Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 08 - 2011  GESELLSCHAFT 03.03.2011

 

Elvis auf den Heldenplatz!

Ungarn: ein Land wird umgeschmückt

Während die wirtschaftliche Konjunktur in Ungarn, ausschließlich wegen sozialistischer Altlasten und externer Feindeinwirkung, noch immer auf sich warten lässt, ist die nationale Umschmückung des Landes in vollem Gange. Nur Querulanten, Neider oder unbelehrbare Kommunisten können in der Sichtbarmachung der "Revolution an den Wahlurnen" Geschichtsrevisionsimus, wertlose Symbolpolitik oder gar heraufziehenden Personenkult erkennen. Sie werden "das ungarische Volk" nicht aufhalten.

Unser bescheidener Entwurf für die Ehrung eines Freundes Ungarns

Die Botschaft ist noch nicht überall verstanden worden

Die angesichts des euro-globalisierten Nationalnihilismus` längst überfällige nationale Emotionalisierung durch die neuen Führer des Landes begann in Ungarn schon während des Wahlkampfes, jenem acht Jahre "langen Marsch" und musste aufgrund der damals noch fehlenden administrativen Gewalt des Fidesz zunächst auf Verbales beschränkt bleiben. Die Auftritte Viktor Orbáns an der Grenzbrücke von Komárom zeigten schon vor seinem Amtsantritt, wie groß das kleine Ungarn eigentlich ist und wieder werden wird und freundlicherweise setzte der heutige Premier schon damals auch die Nachbarn von seinen Plänen und Visionen persönlich in Kenntniss. "Die Vertretung des gesamten Ungarntums im Karpatenbecken" sollte den Regierungen in Bukarest, Bratislava, Belgrad lediglich administrative Lasten abnehmen. Schade, dass die Botschaft bis heute nicht so richtig angekommen ist. Doch Gut Ding braucht Weile.

Häme von den unfähigen Sozialisten

Seit Ende April 2010 sind die nationalen Aufräum- und Renovierungsarbeiten endlich in vollem Gange. Zunächst ließ man in allen ungarischen Amtsstuben die "Erklärung zur nationalen Kooperation" aufhängen, die zwar - ausschließlich aufgrund der 100%igen Zustimmung des Volkes - ohne Kooperationspartner auskommt, dafür aber in hübschem rot-weiß-grün die Grundzüge der aufopferungsvollen Arbeit der Volksvertreter und Behördenmitarbeiter enthält. Die widerlichen Sozialisten, unfähig im Regieren wie in der Opposition, machten sich darüber lustig und brachten einen eigenen, an Häme kaum zu überbietenden Gesetzentwurf ins Parlament ein, der das Anbringen von Konterfeis des "großen Vorsitzenden" Orbán in jedem Klassenzimmer und Kindergarten verlangte und Orbáns Geburtstag zum Nationalfeiertag ausrufen wollte. "Gesetz zur Liebe, Stolz und Dankbarkeit gegenüber dem Menschen, der das System der Nationalen Einheit" gebracht hat, so nannten die Pharisäer ihre Vorlage, die die Regierungsfraktion zwang, sozusagen gegen sich selbst zu stimmen.

Kreuze haben Konjunktur, mal mit, mal ohne Pfeile

Große Konjunktur haben seit einiger Zeit wieder Kreuze aller Art, mal mit Pfeilen, mal ohne. Vor Weihnachten zierten an verschiedenen Stellen des Landes und der Hauptstadt sogenannte Straßenkreuze die Szenerie, die von Priestern der beiden Hauptkirchen im Lande eifrig gesegnet wurden. Es dauerte eine Weile, bis der Kardinal daraufhin wies, dass diese Kreuze meistens von der als rechtsextrem verunglimpften Partei Jobbik aufgerichtet wurden (bitte, wenn die wirklich rechts wären, wieso sollten sie dann einem jüdischen Sektierer huldigen?), was man wohl dahingehend interpretieren könnte, dass die Kirche mit einer neofaschistischen Partei zusammenarbeitet. Der Kardinal riet davon ab, einige Kalvinistenpfarrer, sich ihrer Sendung bewusst, segneten aber weiter die Mitglieder der "Ungarischen Garde".

Die Krone der Krone der Schöpfung

Immerhin wird es das Christentum nun endlich in die Verfassung schaffen, womit kein Zweifel mehr über die Leitkultur des Landes bestehen dürfte, Menschen "nichtungarischen Herzens" wie die Juden hier in aufrichtiger Rücksichtnahme von den intellektuellen Hausmeistern genannt werden, sollten sich dringend die Fortsetzung des Alten Testaments zulegen, damit sie auf dem Laufenden bleiben, für Atheisten, so es sie in Ungarn geben sollte, sehen wir allerdings schwarz.

Auch die Stephanskrone, seit neuestem bewacht von einer Reservisteneinheit, wird in der Präambel der Verfassung erwähnt werden, als Symbol für die Staatlichkeit Ungarns und die Einheit des Ungarntums, wie sich der Präsident so formidabel auszdrücken wusste. Dass das Symbol der Monarchie im Parlament der Republik aufbewahrt und von einer Garde aus Reservisten, die zum Teil noch in der Kádárschen Volksarmee dienten, bewacht wird, ist kein Anachronismus, nein, es beweist nur, dass die Einheit der Ungarn vollkommen ist. Republik, Monarchie, Gulaschkommunismus sind nur Etappen auf dem Weg einer "von Gott bestimmten Ordnung", wie sie uns der weise Präsident bereits unnachahmlich näher brachte.

Ein bisschen Heim ins Reich: Identität zwischen Pappdeckeln

So wie die Stephanskrone von fremden Häuptern getragen, wurde auch Ungarn immer wieder von Fremden beherrscht - und - wird es bis heute. Trianon, jenes kleine Schlösschen im großen Frankreich, ist das Symbol dafür. Um den ewig fließenden Strom magyarischen Herzblutes ja nie versiegen zu lassen, waren einige Maßnahmen erforderlich, die da sind: Aushändigung eines zwar wertlosen, aber immerhin ungarischen Passes in einem erleichterten Verfahren. Damit holt man alle Ungarn aus "Blutlinie", die das wollen, unbescholten sind und Ungarisch sprechen im Blitzverfahren wieder ins Land, zumindest symbolisch. Der Pappdeckel soll das "Band" sein, das die Nation verbindet. Sozialleistungen gibt es aber keine, ob gewählt werden darf, ist noch offen. Weiterhin wurde ein nationaler Trianon-Gedenktag ins Leben gerufen und entsprechende Denkmale errichtet, das schönste davon wahrscheinlich vor dem Rathaus in Kecskemét (Foto). Diesem Kapitel, der geneigte Leser wird das längst bemerkt haben, steht der Autor durchaus kritisch gegenüber, da doch eigentlich nur im Wiederanschluss der geheiligten ungarischen Gebiete eine befriedigende Lösung gesehen werden kann. Aber auch Rom wurde ja nicht an einem Tag erbaut und Rotweinflecken bekommt man gut mit Salz aus der Kleidung.

Stalin darf nicht mehr kostenlos Metro fahren

Nun geht es endlich auch den kommunistischen Straßennamen an den Kragen, noch zu viele Kádár-Getreue, Stalinisten und Rote (Salz!) aus Zeiten der Räterepublik werden auf Plätzen und Gassen geehrt. Auch das Ehrenbürgerbuch der Stadt Budapest wird auf diverse Galgenvögel durchforstet, so hat der neue Oberbürgermeister István Tarlós in dieser Woche angekündigt, dass Generalissimus Stalin sowie die Herren von Haynau und Baron Bach hinfort keine Ehrenbürger der Stadt mehr sein werden. Stalin, weil er miserabel Ungarisch sprach, von Haynau und Bach, weil sie halt Österreicher waren. (Erster schlug 1849 böse auf die Revolution ein und Bach drangsalierte bis in die 1860er Jahre als Statthalter die in Ungarn stets und heute besonders freie Presse, übrigens auch diese Zeitung!!). Alle drei werden auch nicht mehr das Privileg haben, kostenlos mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, wie es den Ehrenbürgern sonst zusteht. Möglicherweise würden in Budapest bald überhaupt keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr fahren, wenn, das nur am Rande, der Staat deren Schulden nicht bald übernimmt.

Gyula Gömbös hingegen, hat die Ehrenbürger-Weihen der Stadt Orosháza vor kurzem wiedererlangt, womit man eine tiefe Ungerechtigkeit ausglich. Er war Ministerpräsident unter Horthy und zog sich dabei, ob seiner Ambitionen den Beinamen "Gömbölini" zu. Beide werden ja von der linkslinken Sudererfraktion hartnäckig als Bestaller des ungarischen Faschismus verunglimpft, Horty praktisch nur, weil er einmal aus realpolitischen Erwägungen eine Fiakerausfahrt mit Herrn Hitler unternahm.

Reagan und Elvis, die wahren Freunde Ungarns

Wer, neben den ungarischen, die wahren Helden der neuen Ära sind, auch darüber informierte die Obrigkeit die huldvoll lauschenden Untertanen schon: Ronald Reagan soll ein eigenes Denkmal bekommen, weil er praktisch nur mit Papst Johannes Paul II. zusammen die Kommunisten besiegt hat und ein toller Schauspieler war (das ist ein Wunsch der KDNP) und Elvis Presley wird, so kündete es OB Tarlós diesen Mittwoch, bald eine Statue gewidmet sein. Der Oberbürgermeister erklärte, warum der als drogensüchtiger Vielfraß eigentlich nicht so vorbildliche Schlagermann dennoch unbedingt in die Stadt gehört: er war einer der wahren Freunde Ungarns, weil er den Volksaufstand von 1956 "von ganzem Herzen" (also ziemlich fett) unterstützte. Beweis: es gibt ein Band von 1957, auf dem er das amerikanische Volk zur Lieferung von Hilfsgütern nach Ungarn aufrief. Ein Platz neben den Árpáden auf dem Heldenplatz sollte dafür das Mindeste sein.

Wem´s nicht passt, mache den Liszt!

Möglicherweise wird auch der Flughafen Ferihegy in "Franz-Liszt-International-Airport" umbenannt. Liszt, geboren im burgenländischen Reiding, deutschsprachig und frankophil, hatte aber - belegbar - immer Heimweh, einen typischeren, zumal erfolgreichen Ungarn könnte man sich also gar nicht vorstellen. Die Umbenennung ist zudem ein dezenter Hinweis an die Kritiker, wie und wohin man das Land verlassen könnte, wenn einem die glorreiche nationale Erneuerung oder sonst irgendetwas nicht passen sollte...

ms.

LESERPOST                                       Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

Mehr zum Thema:                                            

 


 

 

 

IMPRESSUM

 

Pester Lloyd, täglich Nachrichten aus Ungarn und Osteuropa: Kontakt