(c) Pester Lloyd / 11 - 2011 GESELLSCHAFT
16.03.2011
Kommentare
Das erste Wort sei: Gott
Ein Parteiprogramm als Grundgesetz? - Ungarn bekommt eine neue Verfassung
Zu Ostern, dem christlichen Fest der Auferstehung, wird der Regierungsblock Fidesz-KDNP "seinem" Land auch auf dem Papier eine neue Verfassung geben. Das
wichtigste Dokument der Republik hat Züge eines Manifestes und bekommt eine frömmelnd-nationalistische Präambel, die ein erzreaktionäres Lebensbild "des Ungarn"
zeichnet. Der gesetzgebende Teil orientiert sich an westlichen Vorbildern, enthält aber vieles, das eigentlich nicht in ein Grundgesetz gehört. Während die Befürworter
von einem epochalen Dokument sprechen, das die Nation zusammen- und in eine bessere Zukunft führen wird, spricht die Opposition von einem Angriff auf die
Republik. Sogar Konservative bekommen Bauchschmerzen. Ein Überblick über die Debatte. / Bericht & Kommentar
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Befreiung und Unabhängigkeit von Fremdeinflüssen sind inflationäre Schlagworte der
Regierungsrhetorik, dabei könnte es sein, dass sich das ungarische Volk auch selbst in Abhängigkeiten und Unfreiheiten begibt? Eine der vielen “Verfassungsstraßen” in Ungarn.
Die Fraktionen des Fidesz und der mit ihm koalierenden Christdemokratischen Partei
(KDNP) stimmten in der Vorwoche dem Verfassungsentwurf des zuständigen Parlamentskomitees zu. In dem Gremium blieben die Regierungsparteien allerdings unter
sich und die „konstruktive“ Diskussion fand hinter verschlossenen Türen statt. Am Montag dann überreichte man den Entwurf feierlich dem Staatspräsidenten. Was dieser im neuen
ungarischen Grundgesetz sehen will, erklärte er bereits vor einigen Monaten zum erheiterten Entsetzen seiner Landsleute. Zudem, das sei vorausgeschickt, sind viele
Veränderungen an Verfassungsorganen, vom Haushaltsrat bis zum Verfassungsgericht längst umgesetzt, so dass die Verfassung in einigen Punkten nur noch beschreibt, was längst gelebte Praxis ist.
Strammer Fahrplan
Ministerpräsident Viktor Orbán teilte bei Abschluss der Arbeiten mit, dass der „Löwenanteil
der Arbeit“ noch bevorsteht, er gibt also nicht auf, das Bild einer "nationalen Konsultation" vorzugaukeln und so zu tun als sei die Parlamentsdebatte ab 21. März tatsächlich
ergebnisoffen. Die neue Verfassung wird indes allein durch die Stimmen einer Partei beschlossen, denn die KDNP ist ein direkter Wurmfortsatz des Fidesz. Die Verabschiedung
der Verfassung im Parlament ist für den 18. April und die Unterzeichnung durch Staatspräsident Pál Schmitt am 25. April (Ostermontag!) angekündigt, so dass sie zum
01.01.2012 in Kraft treten kann.
Pro und Contras im Schnelldurchlauf
Kurz zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild: die Regierung sieht die Zeit für
gekommen, die sich selbst als provisorisch bezeichnende Wendeverfassung nun durch eine zu ersetzen, die für Ungarn ein neues Kapitel aufschlägt. Die Regierungspartei will dabei
nicht nur die grundlegenden Funktionen des Staates definieren, sondern auch den Weg, den das Land zukünftig gehen soll. Eine echte Debatte hat es, aufgrund der eindeutigen
Mehrheitsverhältnisse und dem allgemeinvertretenden Selbstverständnis der Regierenden sowie der frustrierten Sturheit der Opposition nicht gegeben. Das Bedürfnis nach
Selbstfindung der Ungarn ist natürlich ein berechtigtes, so es frei artikuliert und nicht instrumentalisiert wäre. Die Kanalisierung der Debatte und die vorzensierten Fragebögen
weisen daraufhin, dass die Machthaber die absolute Kontrolle über das Ergebnis behalten wollten.
Die Gegenseite, nicht nur die abgewählten "Sozialisten", sondern auch gemäßigte
Konservative, sehen in dem Papier den Versuch, nationalkonservative Ideologie zur Staatsdoktrin zu machen und Ungarn, unabhängig von kommenden Mehrheiten im
Parlament, auf lange Sicht die Richtung vorzugeben. Daher enthalte es viele Dinge, die nicht in eine Verfassung gehören, womit nachfolgenden Regierungen das Regieren deutlich
erschwert werden wird. Aufgrund dieser Prämissen hatten sich die Oppositionsparteien MSZP und LMP aus dem Komitee, das den Entwurfstext vorbereiten sollte, zurückgezogen.
Die neofaschistische Jobbik fordert die üblichen Nachbesserungen in ihrem Sinne.
Mitwirkung der Bevölkerung nur eine Scheinaktion?
Die Regierung hat allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben, über einen
Fragebogen innerhalb von zwei Wochen ihre Meinungen zum Verfassungsentwurf kund zu tun. Der Vorsitzende der Gruppe für die nationale Konsultation und Fidesz-Abgeordnete im
Europaparlament, József Szájer, verkündete am Freitag, dass etwa 800.000 Personen die Bögen beantwortet hätten, eine Zahl, die wir leider nicht überprüfen können. Szájer
wertet die Beteiligung als Zeichen, dass die Ungarn den Prozess der Verfassungsgebung ernst nahmen.
Die zwölf Fragen versuchten, Haltungen der Bevölkerung zu erfassen, unter anderem
hinsichtlich der in der Verfassung festzuschreibenden Definition nicht nur der Rechte, sondern auch der Pflichten und Verantwortungen der Bürgerinnen und Bürger, dem Schutz
von Kernwerten wie Familie, Arbeit, Heimat, öffentlicher Ordnung und Gesundheit, der Möglichkeit zusätzlicher Wahlstimmen für Familien mit kleinen Kindern, der Verringerung
von Steuern auf mit dem Aufziehen von Kindern verbundene Güter und Posten sowie der Übernahme von Verantwortung für zukünftige Generationen. Kritiker sprechen von den
Multiple-Choice-Fragebögen als einer pseudodemokratischen Blendaktion ohne tieferen Nutzen, sogar das Fidesz selbst äußerte sich nicht dazu, ob die Ergebnisse der
Fragebogenaktion irgendeinen ändernden Einfluss auf nur einen einzigen Paragraphen gehabt haben.
Eine Kariaktur des ungarischen Blogs: http://negymadar.blog.hu/2010/11/21/alkotmany_keszul_irodik Alkotmány (Verfassung)
Am Beginn steht ein Credo = Glaubensbekenntnis
Der Entwurf der neuen Verfassung teilt sich
in die vier Abschnitte „Credo der Nation“, „Grundlagen“, „Freiheit und Verantwortung“ und „Der Staat“. Die Credo-Präambel zieht Bezüge zum christlichen Reich König Stephans I.,
beschwört „Familie und Nation“ als wichtigsten Rahmen des „Zusammenlebens“ mit „Treue, Glaube und Liebe als den Grundwerten“ der nationalen Zusammengehörigkeit sowie den Bruch mit
Totalitarismus. Die neue Verfassung grenzt sich von der 1949 durch fremde Herrschende erzwungenen ab, Freiheiten
und Verantwortungen werden im Geist des anti-sowjetischen Aufstandes 1956 definiert und ma knüpft hinsichtlich der konstitutionellen Kontinuität an das Horty-Regime an, das
nur im Ausland als Hitlerpaktierer angesehen ist, in Ungarn wird sie hingegen neuerdings wieder als die letzte große Epoche des Landes verklärt.
Vorstellung von einer Welt voll monogamer Heteros mit drei Kindern, die Blumenkränze winden...
Problematisch ist schon der Auftakt, noch über die Präambel wurde das "Gott schütze die
Ungarn", die erste Zeile der Nationalhymne gestellt, somit wird "Gott" das erste Wort der
Verfassung der Republik Ungarn sein, das dann auch nicht mehr Republik, sondern nur noch Ungarn heißt, erst in einem hinteren Kapitel erfährt der Leser, dass es sich um eine
Republik handeln soll, in der die Macht vom Volke ausgeht. Bedenklich ist auch das ganze
pompöse Beiwerk, das dem Bürger "Stolz auf den König István I." abverlangt, die "Kraft des
Christentums" beschwört sowie ein Bekenntniss zu "Familie und Nation als Rahmen" für das
Zusammenleben ablegt. Wer keins von beidem als seinen "Rahmen" sehen möchte, ist kein Ungar mehr? Die Präambel, das sei hier klar und nüchtern gesagt, ist vollkommener
Nonsens mit einem gefährlich klerikal-nationalistischen Einschlag, der kein gutes Licht auf die Zukunftsfähigkeit des Landes und die Toleranz seiner Institutionen und Bürger wirft.
Eine deutsche Übersetzung des Beginns der Präambel finden Sie hier auf dem Blog von Pusztaranger http://pusztaranger.wordpress.com/2011/03/11/ungarns-neue-fidesz-verfassung/
Der ungarische Originaltext des Fidesz-KDNP-Verfassungsentwurfes als pdf (eine engl. Übersetzung liegt noch nicht vor, wir reichen dann nach)
Der Maler István Roth: Die erste Orbán-Regierung vor der Heiligen Krone. Dieses monarchische Insignum
ist übrigens in der “Kathedrale” der Republik, dem Parlament ausgestellt. Doch nicht als Museumsstück,
sondern zukünftig wieder als zentrale Reliquie des Landes. Die Krone des Staatsgründers István I., der
Ungarn gleichzeitig christianisiert hat, soll für Kontinuität und Staatlichkeit stehen, dabei schmückte sie die längste Zeit fremde Häupter von den Savoyern bis zu den Habsburgern.
Eine Verfassung der Ausgrenzung, statt der Integration?
Es mag ja sein, dass das Fidesz feuchte Träume von einer Welt voll monogamer Heteros
mit drei Kindern, die Blumenkränze winden hat, doch entspricht das nicht der Realtität, mehr noch, es drängt andere Lebensentwürfe an den Rand und gefährdet sogar die
rechtliche Gleichbehandlung als einen Grundsatz einer Demokratie. Auf den Punkt gebracht: Roma, Schwule, Juden, aber auch Atheisten und “Alternative” sollen sich
gefälligst anstrengen, Teile des “anständigen” Ungarntums zu werden, andernfalls gehören sie einfach nicht dazu, wir haben es, das sieht man auch an anderen Stellen, mit der
Aufforderung nach Assimilisation unter den nationalen Mainstream zu tun. Eine Verfassung von Vorgestern für das Morgen also?
Auch die Rolle des Kindes erfährt eine eigenartige Neubewertung, zum einen droht man
mit einer Absenkung des Strafmündigkeitsalters mit einem früheren Ausschluss aus der Gesellschaft, zum anderen wertet man durch eine Veränderung des Wahlrechts die Rolle
der Eltern (die für ihre Kids dann zusätzliche Wahlstimmen bekommen sollen - was aber noch nicht ganz entschieden ist) auf, instrumentalisiert Kinder damit.
Deutsches Vorbild als rechtsstaatliches Alibi
Der eigentlich gesetzgebende Teil der Verfassung orientiert sich strukturell in weiten Teilen
am deutschen Grundgesetz, das übrigens auch ein provisorisches ist. Dieses "deutsche Modell" verdeutlichte Fidesz-Fraktionschef Lázár an der Streitfrage der Kompetenzen des
Verfassungsgerichtes, die - dank seiner Initiative - bei Fragen des Budgets beschnitten worden sind. Nun soll eine Schuldensperre in die Verfassung geschrieben werden,
lobenswert aber wertlos, wenn es keine Instanz mehr gibt, die den Bruch einer solchen feststellen und die Einhaltung durchsetzen kann.
Auf das Verfassungsgericht komme, so Lázár, nun weder eine Einschränkung noch eine
Vergrößerung seiner Rechte, sondern eine „vollständige Veränderung“ u.a. in Form der Einführung individueller Beschwerden zu: Orientiert am deutschen Recht sollen Bürgerinnen
und Bürger die Möglichkeit erhalten, im Falle des Eindrucks des Verletzens eines von der Verfassung zugesicherten Rechts durch einen Gerichtsbeschluss geschützt werden. Doch gilt
das auch, wenn der Staat bzw. die Regierung die Verfassung verletzen? Was ist die rechtliche Folge eines (sehr wahrscheinlichen) Überschreitens der Defizitgrenze? Wie die Regierung bisher mit unangenehmen Entscheidungen der Verfassungsrichter umgingen, lässt nicht viel Gutes erwarten.
Gerade zum Thema der Kompetenzen des Verfassungsgerichtes und generell zur Stellung
jener Institutionen, die kontrollierend über die Regierung wachen, haben sich auch konservative Denker mahnend geäußert. Allen voran Ex-Präsident László Sólyom, der, einst
von Fidesz mit zum Präsidenten gemacht, nach dem Wahlsieg aber umstandslos abgesetzt und durch den hörigen Parteisoldaten Schmitt ersetzt wurde. Der Verfassungsjurist und
frühere Chef des Verfassungserichtes, Sólyom, war maßgeblich an der Umgestaltung der Wendeverfassung beteiligt. Er - wahrlich unverdächtig jeglicher sozialistischer
Anwandlungen - betonte immer wieder die zentrale Rolle der “Checks and Balances” für den Rechtsstaat. Dafür musste er sich Hohn und Spott, vor allem wieder von Fraktionschef
Lázár gefallen lassen (im unteren Teil des Textes).
Präsidialdemokratie durch die Hintertür
Die Ausweitung der Macht des Staatspräsidenten. z.B. das Parlament bei Terminsäumnis
beim Budget auflösen zu können, dürfte Orbán ein Hintertürchen in Regierungsgeschäfte öffnen, sollte es zu einem Regierungswechsel innerhalb der Amtszeit seines loyalen
Gefolgsmannes Schmitts kommen. Hängt die Drohung der Auflösung des Parlaments im Raum, bleiben Regierungen möglicherweise von der Gunst Schmitts und damit Orbáns
abhängig, zumal nicht ausgeschlossen ist, dass Orbán irgendwann selbst den Republikanischen Thron besteigt, sobald damit eine entsprechende Machtfülle erreicht ist.
Ehrgeizige Schuldengrenze von 50% - wann wird sie erreicht?
Der Entwurf beinhaltet die Verankerung einer Schuldengrenze für die öffentlichen Kassen:
Das Parlament soll künftig keinen Haushalt mehr verabschieden können, der ein Defizit von über 50% des Bruttoinlandsprodukts des Vorjahres beinhaltet; in Notfällen und Krisen sind
Ausnahmen möglich. Die Frage dürfte auch sein, wann Ungarn erstmals wieder die 50% erreichen kann, derzeit liegt man bei 80%, Realisten sehen 70-75 in den kommenden 5-6
Jahren. Was passiert dann? Betont wird zudem, dass alle staatsfinanzierten Institutionen ihre Buchhaltung transparent führen sollen. Vertreter der Lokalräte sowie Bürgermeister
sollen für fünf Jahre gewählt werden.
Angst um die Rechte der ethnischen Minderheiten oder Angst um die Posten?
Für Ärger sorgt der Umstand, dass aus den derzeit vier parlamentarischen
Ombudspersonen (für Minderheiten, zukünftige Generationen, Datenschutz etc.) künftig nur noch ein solches Amt mit für verschiedene Felder zuständigen Stellvertretern gebildet
werden soll. Zur Sicherung des Datenschutzes ist die Einrichtung einer neuen Behörde vorgesehen.
Laute Gegenstimmen kamen dager von den Ombudsleuten, die sich der Abschaffung ihrer
Ämter gegenüber stehend sehen. Sándor Fülöp, Ombudsmann für zukünftige Generationen, erklärte am Sonntag gegenüber MTI, die Umsetzung des Rechts der Bürgerinnen und
Bürger auf eine gesunde Umwelt (wie es in der Verfassung festgeschrieben sein soll) könne nur mit Hilfe angemessen bemächtigter Institutionen gewährleistet werden. Der
vorliegende Entwurf stelle „einen bedauernswerten Schritt zurück“ gegenüber dem aktuellen Status der Unterstützung von Nachhaltigkeit dar. Die Rechte der Ombudsperson
hätten noch weiter gestärkt werden müssen, anstatt das Amt aufzulösen.
Der Ombudsmann für Minderheiten, Ernö Kallai, warnte vor einem Verlust der
Glaubwürdigkeit der Minderheitenpolitik der ungarischen Regierung sowie der europäischen Romastrategie, sollte die Verfassung die parlamentarische Repräsentation der Minderheiten
sowie den Schutz ihrer Selbstverwaltung, Institutionen, Sprache und Kultur nicht mehr garantieren. Er bezeichnete den vorliegenden Verfassungsentwurf, der die Rechte der
Minderheiten in Ungarn (die etwa 10% der 10 Millionen-Bevölkerung ausmachen) „systematisch“ beschränke, als „Beleidigung“. Neben der Zusammenfassung der
Ombudsämter kritisierte er auch, dass die neue einzelne Ombudsperson das Recht verlieren soll, das Parlament direkt zu adressieren.
Mit Vertretern der 13 Minderheiten in Ungarn hat Kallai eine zwölf Punkte umfassende
Petition verfasst, die die Garantie der bestehenden Rechte für Minderheiten, des Schutzes ihrer Traditionen und den Beibehalt ihrer Ombudsperson als unabhängiges Amt fordert.
Kopien des Textes wurden auch an Botschafter der EU-Staaten und einflussreiche lokale und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen geschickt.
Scharfe Kritik der Opposition
Gegenüber MTI betonte der Fraktionsvorsitzende der KDNP, Péter Harrach, die
Zufriedenheit seiner Partei mit dem Entwurf. Dieser beinhalte „alles für die Christdemokraten Wichtige“ wie den Schutz der „Kernwerte“ wie Leben, Ehe, Familie,
biete den Ausblick auf „eine hoffnungsvolle Zukunft“ und stärke „nationales Vertrauen“.
Die drei oppositionellen Parteien im ungarischen Parlament äußerten hingegen scharfe
Kritik zum vorgelegten Entwurf und den enthaltenen Tendenzen. Ferenc Gyurcsány, ehemaliger Vorsitzender der MSZP und ehemaliger Ministerpräsident, bezeichnete den Plan
der Umbenennung des Staates von „Ungarische Republik“ in „Ungarn“ als „abscheulich“ und sieht das Land auf dem Weg zu einem durch „Statthalter“ regierten
„Ein-Parteien-Staat“. MSZP-Abgeordnete Ildikó Lendvai merkte an, dass der Entwurf entgegen den Behauptungen seiner Verfasser nur sehr wenig bezüglich Bürgerrechten
festschreibe, und nannte die Pläne für die Veränderung der Rechte des Verfassungsgerichts „Besorgnis erregend“.
Laut András Schiffer, Fraktionsvorsitzenden der grünen LMP, habe sich Fidesz der
Einrichtung einer „zentralisierten Demokratie“ verschrieben, und mit den Christdemokraten eine abgestimmte „Parteienverfassung für sich selbst“ entwickelt. LMP
legte eine eigene Skizze vor, vertrat aber oft auch die Ansicht, dass eigentlich keine neue Verfassung notwendig sei.
Die rechtsextreme Jobbik sieht in dem Entwurf die Fortsetzung des Trends des Fidesz und
der KDNP, dem „ganzen Land ein Konzept aufzuzwingen“, das nur ihren eigenen Interessen entspreche; die zu verankernden Bürgerrechte würden den „Bedürfnissen eines
Großteils des Landes“ nicht gerecht, wobei relativ klar ist, wem Jobbik welche Bürgerrechte zugestehen würde, bzw. wem nicht. Jobbik vermisst auch eine klare
Positionierung zur Frage der Erteilung der vollen ungarischen Staatsbürgerschaft für ungarische Minderheiten in umliegenden Ländern (mit Wahlrecht).
Segen aus Amerika wurde erteilt
Die US-Botschafterin in Ungarn, Eleni Tsakopoulos Kounalakis, äußerte sich am Freitag zuversichtlich, dass
eine neue, dem Entwurf entsprechende Verfassung eine gute gesetzliche Grundlage für die Herrschaft von Recht, Ordnung und Menschenrechten sowie Meinungs- und Pressefreiheit
biete. Die Stärke einer Verfassung sei an dem Maß zu erkennen, die Interessen des gesamten Landes zu berücksichtigen und niemanden aus der Gesellschaft auszuschließen.
Da fragen wir uns aber, welchen Verfassungsentwurf die Diplomation gelesen hat, den von 1989? Ungarn verfüge über eine funktionierende und gesunde Demokratie, die Wahlen im
letzten Jahr seien fair abgelaufen und der Wille des Wählers müsse respektiert werden. Demokratie als eine Diktatur “der Mehrheit”, ist das alles, was uns Amerika heute noch
zum Thema Demokratie zu sagen hat?
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Simon Rahdes / Marco Schicker / red.
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