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(c) Pester Lloyd / 07 - 2011  BOSNIEN-H. 14.02.2011

 

Selbst- und Fremdblokade

Stillstand heißt in Bosnien: HDZSHDSZ1990DASDPHSPNRSZBSBiHSNSD

Die Situation in Bosnien-Herzegowina, das nun seit mehr als 15 Jahren, seit dem Abkommen von Dayton ein aufgrund des Krieges vor allem ethnisch geteiltes Land unter Aufsicht eines "Hohen Kommissars" ist, spiegelt sich auch in der andauernden Selbstblokade des neu gewählten, aber machtlosen Parlamentes. In New York feierten die Protagonisten von Damals ihr Jubiläum, nur die EU-Perspektive, so der Tenor, könnte letzlich einen Ausweg weisen.

Seit den Wahlen Anfang Oktober 2010, seit dem sich 12 Parteien die gerade 42 Sitze im zentralen Parlament von Bosnien-Herzegowina teilen sollen, gibt es weder eine beschlossene Geschäftsordnung, noch auch nur ein Datum dafür, wann das Parlament mit beschränkten Vollmachten wieder seine Arbeit aufnehmen wird. Alles ist nur provisorisch, seit zweieinhalb Monaten gab es keine reguläre Parlamentssitzung mehr.

Die uralte Brücke in Mostar wurde im Bosnienkrieg zerstört und zum
Symbol des Trennenden. Der Wiederaufbau der Brücke hat
aber die gesellschaftlichen Gräben im dem zerissenen Land auch nicht flicken können, im Gegenteil, sie scheinen zementiert, nur will das die internationale Gemeinschaft nicht anerkennen...

Wozu Parlamentssitzungen, wenn man ohnehin nichts bestimmt

Ende November gingen die Parlamentarier, die aufgrund der UN-Hoheit und der Proporzverwaltung der beiden Teilrepubliken (bosnisch-kroatische Förderation, der Republika Srpska und Sonderverwaltungszone Brčko) auseinander, ohne sich auf einen neuen Sitzungstermin einigen zu können. Der provisorische Parlamentspräsidenten, Adnan Basic, sagte nach dem letzten Treffen der Fraktionschefs (die manchmal auch fast die ganze Fraktion sind) am Freitag frustriert, dass sich die Beteiligten erstmal "untereinander einigen" sollten.

Das dürfte aber gar nicht so leicht sein: die beiden bosnisch-kroatischen Parteien HDZ und HDZ 1990, stellten, so Basic, beim Fortgang der Arbeit im Moment das Hauptproblem dar. Zwei serbische Parteien sind sich nicht einig, ob sie beide kroatischen Parteien in der Regierung akzeptieren könnten oder nicht. Doch beide HDZ´ beharren sowieso darauf. Dann hate die (serbische, sozialdemokratische) SDP einen Block mit der führenden (muslimischen) Bosniaken-Partei, der SDA und zwei kleineren kroatischen Parteien (HSP und NSRZB) gebildet, der bereit wären "vorerst" in der bosnisch-kroatischen Förderation eine Regierung zu bilden, die auch den Weg frei machen könnte, für eine Zentralregierung. Doch genau dagegen opponieren die beiden größeren Vertreter der bosnischen Kroaten, die sich durch die serbisch-bosniakische "Koalition" so hinausgedrängt sehen.

Das zerschossene Parlamentsgebäude in Sarajevo, heute, zumindest außen repariert.

Lieber macht man nichts, bevor man Fehler macht

Die Beschreibung dieser letztlich kaum völlig durchschaubaren Gemengelage, die wir in unserem Untertitel durch die Aneinanderreihung der Parteikürzel verdeutlichen wollten, zeigt sehr deutlich das Grundproblem in Bosnien. Durch die Fremdverwaltung, konnte (und musste) sich bisher keine führende politische Kraft etablieren, da ihre Befugnisse ohnehin durch den Hohen Kommissar mit Vetorecht sehr beschänkt sein würde. Daher entwickelte sich ein zerplitterstes Spektrum von kleinen und zum Teil kleinsten Interessengruppen, statt Parteien mit dem Anspruch der Volksvertretung. Durch die Einzelregierungen in den Teilrepubliken, die, wenn überhaupt, eher die Macht haben als die auch im Volk als unfähig eingestufte Zentrale, ist die Bedeutung des zentralen Parlamentes ohnehin gleich Null, zumal es auch noch eine Trio-Präsidentschaft (Staatspräsidium) gibt.

Die internationale Gemeinschaft hat sich, aus Angst man könnte Fehler machen, dazu entschlossen, gar nichts zu machen und ist damit selbst zum Bremsklotz geworden. Um diesen gordischen Knoten endlich zu lösen und neue Strukturen auszuloten, die zu einem normal geformten Staatswesen führen, hat die deutsche Bundeskanzlerin Merkel seit einiger Zeit die Initiative ergriffen. In Einzeltreffen hat sie sich die wesentlichen Parteiführer nach Berlin, eingeladen, fast einbestellt, von regelrechten Geheimverhandlungen ist die Rede. Im Hintergrund spielen dabei freilich auch die ständigen Einflussnahmen und Instrumentalisierungen durch die "Mutterländer" der Kroaten und Serben eine tragende und nicht gerade konstruktive Rolle, - kein Schritt zurück, heißt meistens die Devise, wenn es um Kompromisse geht. Kaum eine Chance scheint darin zu bestehen, die größeren Parteien von ihrer ethnischen Ausrichtung auf politische Ziele umzumotivieren.

Konferenz der späten Friedensstifter

In einen gewissen glänzenden Gegensatz zur matten Realtität stellte sich eine Konferenz am Wochenende in New York, bei dem der 15. Jahrestag des Abkommens von Dayton gefeiert wurde. Dieser Vertrag beendete den Bosnienkrieg, schuf aber auch die heutige Situation. Als Teilnehmer kamen u.a. der bosniakische Bosnienpräsident, Bakir Izetbegovic, der kroatische Präsident Ivo Josipovic, Ex-Präsident Bill Clinton und Ex-Außenministerin Madeline Albright zusammen. Auch die EU-"Außenministerin" Catherine Ashton war dabei als die alten Protagonisten die Ereignisse Revue passieren ließen und Clinton das Dayton-Abkommen als "ersten diplomatischen Erfolg nach dem Kalten Krieg" einordnete. Ein später und opferreicher Erfolg. Nur am Rande wurde auch vermerkt, dass Bosnien bis heute kein funktionierender Staat geworden ist und Dayton von Anfang an an einer fehlenden Exit-Strategie litt.

Die EU-Teilnehmer stellten klar, dass es "keine Alternative zur Politik" des EU-Beitritts für alle Länder dieser Region gibt, doch das böse Wort Teilung, mittelfristig womöglich die einzige friedliche Lösungsmöglichkeit, fiel aus ofiziellen Mündern nicht. Der serbische Vertreter des bosnischen Präsidententrios kam übrigens nicht nach New York, er hatte die Einladung zu spät erhalten und fand die Reise einfach zu teuer. Ein klares Wort, immerhin.
 

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