bereitschaft zum Steuern zahlen erhöhen soll und vor allem den mittleren Einkommen hilft. Ab 15. Februar starten zudem die ersten Ausschreibungen im Rahmen eines "Nationalen Investitionsprogrammes", das sich - ähnlich wie der neue Széchenyi-Plan in Ungarn - hauptsächlich aus den EU-Milliarden für die Entwicklung der Infrastruktur sowie der dazu notwendigen Kofinanzierung des Staates speist. Der Wert der ersten Ausschreibungsrunde wird mit bis zu vier Milliarden Euro angegeben. Das Geld solle zur "Wachstumsmaschine" werden und zur Schaffung von Arbeitsplätzen dienen.

Bei Gesprächen der Regierung forderten Vertreter der Arbeitgeber jedoch noch viel weitergehende Schritte. "Alle Steuern und Abgaben" müssten reduziert werden, um einen echten Neustart der rumänischen Wirtschaft zu erreichen. Dazu lieferten die Arbeitgeber dem Premier ein umfangreiches Arbeitspapier. Darin wird u.a. vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer erst dann fällig zu stellen, wenn die Rechnungsbeträge beim Empfänger eingegangen sind und nicht schon, wenn die Rechnung gestellt wird. Ein Problem, das vor allem viele kleine Unternehmer belastet.

Alles Betrüger? Der Finanzminister behauptet, dass eine Mehrwertsteuersenkung
beim Kunden gar nicht ankommen würde...

Das Finanzministerium wandte sich indes gegen eine Absenkung der Mehrwertsteuer. Diese wurde beim Regelsatz im Vorjahr als Antikrisenmaßnahme und als Reaktion auf die Annullierung einer pauschalen 15% Rentensenkung durch das Verfassungsgericht von 19 auf 24% erhöht. Eine Reduzierung, so Finanzminister Tudor Lazar, würde kaum spürbare Preissenkungen für die Bevölkerung tätigen, dafür aber den finanziellen Rahmen für den Staat deutlich einengen. Zur Sprache kam bei Konsultationen auch, ob man zu der bevorzugten Pauschalbesteuerung von Kleinunternehmen zurückkehren könne. Diese sah eine 3%ige Steuer auf die Umsätze von Unternehmen bis zu einer bestimmten Obergrenze vor, mit der alle staatlichen Ansprüche auf den daraus erwirtschafteten Gewinn, also auch die Einkommenssteuer, abgegolten wurden, die Unternehmer aber auch keine Kosten gegenrechnen können (ähnlich wie EVA in Ungarn).

Neue Kreditlinie für "Notfälle" auf den Weg gebracht

Inzwischen haben IWF und EU einer Erweiterung der Kreditlinie für Rumänien über die mit der Krise vereinbarten 20 Milliarden EUR hinaus zugestimmt. Eine erste Tranche von 150 Mio. EUR ist auf dem Weg nach Bukarest. Wesentlichster Faktor der Zustimmung war, dass das Haushaltsdefizit von 8,6% 2009 auf rund 5% reduziert werden konnte. Für 2012 verpflichtete man das Land auf die Maastricht-Grenze von 3%. Die neue Vereinbarung gibt der Regierung einen finanziellen Zusatzspielraum von bis zu 5,4 Milliarden Euro, die es aber nach eigenen Angaben nur "im Notfall" nutzen bzw. ausschöpfen will.

Dutzende Grenzbeamte bei Schmuggel und Korruption aufgeflogen

In puncto Schengenbeitritt bewegen sich die Dinge eher weiter in die negative Richtung. Die von vielen Seiten geäußerten Befürchtungen der Durchsetzung des Grenzregimes mit korrupten Netzwerken bestätigen sich immer mehr. Ende letzter Woche wurden gegen 55 Grenzpolizisten und vier Mitarbeiter des Zolls Haftbefehle durch das nationale Anti-Korruptions-Direktorat DNA erlassen, gegen einen Teil davon wurde mittlerweile U-Haft ausgesprochen, andere müssen sich zur Verfügung der Justiz halten. Die Vorwürfe, dokumentiert an der EU-Außengrenze zu Moldawien, reichen von Zigarettenschmuggel bis hin zu Fällen systematischer Korruption. Begleitet wurde die Aktion von Durchsuchungen Dutzender Dienststellen und Wohnungen von Beamten. Zentrum der Ermittlungen war der Grenzübergang Siret im Bezirk Suceava (Foto).

Das offizielle Rumänien will in der Aktion einen Beweis darin erkennen, dass die Antikorruptionsmechanismen des Staates greifen. Beobachter in der EU sehen darin eher nur die Spitze eines Eisberges, der hier abgetragen wurde. Außerdem müsse man erst abwarten, wie diese Fälle von der Justiz aufbereitet werden oder ob es sich nur um eine Schönwetter-Aktion gehandelt habe.

Am Wochenende überschattete ein Grubenunglück mit fünf Toten in Uricani das öffentliche Leben des Landes.

red.

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