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(c) Pester Lloyd / 18 - 2011  WIRTSCHAFT 06.05.2011

 

Regionaloligarchie

Die Liste der 100. reichsten Ungarn - viele Neuzugänge

Zur Gaudi und zum Neid des Volkes veröffentlicht die Wirtschaftszeitung "Napi Gazdaság" jedes Jahr eine Liste der "100 reichsten Ungarn", hübsch verpackt in einer Broschüre mit Homestories und Lieblingsrezepten der "Leistungsträger". Die ersten Plätze werden dabei seit Jahren von den "üblichen Verdächtigen" besetzt, Regionaloligarchen, deren Reichtum sich in atemberaubendem Tempo, scheinbar unabhängig vom Weltmarkt und noch unabhängiger vom Einkommen der restlichen Einwohner vermehrt. In diesem Jahr staunt man über viele Neureiche.

Nicht ganz unerwartet hat es einen Wechsel auf dem Spitzenplatz der "Top 100" gegeben. Der jahrelange Krösus der Republik, Immobilientycoon Sándor Demján musste seinen ersten Platz für Sándor Csányi freimachen. Zum einen laufen die Immobiliengeschäfte seit der Finanzkrise nicht mehr ganz so bombig wie zuvor, zum anderen konnte Csányi seine guten Kontakte - auch in die Politik - günstig in weitere wirtschaftliche Beteiligungen ummünzen.

Der Volkstribun auf der VIP-Tribüne. Premier Orbán (links) neben dem nun reichsten
Mann Ungarns, Sándor Csányi.

Csányi ist nun da, wo er hingehört

Sándor Csányi ist u.a. der Vorstandschef und Mitinhaber der OTP und somit der größten Bank im Lande, die einst aus den Sparkassen hervorging. Weiterhin besitzt er ein riesiges Lebensmittelportfolio, darunter Zucht- und Futtermittelbetriebe, Ländereien, Fabriken zur Fleischverarbeitung, die beiden traditionsreichen Salami-Hersteller Pick und Herz, bekannte Joghurtmarken sowie den Kultriegel Túró Rudi. Weiterhin Weinberge, deren Produkte unter dem Label Teleki in fast allen Supermärkten und vielen Restaurants zu finden sind. Csányi gilt als guter Bekannter, wenn nicht schon Freund von Premier Orbán und stellt sich seiner "gesellschaftlichen Verantwortung" vornehmlich in VIP-Logen von Fußballstadien, schließlich ließ er sich voriges Jahr zum Präsidenten des Nationalen Fußballverbandes wählen. Csányi ist nun also auch vermögensmäßig dort, wo er schlüssigerweise hingehört. Allerdings musste sich Csányi kürzlich wegen unungarischen Verhaltens anzählen lassen, weil seine Salamis zu fremdverwurstet sind. Die Geschichte dazu gibt es hier.

Bei den folgenden Angaben handelt es sich um Schätzwerte des verfügbaren Privatvermögens inklusive der in Firmenbeteiligungen gebundenen Werte. Was die Geschäftsleute außerhalb Ungarns oder auf fremde Namen noch so gebunkert haben, man darf sicher sein, nicht wenig, entzieht sich freilich dieser Aufstellung, es sind sozusagen nur Richtwerte.

Die Reichsten sind 12% reicher, die Normalos 2% ärmer

Die 100 reichsten Leute Ungarns vereinigen demnach ein Kapital von 2,116 Billionen Forint, was in Euro schon bedeutend bescheidener ausnimmt, da kommt man nämlich mit knapp 8 Mrd. EUR für 100 Leistungsträger aus. In anderen Ländern kommen die 100 Reichsten damit nichtmal übers Wochenende, allein die Aldi-Familie besitzt schon mehr als das Doppelte. Doch diese Summe entspräche immerhin 7% des Bruttoinlandsproduktes, wenn, ja wenn, sie in dieses einflösse. 2002 waren es nur 5%. Das Vermögen der Reichsten hat sich binnen eines Jahres übrigens um 12% vermehrt, das Realeinkommen des Durchschnittsungarn um ca. 2% verringert.

Sándor Demján mit etwas für sein Lebenswerk...

Sándor Csányi legte im letzten Jahr um 35 auf 155 Mrd. Forint zu, das sind umgerechnet in etwa 510 Mio. EUR. Nicht mal einen Milliardär haben die Ungarn, könnte man da mitleidig feststellen, andererseits hat der Mann diesen Reichtum nicht geerbt wie die Piechs oder Klattens, oder sich in fünzig Jahren hart erkämpft, sondern binnen gut 15 Jahren angehäuft, das meiste davon sogar in den letzten 5-6, das ist schon eine Leistung. Sándor Demján, u.a. Mehrheitseigentümer des Bauunternehmens und Immobilienentwicklers TriGranit, büßte im letzten Jahr 10 Mrd. Forint (ca. 38 Mio. EUR) ein und kommt nun noch auf 140 Mrd. Auf dem dritten Platz liegt wieder Gábor Várszegi, u.a. Inhaber der Fotex-Holding, er schaffte ein Plus von 20 auf 120 Mrd. Forint. Auch Várszegi ist übrigens ein Fußballfan, er versuchte sich bereits als Investor beim Kultklub Ferencváros sowie bei Eintracht Frankfurt.

Reich geworden mit Pornographie

Auf den Plätzen 4-15 folgen: Tamás Leisztinger von der Investmentgruppe Arago (85 Mrd..), László Bige, Inhaber eines Chemiewerkes (76 Mrd., +36 in einem Jahr!), Gábor Széles, Mehrheitseigner der ehemaligen Staatsbetriebe Ikarus und Videoton und Herausgeber des rechten Hetzblattes "Magyar Hírlap" (75 Mrd.), Tibor Veres von der Wallis-Gruppe, der IT-Gründer Márton Anka, der weltweit mit der Computerfernsteuerungssoftware LogMeIn reüssierte (62 Mrd.,m +12), weiterhin der Transportunternehmer György Wáberer, Géza Pap (s.u.), der Immobilienunternehmer Péter Futó, Gábor Kovács mit seiner Bankár Holding und der KOGART, dann die beiden Borkernet-Gründer Erika Kósa und Péter Kostevc sowie Gattyán (s.u.).

Was die Macher der Liste in diesem Jahr besonders überraschte, ist die hohe Anzahl der Neulinge, elf Neureiche schafften es unter die Top 100, drei davon sogar gleich unter die ersten zwanzig. Géza Pap, Eigentümer der Vermögensverwaltung stieg von 0 auf 10 in einem Jahr, mit 47 Mrd. EUR (178 Mio. EUR), mit 33 Mrd. Forint ebenfalls erstmals auf der Liste (15.) György Zoltán Gattyán, der ungarischen Erfindergeist mit welweiten Kommunikationsbedürfnis verbunden und zu Geld gemacht hat, seine Dolcer Holding betreibt das größte Erotik Videochatportal der Welt (livejasmin.com). Weitere Neulinge sind Zoltán Szatmári, Inhaber einer Einzelhandelskette, dem die Krisensteuer wohl nicht so viel ausgemacht hat sowie Lajos Kasza, Inhaber einer Plastikfabrik, beide stammen übrigens aus der finstersten Provinz, von wegen benachteiligte Gebiete und so.

 

Aus der Liste rausgefallen sind die drei Eigentümer des MAL-Werkes, das die tödliche Giftschlammkatastrophe im letzten Jahr verursacht hat (bzw., folgen wir den Manager, war es ja allein der Regen). Der Wert des Unternehmens, ist aufgrund der juristischen Unwägbarkeiten und Folgekosten sowie des staatlichen Zwangspatronats im moment unmöglich zu schätzen. Um es überhaupt auf die Liste zu schaffen, brauchte man in diesem Jahr 4,9 Mrd. Forint, 18,5 Mio. EUR., vor zehn Jahren genügte dazu noch die Hälfte. 2004 war da übrigens mit 2,7 Mrd. Forint auch der spätere Wirtschaftsminister der Liberalen, János Koka, aufgetaucht (94.), der schon als Mittzwanziger Forintmilliardär war. Ferenc Gyurcsány, der Sozialist (!) tauchte damals auf Platz 70 auf, beide sind längst aus der Liste und aus der politischen Bedeutung verschwunden, ihr Geld werden sie aber noch haben.

red.

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