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(c) Pester Lloyd / 10 - 2011  POLEN 09.03.2011

 

Ist Polen doch verloren?

Rasant wachsendes Budgetdefizit bereitet Sorgen

Polens BIP wuchs allein im vierten Quartal 2010 um 4,4%, getragen in erster Linie von der Binnennachfrage, für 2010 schaffte man über dem EU-Schnitt liegende 3,8% Wachstum, 2011 sind 4,2% geplant, die Kreditausfälle bei Polens Banken waren deutlich geringer als in fast allen anderen osteuropäischen Ländern, die Arbeitslosenrate ist zwar sehr hoch, aber in der Krise kaum gestiegen, auch das kann also nur besser werden. Dennoch sehen Ökonomen schwarze Wolken am Horizont aufziehen, gar griechische Szenarien. Wie kommts?

Die Party für den Nationalliberalen Donald Tusk dürfte bald vorbei sein. Entweder treibt er sein Land in die Pleite oder wird wegen ungeliebter Sparmaßnahmen im Herbst abgewählt.

Die Staatschulden des Landes stehen mit rund 200 Mrd. EUR zwar bei "nur" knapp 60% des BIP, doch den Ökonomen und Politikern macht der rasante Anstieg der Schulden Angst. Mit allen Mitteln versucht nun die Regierung Tusk, dieses Problemfeld in den Griff zu bekommen, mit zum Teil ebenso zweifelhaften Methoden wie in Ungarn. Rund 50 Mrd. EUR "schlummern in den Rentenfonds, die erst in zehn bis dreißig Jahren als Renten zum Einsatz kommen sollen, sind für die Regierung eine unwiderstehliche Versuchung.", schätzt das polnische Radio die Lage ein. Doch die warnenden Stimmen von Fachleuten und Vertretern der Betroffenen werden immer vernehmbarer.

Ministerpräsident Donald Tusk versucht auch an anderen Fronten zu sparen, so könnten bald alle Regierungsstellen, einschließlich Ministerien bis zu 10% ihres Personals feuern müssen, zum Sommer werden die ersten knapp zweitausend Stellen gestrichen, auch durch Kündigungen. Doch all dies ist nur Kosmetik, immerhin hatte gerade die Regierung Tusk zu Beginn ihrer Legislaturperiode diese öffentliche Beschäftigung so forciert.

Polen wird kaum seine Defizitiziele einhalten können, die EU verlangt bis 3% des BIP bis Ende 2012, die derzeitigen Prognosen sehen jedoch in diesem Jahr 6,5%, Ende 2012 immernoch 4,5% Defizit, die EU-Kommission hat so "ihre Zweifel am Zustand der öffentlichen Finanzen in Polen." und der Ruf des Landes als Fels in der Brandung der Wirtschaftskrise bekommt Kratzer, das sanfte Durchgleiten durch die Krise hat sich die Regierung teuer erkauft, nun ist auch für Polen die Zeit zum Sparen gekommen, ansonsten müssten die Ratingagenturen ihre "A"-Bewertung überdenken, wird milde aber unmissverständlich gedroht.

Die bisherigen Maßnahmen der Regierung, dabei auch eine Mehrwertsteuererhlhung, da ist man sich international einig, genügen bei weitem nicht, um die Finanzlage mittelfristig im Griff zu halten. Die heimischen Ökonomen klammern sich jedoch weiter an der niedrigen Schuldenrate gegenüber dem BIP. Dabei, so die Einschätzung internationaler Analysten, "ist die Geschwindigkeit, mit der die öffentlichen Haushalte abrutschen" beängstigend. Es könne doch nicht sein, dass die Haushaltslage bei einem solchen Wachstum 2010 schlechter ist als 2009.

Doch selbst wenn die Einsicht für ein "großes Sparpaket" und "Strukturreformen" und wie die anderen Wunderwörter der Post-Krise heißen, in Warschau eingezogen sein sollte: im Herbst sind Wahlen. Ein schlechter Zeitpunkt also, den Polen Geld wegzunehmen, um Schulden zu bezahlen. Öffentliche Ausgaben, und hier sehen viele das Grundproblem in Polen (nicht nur dort) sind häufig von politischer Motivation gelenkt. Man will Interessensgruppen und Wählerschichten für sich gewinnen und / oder befrieden, der ökonomische Sinn oder die Last von bestimmten Maßnahmen wird von dieser politischen Klasse nicht oder erst hinterfragt, wenn das Geld schon ausgegeben ist. Die Ökonomen fordern eine Abkehr von dieser Art der Wirtschaftspolitik.

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