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(c) Pester Lloyd / 15 - 2011  BALKAN 15.04.2011

KOMMENTARE

Kein Europa ohne Balkan

Ungarn kämpft gegen die Erweiterungsskeptiker wie gegen Windmühlen

Am 13. und 14. April fand in Brüssel eine gemeinsame Sitzung des Europäischen Parlamentes und der Kommission sowie von Vertretern der nationalen Parlamente statt. Organisiert hatte es die ungarische Ratspräsidentschaft, Thema war die Erweiterungspolitik auf dem Balkan. Ungarn schuf damit ein öffentliches Gegengewicht zu den schwergewichtigen Bremsern und Bedenkenträgern wie Deutschland und Frankreich und verdeutlicht, dass nur die zügige Aufnahme der ex-jugoslawischen Länder die komplexen Problemen in und zwischen den Staaten lösen kann.

Buzek: Kosovo kann auf Visa-Erleichterungen hoffen

EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek erklärte bei der Eröffnung der Sitzung: „Das Europäische Parlament ist auch weiterhin der europäischen Zukunft des westlichen Balkan stark verpflichtet“. Buzek erinnerte daran, dass in 2010 die Europäische Union die Visumspflicht für die Staatsangehörigen von Montenegro, Serbien und Mazedonien aufgehoben hat und Visa-Erleichterungen für die Bürger von Albanien und Bosnien-Herzegowina auch angenommen wurden. „Wenn alle Anforderungen erfüllt werden, kann der Kosovo auf unsere Unterstützung hoffen, damit auch die Bürger des Kosovo ohne Visum in die EU reisen können“.

Viktor Orbán, Jerzy Buzek, László Kövér
und José Manuel Barroso am Donnerstag in Brüssel

Jerzy Buzek begrüßte die „historischen Schritte” Serbiens und Kroatiens in Richtung einer Aussöhnung. (die in Wirklichkeit weiter auf tönernen Füßen steht.) Montenegro hat im vergangenen Jahr den Status des Beitrittskandidaten erhalten, Kroatien ist auf der Zielgerade der Beitrittsverhandlungen angelangt. Der Präsident mahnte jedoch auch: „In den Ländern des westlichen Balkans stellt die politische Instabilität ein Problem dar, und es sind weiterhin Aufgaben auf den Gebieten der Justizreform, des Kampfes gegen Verbrechen und Korruption sowie der Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof in Den Haag zu lösen.”

Der Präsident des EP sprach auch davon, dass die Erweiterungsmüdigkeit ein wirkliches Problem innerhalb der Europäischen Union darstelle. „Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir unsere Bürger von den Vorzügen der Erweiterung überzeugen“.

Barroso: Kroatien als Katalysator

Kommissionspräsident Barroso fügte den Ausführungenhinzu, dass die Europäische Union ohne den westlichen Balkan nicht vollständig ist, und die Wurzel, die Gegenwart und die Zukunft dieser Länder sich in Europa befinde, sagte Barroso. Seiner Meinung nach kann der bald erfolgende Beitritt Kroatiens als Katalysator für den Integrationsprozess der Region in die EU dienen. Andererseits hat man sich selbst in Kroatien mittlerweile mit einer Verzögerung des Beitritts bis 2013 abgefunden.

Die Statements des ungarischen Premiers Viktor Orbán, dessen Land vitale Interessen an der EU-Mitgliedschaft der Balkanländer hat, waren eindeutig: „Die Länder des westlichen Balkans können mit der Unterstützung Ungarns rechnen”, „die Freunde der Erweiterung sollen zusammenhalten“ und „die Offensive der erneuten Erweiterung der Europäischen Union einleiten”. Die EU werde in der Lage sein, die innere skeptische Stimmung zu überwinden, so der ungarische Regierungschef. Schließlich handelt es sich bei der Aufnahme der Länder des westlichen Balkans nicht um eine Verschiebung der Grenzen der Europäischen Union nach außen, sondern um die Aufnahme einer bereits von EU-Ländern umgebenen Region, einer Enklave.

Der Ministerpräsident betonte: „Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft, deren gemeinsame Regeln eingehalten werden müssen. Auch der Balkan muss die gemeinsamen europäischen Werte annehmen, stärken und vermitteln.” „Kroatien kann die Rolle eines Vorbilds spielen. Der Beitritt des Landes ist ein Beweis dafür, dass die europäische Perspektive für die Region des westlichen Balkans Realität ist. Die Region kann stabilisiert werden und gerade die EU kann sie stabilisieren”, sagte der ungarische Regierungschef.

Viktor Orbán sprach von „Spekulationen“, wonach der Beitritt Kroatiens mit der Erklärung Serbiens zum Beitrittskandidaten zusammengefasst werden soll. Nach Meinung des Ministerpräsidenten ist das eine „außerordentlich gefährliche Kombination“, die „schlecht für die Kroaten ist und auch für die Serben schlecht wäre“. Orbán hielt fest, dass der Beitritt ausschließlich von der Leistung des betroffenen Landes abhängen soll und keinerlei andere Erwägung dabei eine Rolle spielen darf. Dies war ein Hinweis auf die Rolle Deutschlands und Frankreichs hinsichtlich des blockierten Schengenbeitritts von Rumänien und Bulgarien. Die beiden großen europäischen Mächte beharren darauf, dass bestimmte Standards vor einem Beitritt erreicht werden, Ungarn, aber auch andere Länder sehen eher im Beitritt die einzige Möglichkeit echten Zugriff auf die Gewalten in den Ländern zu bekommen.

Orbán: Bosnien ist in ernsthaften Schwierigkeiten

Mit Hinweis auf den Streit um die Bezeichnung Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien sagte Viktor Orbán: „Dieses Land besitzt den Status eines Beitrittskandidaten, und trotzdem können wir die Verhandlungen nicht aufnehmen: das ist absurd.” Nach Meinung des ungarischen Regierungschefs muss die EU diesen Namensstreit überwinden. Bei Beginn der Verhandlungen dürften keine Bedingungen gestellt werden, die höchstens am Ende der Verhandlungen aufgeworfen werden könnten.

Die ungarische Ratspräsidentschaft strebe den möglichst baldigen Beginn der Verhandlungen mit Albanien an, sagte Viktor Orbán, wobei er hinzufügte, dass die Verzögerung der Verhandlungen die Chancen der innenpolitischen Stabilität des Landes nur weiter verschlechterten. Im Falle des Kosovo sei die Beibehaltung der europäischen Perspektive eine Realität, meinte Viktor Orbán. Der Regierungschef hob hervor: „Zwischen dem Kosovo und der EU kann keine vertragliche Beziehung zustande kommen, da der Staat nicht von allen Mitgliedstaaten anerkannt wurde.”

Der Regierungschef war der Meinung, dass die größte Herausforderung die Frage Bosnien-Herzegowinas berge, das „sich in ernsthaften Schwierigkeiten befindet“. Insbesondere bereite die Stabilität des Landes Sorgen. Die Lösung dieser Probleme sei nur mit Hilfe der erfolgreichen Vorbilder der Nachbarländer möglich. „Nur das kann Bosnien-Herzegowina auf dem europäischen Weg halten“.

Kövér: Beitritt als historische Gerechtigkeit

Der Präsident des ungarischen Parlaments und Mitvorsitzende der Sitzung, László Kövér, berichtete von der großen Hoffnung, die die Perspektive der EU-Erweiterung seinem und anderen Ländern der 2004er Runde gebracht hätte, es daher darauf zu achten, dass „der Prozess nicht zum Stillstand kommt und auch unsere Freunde auf dem westlichen Balkan alsbald von den Möglichkeiten der Europäischen Union Gebrauch machen können“. Er fügte hinzu: „Diese Gestaltung des Integrationsprozesses zu einem vollwertigen Verfahren, das gleichzeitig die Beseitigung der Folgen des Zweiten Weltkriegs ist, kann auch eine Art historischer Gerechtigkeit bedeuten.“

 

Der auf der Konferenz gezeigte Einsatz für die Balkanstaaten ist lobenswert, auch eingedenk der Tatsache, das er meist die eigenen Interesse der Staaten spiegelt. Leider dürfte die Realtität den Enthusiasmus der Ungarn und anderen Erweiterungsfreunde wieder bremsen, denn die Kriterien für die Aufnahme von Gesprächen und für den Beitritt sind Gesetz und sie sind konkret. Dass man mit einem beschleunigten Beitritt auch die Reformen beschleunigen könnte, ist eine Hoffnung, die bei den Großen der EU auch einen Willen und Mut zum Risiko erfordert, der dort nicht vorhanden ist. Solange bleibt der Kampf der Erweiterungsfreunde gegen die -skeptiker ein Kampf gegen Windmühlen.

red. / Wortlaute von der offiziellen Seite der ung. EU-Ratspräsidentschaft

Hintergrundinfos zur Lage auf dem Balkan in Beiträgen des PESTER LLOYD

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