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(c) Pester Lloyd / 20 - 2011  WESTBALKAN 16.05.2011

 

Alle Fragen offen

Bosnien: Angst vor Machtverlust lässt Dodik einlenken

Der Austritt der Republika Srpska aus Bosnien-Herzegowina ist zumindest verschoben. RS-Präsident Dodik hat dem massiven Druck der internationalen Gemeinschaft nachgegeben und das gefährliche Referendum abgesagt. Vorerst. Ungelöst sind jedoch die dahinter stehenden Vorwürfe der Diskriminierung und die Frage nach dem Sinn des Zusammenlebens verfeindeter Völker. Die EU verspricht nun "offene Verhandlungen" und sieht "Reformbedarf", die Lösung liegt in der "europäischen Perspektive". Die lokalen Player verharren derweil starr in ihren Posen.

Bei einem Krisentreffen zwischen der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, dem EU-Beauftragten für die östliche Nachbarschaft, Mirolsav Lajcak und dem Präsidenten der bosnischen Teilrepublik Republika Srpska, Milorad Dodik, erklärte letzterer, dass von seinem Parlament angestrebte Refrendum über die Zuständigkeit der zentralstaatlichen Gerichtsbarkeit für die RS sei "nicht notwendig". Obwohl "es der politische Wille des Parlamentes der RS ist" ein solches Referendum abzuhalten, werde er empfehlen, eine neue Parlamentsentscheidung herbeizuführen.

Neutrale Mienen zum gefährlichen Spiel: RS-Präsident Dodik und EU-Außen Ashton am Freitag

Eskalation verlangsamt, Konflikt dauert an

Damit scheint - fürs erste - eine Eskalation des Konfliktes zwischen der RS und der internationalen Gemeinschaft abgewendet, die nicht nur damit gedroht hatte, ein solches Referendum nicht anzuerkennen, sondern auch andeutete, dass man Dodik entmachten könnte, wenn er gegen das Abkommen von Dayton, die völkerrechtliche Basis der Existenz des heutigen Bosnien-Herzegwoina, verstößt. Dieses untersagt gesetzliche oder plebiszitäre Maßnahmen in Teilrepubliken, wenn sie Belange des Gesamtstaates betreffen. Zudem wurde in dem geplanten Referendum auch die Frage nach Anerkennung von Entscheidungen des Hohen Kommissars gestellt. Dodik bekam für sein Einlenken die Zusage, "dass die EU auf höchster Ebene einen offenen und strukturellen Dialog über die Arbeit und die Funktionsweise der Judikative in Bosnien" führen wird.

 

Dass die Staatskrise in Bosnien nun beendet sein wird, daran glaubt niemand. Zum einen, weil die bemängelte Einseitigkeit der Rechtssprechung durch Richter der Zentralgerichte nicht von der Hand zu weisen ist. Auf der einen Seite herrscht Parteilichkeit, auf der anderen entzog sich die RS durch nationalistische Überlegungen den durchaus vorhandenen Mitwirkungsmöglichkeiten. Der Hauptvorwurf besteht darin, dass die bosnisch-kroatisch bzw. bosniakisch dominierten Gerichte, teilweise mit Hilfe ausländischer, von der internationalen Gemeinschaft ermächtigten Richtern, vornehmlich ethnische Serben verurteilten. Die Gegenseite verneint dies, argumentiert dabei, dass die meisten Kriegsverbrechen nun einmal von serbischer Seite begangen worden seien, weshalb die Aufarbeitung den Eindruck von Lastigkeit vermittelt. Kommentatoren, aber auch Oppositionelle in der RS selbst, sehen eher die Angst Dodiks vor Schnüffeleien in verschiedenen Korruptionsaffären in seinem Umfeld als Antrieb für die Volksabstimmung. Doch selbst EU und UN sehen im Justizwesen strukturelle Veränderungen als notwendig an.

Ohne UN und EU fliegt das Land auseinander - mit UN und EU auch

Hinter allem steht jedoch die Grundsatzfrage, ob die maßgeblichen Politiker der RS überhaupt an einem Verbleib im Staatsverband interessiert sind oder nicht viel mehr die Abspaltung und / oder der Anschluss an Serbien als das eigentliche Ziel der zersetzenden Aktivitäten anzusehen ist. Immerhin haben der Krieg und auch die Jahre danach die ethnische "Säuberung" der RS ganz Arbeit geleistet, es gibt dort nur noch wenige Prozent Nichtserben. Die bosniakische Seite scheint indes nicht zur Aufgabe ihrer zentralstaatlichen Dominanz bereit, aus gutem Grund, wie man dort meint. Es ist eine Tatsache, dass der Druck der internationalen Gemeinschaft im Moment die einzige Kraft ist, die Bosnien noch zusammenhält.

Ashton: lokale Politiker sollen sich um Arbeit und Bildung,
nicht um sich selbst kümmern

EU-Außenministerin Ashton betonte in Sarajevo die "europäische Perspektive" für Bosnien-Herzegowina, räumte aber ein, dass eine Reihe von Reformen "ausständig" seien. Ashton traf sich mit den Führern verschiedener politischer Parteien in Sarajevo und Banja Luka, der Hauptstadt der RS. Sie kritisierte, dass sich in Bosnien zu viel um formale und machtpolitische Fragen drehe, sie sieht zu wenig, dass sich die verantwortlichen Politiker, gleich wo, um Ausbildung, Arbeitsplätze und die Wirtschaft kümmerten.

Bakir Izetbegovic, bosniakischer Vertreter des präsidialen Trios, zeigte sich befriedigt über die Erklärung, mahnte aber - wie zur Bestätigung der Kritik - an: "Ich habe Frau Ashton gesagt, dass unser chronisches Problem nicht gelöst ist, die Anti-Dayton-Aktionen und feindlichen Äußerungen, die Infragestellung der Entscheidungen und der Autorität des Hohen Repräsentanten und der zentralen Institutionen einschließlich des Parlamentes und sogar die Relativierung des Völkermords in Srebrenica häufen sich..."

Kommt endlich eine Zentralregierung?

Zlatko Lagumdzija, Präsident der Sozialdemokraten und der größten Partei in der bosnisch-kroatischen förderation, zeigte sich "froh darüber, dass die RS ihren Willen gezeigt habe, das Referendum zurückzuziehen", nun könne man über eine Reform des Justizwesens im Lande reden. Alles andere hätte unweigerlich zu einem "Ende des Friedensabkommens führen müssen." Nun bestehe auch Hoffnung, dass sich, mehr als ein halbes Jahr nach den Wahlen, auch endlich eine Zentralregierung bilden könne. Der Streit um das Referendum war dafür das Haupthindernis, kommentierte ein hohes Mitglied der SDA, der Partei der Demokratischen Aktion die Entwicklung.

Drohung aus der RS

 

Die Reaktionen in der RS, jenseits der offiziellen Präsidentenlinie, lassen auf wenig Gutes hoffen. Dragan Cavic, Chef der "Demokratischen Partei" sagte, dass "Milorad Dodik nun die Kapitulation unserer Republik unterzeichnet" habe und sowohl "das Parlament als auch die Institution der Volksabstimmung abgewertet" wurden. Dies zeige, dass Dodik ein politischer Versager ist, seine Politik sei kurzsichtig und abenteuerlich und sobald er mit Konsequenzen konfrontiert wird, ist seine Antwort die Flucht, so Cavic, der nur erahnen läßt, welches seine Antwort gewesen wäre...

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