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(c) Pester Lloyd / 17 - 2011  WESTBALKAN 28.04.2011

 

Wachablösung

Die Nachkriegsgeneration auf dem Balkan will endlich Versöhnung

Die junge Generation in den Balkanländern hat von der politischen Instrumentalisierung der Schuld- und Sühnefragen der Balkankriege zunehmend die Nase voll und nimmt die Sache nun selbst in die Hand. Die Initiative REKOM will die Politiker der Länder Ex-Jugoslawiens zu Kooperation und gemeinsamer Aufarbeitung zwingen. Vorher könne es keine Versöhnung und auch keine friedliche Zukunft geben.

Etliche NGOs starteten Anfang der Woche in Serbien, Bosnien, Kroatien, Slowenien, Mazedonien und Kosovo, eine länderübergreifende Aktion, um in allen an den damaligen Kriegen beteiligten Ländern mindestens eine Million Unterschriften zu sammeln. Mit der Initiative REKOM will man eine gemeinsame Aufarbeitung der damaligen Zeit erzwingen. Die jungen Initiatoren der Aktion wenden sich dagegen, dass die politischen Eliten ihrer Länder sich weiter in Rechthabereien, Lügen und gegenseitigen Beleidigungen und Klagen ergehen, während so viele Probleme ungelöst sind. Es sei eine Frage des Respekts vor allen Kriegsopfern, dass man die Wahrheit ans Licht bringe, um vergeben zu können und eine gemeinsame Zukunft anzugehen.

Am Dienstag hatten sich in Belgrad, Sarajevo und anderen Städten hunderte Menschen zu einer gemeinsamen Schweigeminute eingefunden. Neben der bosnischen und der serbischen Hauptstadt werden über 500 Freiwillige bis Anfang Juni auch in Zagreb, Banja Luka, Ljubljana, Pristina, Skopje und Podgorica unterwegs sein. Die Organisatoren weisen darauf hin, dass über zehn Jahre nach dem Ende der bewaffneten Konflikte noch kein beteiligtes Land eine komplette Liste mit den Todesopfern vorlegen konnte. Wegen der fehlenden Kooperation, gelten 15.000 Menschen offiziell noch immer als "vermisst".

Einige Politiker äußerten sich bereits ablehnend zu der Aktion, andere Parteien unterstützen sie. REKOM will durch Publizität die "Bremser" auch an den Pranger stellen und sie so politisch unter Druck setzen. Milorad Dodik, "Präsident" der Republika Srpska in Bosnien erklärte bereits, dass er von derlei Aktionismus nichts halte. Die Präsidenten Serbiens, Kroatiens, das Parlament von Montenegro unterstützen die Initiative indes ausdrücklich, Bosnien ist, wie immer, gespalten.

In Bezug auf die wieder aufgeflammte Debatte über die Kriegsverbrechen der vergangenen Balkankriege, bekannte sich der serbische Präsident Tadic beim Mini-Balkan-Gipfel (unser Bericht) dazu, dass "alle Kriegsverbrechen aufgeklärt werden müssten", dies sei der "einzige Weg zur Versöhnung der Völker". Dabei erklärte Tadic, dass Serbien bereits 44, der vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeschriebenen 46 Verdächtigen überstellt hätte und "alles dafür getan wird", auch die "letzten zwei Flüchtigen" zu stellen. Bei denen handelt es sich jedoch um die führenden Köpfe der damaligen Kriege, das Haager Gericht geht davon aus, dass es mächtige Kreise in Serbien gibt, die deren Auslieferung seit Jahren hintertreiben.

Die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen birgt in Kroatien, Serbien und Bosnien länderübergreifendes, aber auch innenpolitisches Spannungspotential, wie zuletzt die Veurteilung des kroatischen Ex-Generals Gotovina wegen Kriegsverbrechen sowie die Verhaftung des bosnischen Armeeführers Jovan Divjak in Wien zeigten.

 

Die jeweiligen nationalistischen Kräfte zeigen allzu schnell mit dem Finger auf die Anderen und schwingen die ethnische Keule, während sie die eigenen Leute pauschal, und nicht selten zu Unrecht als Volkshelden verklären. Dabei verstricken sich die Länder in kleinlichste diplomatische und publizistische Scharmützel, die vor allem die junge Generation nur noch nervt. REKOM, der sich mehrere hundert NGO´s anschlossen, will genau mit dieser rückwärtsgewandten Einstellung nun aufräumen und eine Art Wachablösung durch die neue Generation, die erste nach dem Kriege, herbeiführen.

red.
 

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