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(c) Pester Lloyd / 10 - 2011  RUMÄNIEN 09.03.2011

 

Zerreißprobe in Bukarest II

Auch die Rumänienungarn setzen Regierung unter Druck

Der neugewählte Vorsitzende der Partei Demokratische Union der Ungarn in Rumänien (UDMR), Kelemen Hunor, hat von der Regierung eine zügigere Implementierung des neuen Minderheitengesetzes gefordert, sonst habe man "ein Problem". Die UDMR gehört selbst der Regierungskoalition in Bukarest an und lehnte erst kürzlich ein Angebot der vereinigten Opposition zum Sturz der Boc-Regierung ab.

Machtbewusst: der neue Chef der Ungarnpartei Hunor (links) setzt Premier Boc (rechts) unter Druck

Wenn es eines Beweises bedurfte, dass die ethnischen Minderheiten in Rumänien weitestgehende Rechte haben, dann ist er spätestens mit dem Vorgang erbracht, dass diese eine Minderheitenpartei in der Lage wäre, die nationale Regierung zu stürzen. Dass die UDMR ihr Abtsimmungsverhalten aktuell mit politischen Forderungen für die Minderheit verknüpft, geht aus den Statements von Parteichef Hunor hervor, der übrigens gleichzeitig Kulturminister im Kabinett Boc ist. Er sagte: "Wir möchten, dass die Regierung Verantwortung für die Umsetzung des Gesetzes übernimmt, das seit Monaten im Parlament blockiert wird."

"Sollte das Gesetz in den kommenden Monaten nicht durchs Parlament kommen, dann haben wir ein echtes Problem in der Beziehung zur Regierungspartei." Hunor verlangt, dass die Regierung das Gesetz per Deklamation in Kraft setzt. Diese Möglichkeit ist laut Gesetz gegeben, die Regierung "übernimmt" dann "die Verantwortung" über ein Gesetz ohne umständliche parlamentarische Prozeduren. Gegner des Gesetzes können sich dann nur über den Weg eines Misstrauensantrages gegen dieses Vorgehen zur Wehr setzen, müssen also bei jedem einzelnen Gesetz den Sturz der gesamten Regierung ins Visier nehmen, wozu meist weniger Parlamentarier bereit sind als zur Ablehnung eines Gesetzes.

Dieses Mittel wird in letzter Zeit von Premier Boc immer häufiger verwendet. Die UDMR musste sich wegen ihrer Ablehnung eines "Königsmordes" von den Sozialdemokraten der Käuflichkeit zeihen lassen. Nun, wäre sie auf das Angebot eingegangen, käme der Vorwurf berechtigterweise von der anderen Seite. Die UDMR steht jedoch grundsätzlich den konservativeren Kräften näher als den sozialdemokratischen.

Vergangene Woche gab die UDMR gleichzeitig mit dieser unverblümten Drohung an die Koalition auch ein Treuebekenntniss zu selbiger mit den Liberaldemokraten ab. Die 31 Sitze (von 471) der "Ungarn" im Bukarester Parlament braucht die Regierung Boc dringend, sie ist so schon auf die Mitwirkung von Unbhängigen angewiesen um eine Mehrheit zu bilden. Die UDMR hat seit Jahren für eine Art "Grundgesetz" für die ethnischen Minderheiten im Lande gekämpft, vor allem für die Belange der ca. 1,3 Mio. Rumänienungarn, die überwiegend in ihren historischen Siedlungsgebieten Siebenbürgen und dem Széklerland leben.

Schon unter geltendem Recht können die anerkannten Minderheiten (theoretisch) ihren Bildungsweg vom Kindergarten bis zur Universtität in der Muttersprache absolvieren und geht damit weit über die Möglichkeiten für die Minderheiten in Ungarn hinaus. Das neue Gesetz soll zudem aber auch die Möglichkeit schaffen, dass die Minderheiten eigene Finanzmittel bekommen, um die Ausgestaltung von Bildungseinrichtungen selbst übernehmen zu können.

Ein Streitpunkt ist das Kapitel "kulturelle Autonomie", mit dem z.B. Entscheidungen über Direktorenposten von Kultureinrichtungen den Vertretern der Minderheit übergeben werden. Rumänische Politiker sehen das kritisch, da man so kaum einem Missbrauch von Steuermitteln entgegenarbeiten könnte, sie fürchten Kontrollverlust. Einige sehen darin auch den Versuch radikaler Gruppen der Rumänienungarn, auf dem Weg zur territorialen Autonomie weiterzukommen, die symbolisch regelmäßig in einigen Gemeinden Siebenbürgens ausgerufen wird und ebenso regelmäßig als staatsfeindliche Provokation aus Bukarest zurückgewiesen wird.

red.

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