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(c) Pester Lloyd / 10 - 2011  RUMÄNIEN 09.03.2011

 

Zerreissprobe in Bukarest I

Misstrauensanträge gegen Regierung in Rumänien

Die rumänische Regierung setzte am Dienstag das neue Arbeitsgestz "in eigener Veranwortung" in Kraft, um eine schwierige Mehrheitsfindung im Parlament zu umgehen. Das ist legal, aber ein Spiel mit dem Feuer, denn die Gegner eines so eingeführten Gesetzes können dies nur mit einem Misstrauensantrag zu Fall bringen, - und die gesamte Regierung gleich mit. Genau das wollen sie nun auch tun. - Weiterer Stellenabbau im öffentlichen Dienst.

Ministerpräsident Emil Boc beim Haare glätten oder raufen?

Es dauerte nur wenige Stunden bis die seit kurzem vereinigte Opposition aus Sozialdemokraten, Nationalliberalen und einer konservativen Partei den Misstrauensantrag unter dem Titel ankündigte: 'Das Boc Gesetz: niedrige Löhne, hohe Arbeitslosigkeit, bankrotte Unternehmen". Der Fraktionschef der Sozialisten erklärte, auch im Namen der Oppositionskoalition, sein Entsetzen über die "Missachtung des Parlaments" und die "missbräuchliche" Verwendung des Prozederes durch Premier Boc. 210 Abgeordnete von PSD (Sozialdemokraten), PNL (Nationalliberale) und PC (Christdemokraten) haben den Antrag unterzeichnet.

Die Opposition kritisiert das neue Arbeitsrecht wie die gesamte Wirtschaftspolitik scharf, es basiere nur auf einer einzigen "ökonomischen Philosophie" und die heißt: Löhne senken. Das neue Arbeitsrecht schaffe keine Flexibilität, erhöhe nur weiter die Bürokratie. Rumänien sei an einem "Tiefpunkt seiner Existenz" angekommen, argumentiert der Fraktionschef ähnlich düster wie wir das - von der anderen politischen Seite - aus Ungarn kennen, "weder der Mensch noch sein Eigentum" seien unter dieser Regierung noch sicher.

Zentraler Streitpunkt ist die Möglichkeit für Unternehmen, nach Massenentlassungen wieder neue Mitarbeiter einzustellen. Bisher galt ein 9monatiges Einstellungsstopp nach Massenentlassungen, womit man die Unternehmungen zu Anstrengungen zwingen wollte, diese zu umgehen und die Leute auf irgendeine Art weiter zu beschäftigen. In der Realität führte dies aber zur schrittweisen Auslagerung des Personals an Zeitarbeitsfirmen und Subunternehmer, kaum jemand wollte noch das Risiko größerer eigener Personalbestände eingehen. Die Frist wird im neuen Gesetz nun auf 45 Tage gesenkt, enthält aber auch eine Klausel, die den gefeuerten Arbeitnehmern, bei gleichbleibender Tätigkeit ein Vorrecht auf ihren alten Job einräumt. Gegner dieser Regelungen fürchten nun, dass Massenentlassungen nun erst recht Tür und Tor geöffnet würden und ein allgemeines Lohndumping zu erwarten sei.

Boc führt mit knapper Not eine Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheit im Parlament regelmäßig mit Hilfe sich als "unabhängig" deklarierender Abgeordneter erarbeiten muss. Da dies ziemliche Umstände macht und ständige Kuhhandel erfordert, bedient sich PRemier Boc immer häufiger der deklarativen Inkraftsetzungsklausel, da es - bisher - der Opposition noch nicht gelingt, eine Mehrheit zum Sturz der Regierung zusammen zu bekommen.

Genauso aufgeblasen wie das Parlamentsgebäude ist der gesamte öffentliche Dienst in Rumänien...

Mit dem Abbau im öffentlichen Dienst macht man sich nur Feinde, außer beim IWF

Auch der Druck "der Straße" wird weiter wachsen, denn die Regierung treibt, ob durch Einsicht oder auf Drängen des IWF, den Stellenabbau im öffentlichen Dienst weiter voran. Die Devise ist: sparen, sparen, sparen und man nimmt dafür sogar in Kauf, dass einige "Dienste am Volk" in der Qualität leiden könnten. Die Entlassungen im öffentlichen Sektor kommen in den letzten Jahren stets wellenartig, insgesamt 300.000 Menschen weniger als 2008 sollen bis Ende 2011 im aufgeblähten Verwaltungssektor des Landes, einem schweren Erbe der Ceaucesu-Zeit, arbeiten. Derzeit (Ende Januar) sind es noch 1,26 Millionen. Im letzten Vierteljahr sind rund 9000 Stellen gestrichen worden, weitere 5.000 fallen nun allein im Finanzministerium weg, das seinen Personalbestand von 36. auf 31.000 reduzieren will.

Sich im Klaren darüber, dass ihm ohnehin jede Kündigung eine Wählerstimme nehmen wird, sagte Premier Boc, dass "Wir in diesem Jahr mit den Stellenstreichungen fortfahren werden, bis jeder Bereich nur so viele Mitarbeiter hat, wie er wirklich braucht." Boc versucht es mit Anreizen. Wenn die Effizienz der Behörden gesteigert wird, könnten die (verbliebenen) Mitarbeiter auch vernünftig bezahlt werden. "Schlechte Bezahlung und daraus resultierende Korruption stellt das ganze öffentliche Leben in Rumänien in Frage", beklagte er die Zustände in einer TV-Sendung am letzten Wochenende. Doch im Moment geschieht - krisenbedingt - genau das Gegenteil: die Beamtengehälter wurden im Juli um ein Viertel gekürzt und die Mehrwersteuer um 5 Prozentpunkte auf 24% angehoben. Damit mach man sich natürlich keine Freunde, außer beim IWF, die ohne diese Maßnahmen die Kreditlinie nicht verlängert bzw. erweitertet hätten.

red.

Zerreissprobe in Bukarest II - Auch die Rumänienungarn machen Druck

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