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(c) Pester Lloyd / 07 - 2011  POLITIK 16.02.2011

 

Keine Kündigung ohne Begründung

Ungarisches Verfassungsgericht kippt wieder ein Gesetz der Regierung

Das ungarische Verfassungsgericht hat ein Gesetz gekippt, das die Entlassung von Angestellten im öffentlichen Dienst, auch von Beamten, ohne die Angabe von Kündigungsgründen ermöglicht. Dies ist das zweite Gesetz der seit Mai letzten Jahres im Amt befindlichen Fidesz-Regierung, das von den Verfassungsrichtern anulliert worden ist. Beim ersten Mal kastrierte man das Verfassungsgericht daraufhin, was jetzt passiert, ist noch offen.

Das Verfassungsgericht kommt in seinem Urteil zu dem Schluss, dass es an der Notwendigkeit der Steigerung von Effizienz, Wirksamkeit und Standards im öffentlichen Dienst nichts auszusetzen gibt, die auch eine Vereinfachung der Kündigungsmöglichkeiten einschließen dürfen. Dazu müsse der Gesetzgeber jedoch Regeln finden, die die verfassungsmäßigen Rechte der Betroffenen beachten. Die jetzigen seien über Gebühr ungerecht, auch im Verhältnis gegenüber den Rechten anderer Angestellter.

Das betroffene Gesetz war im letzten Sommer beschlossen worden und wurde bereits von dem damaligen Staatspräsidenten László Sólyom, der mittlerweile von dem parteitreuen Pál Schmitt ersetzt wurde, an das Parlament zurückverwiesen, das es zum zweiten Male unverändert beschloss und sich damit über das Präsidentenveto hinwegsetzte. Daraufhin zogen Gewerkschaften und Zivilorganisationen vor das höchste Gericht des Landes, zahlreiche Einzelklagen vor ordentlichen Gerichten von Betroffenen waren auch zu verzeichnen, woraus sich ergab, dass Klagen abgewiesen werden mussten, weil die Richter zum Teil zu dem Schluss kamen, die Rechtmäßigkeit einer Kündigung nicht prüfen zu können, wenn dafür keine Gründe genannt werden.

Die Regierung hat sich bisher nicht weiter zu der Entscheidung geäußert, sondern nur gemeint, "man habe den Richterspruch zur Kenntnis genommen". Das derzeitige Gesetz bleibt laut Verfassungsgericht noch bis 31. Mai in Kraft, was der Regierung die Gelegenheit gäbe, noch vollendete Tatsachen zu schaffen. Dieser Passus wird auf den verstärkten Einfluss eines neuen, der Regierung nahestehenden Richters zurückgeführt. Vertreter der Opposition bezeichneten die Entscheidung dennoch als "Zeichen der Hoffnung", dass Ungarn als "rechtsstaatliche Demokratie" weiterbestehen kann, wenn die Regierung die richtigen Konsequenzen aus dem Richterspruch zöge.

Beim ersten Gesetz, das der Verfassungsgerichtshof kassierte, reagierte die Orbán-Regierung schnell und extrem restriktiv. Es handelte es sich um eine 98%ige Besteuerung auf Abfindungen im öffentlichen Dienst, die sich vor allem auf die zum Teil unverschämten Abgangsregelungen bezog, die sich Mitarbeiter der vorherigen Administration zuschanzten (Bsp. BKV). Das Gesetz traf aber z.B. auch Lehrer, für die umgerechnet einige tausend Euro Abfindung nach einem langen Berufsleben zur festen Säule ihres sonst eher schmalen Alterseinkommens zählten.

Als das Verfassungsgericht diese Regelung als nicht grundgesetzkonform aufhob, wurde es von der über eine Zweidrittelmehrheit verfügende Regierungspartei umgehend seiner Kompetenzen für Fragen, "die Einfluss auf das Budget haben", enthoben. Begründet wurde es damit, dass die "Gerechtigkeit" über das "Recht" zu stellen sei und das Gesetz dem "Volkswillen" entspräche. Es wurde dann mit geringfügigen Änderungen bei der Berechnungsgrundlage und mit einer Zusatzklausel, die sogar eine rückwirkende Anwendung ermöglicht, erneut beschlossen.

Mit einiger Spannung werden auch zwei weitere Entscheidungen des Verfassungsgerichtes erwartet. Bis Ende März sollen Urteile zum Mediengesetz sowie der Rückverstaatlichung der zweiten Säule der Rentenversicherung fallen.

red.

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