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(c) Pester Lloyd / 20 - 2011  KULTUR 16.05.2011

 

Goldene Ketten

Die ungarische Regierung spendiert sich ein Filmfestival und einen neuen TV-Kanal

Vor zwei Wochen löste der ungarische Justizminister die staatliche Filmförderung wegen Überschuldung auf, ein "neues, transparentes" System von Fachleuten soll her. Jetzt ist klar: der neue Nationale Filmfonds wird eine 2. Medienbehörde, bei der alle wesentlichen Institutionen unter ein Dach und an die Kette kommen. Der Kulturminister schenkt der Stadt und dem Erdkreis indes per Dekret ein "Internationales Filmfestival Budapest".

Über die Brücke musst du gehn... Die “Goldene Kettenbrücke” soll der Hauptpreis des 1. Internationalen Filmfestivals Budapest werden.

Vor zwei Wochen hat die Regierung den staatlichen Filmfonds aufgelöst und damit endlich jener Szene den Garaus gemacht, die jahrelang in der subventionierten Hängematte abfeierte und als man sie endlich zum arbeiten bringen wollte, im Ausland noch das eigene Land beschimpfte. Damit ist nun Schluss. Noch bastelt zwar Rambo-Produzent und Orbán-Freund Andrew G. Vajna an dem "neuen System" einer Filmförderung, die neben direkten Produktionszuschüssen (Vajna: "die Message muss schon stimmen.") auch Distribution und Festivals fördern soll, doch es ist klar, dass hinfort alles nur noch höchstprofessionell, unideologisch und nur im Sinne der Kunst ablaufen wird. Die Details dazu unten.

Vajna erklärte, dass "Fachleute" die Sache in die Hand nehmen werden und obwohl für dieses Jahr weniger als die Hälfte der sonstigen Förderungen zur Verfügung und die Gelder für das nächste Jahr noch ganz weit weg in den Sternen stehen, meldete sich sogleich der oberste Fachlaut des Landes, Kultur-Staatssekretär, Quasi-Minister Géza Szöcs mit der Ankündigung eines "1. Budapester Internationalen Filmfestivals", das im September 2012 stattfinden wird, auf Weisung, in Planung und Kontrolle des Ministeriums für "Nationale Ressourcen". Ausführender wird eine einschlägig bekannte Assoziation der "audiovisuellen Produzenten" sein, jene, die dann auch unter dem Dach des neuen Nationalen Filmfonds logiert.

Kulturstaatssekretär Géza Szöcs, seit neuestem auch brummiger Filmbär Ungarns

Die Kettenbrücke hat vier Löwen!

Ungarn hat bereits ein rennomiertes Filmfestival, die Filmwoche. Diese wurde in diesem Jahr zunächst verschoben, dann verkürzt und mit weniger Zuschüssen ausgestattet als bisher, auch wenn es das zentrale Event der heimischen Filmszene war, durchaus mit internationaler, zumindest regionaler Strahlkraft. Doch wie gesagt, die Protagonisten der Filmwoche sind in den Augen des neuen Ungarns nicht mehr tragbar, Sozis, Schmarotzer und vaterlandslose Gesellen. Der Staatssekretär will es eine Nummer größer, internationaler und gleichzeitig doch auch nationaler, vor allem mit weniger künstlerischen Irritationen. Daher hat sich Géza Szöcs, der Dichter aus Siebenbürgen, auch ausbedungen "die Details des Events" am 17. Mai zu verkünden und zwar - zur Mehrung des vaterländischen Ruhmes - im cineastischen Olymp schlechthin: auf dem Filmfestival in Cannes! Die Filmwelt soll erschaudern.

Was erwartet uns und die Filmwelt zwischen dem 22. und 30. September 2012 nun in Budapest? Wenn man den Verlautbarungen eines Fachmagazins glauben darf, eine nationale Meisterschaft mit internationaler Beteiligung. Der zentrale Preis wird die "Goldene Kettenbrücke" heißen und mit 20.000 EUR dotiert sein. Die Goldene Kette, die Brücke, was für Symbole! Was ist schon eine Palme gegen eine Brücke und der Löwen hat die Budapester Kettenbrücke gleich vier, was braucht es da noch Einzellöwen aus der italienischen Provinz oder gar tapsige Bären?! Schon kursieren Witze, den Preis für den besten ungarischen Film wird man nur "Kette" nennen und es wird auch eine sein, das Preisgeld wird als Abfindung deklariert und somit mit 98% besteuerbar.

 

Sollte die Filmförderung versagen, gibt man sich die Preise eben selbst

Aber zurück zum Ernst: Zugelassen zum Wettbewerb werden nur Filme, die wenigstens einen Koproduzenten aus einem EU-Land nachweisen können. Insgesamt sollen zehn Preise vergeben werden, bester Spielfilm, Regie, Schauspieler und -in, Doku, Kurzfilm, ungarischer Film (s.o.!), Animationsfilm und der beste "Visegrád Film". "Das Festival wird zu Beginn von der Regierung unterstützt, es ist aber vorgesehen es nach einigen Jahren des Bestehens unabhängig von öffentlichen Geldern zu veranstalten", heißt es im Report. Sollten die Filme, die Terminator-Vajna fördern lässt, zwar die "richtige Message" haben, aber das Publikum nicht interessieren, könnte man sie auf Szöcs´ Festival auszeichnen. Man hätte dann auf alle Fälle einmal preisgekrönte Filme, hervorgebracht von der umsichtigen neuen ungarischen Filmförderung... (Die Webseite dazu gibt es auch schon: www.biff.hu)

2. Medienbehörde: alles unter ein Dach

Nachdem die Regierung den staatlichen Filmfonds aufgelöst hatte, weil der 40 Mio. EUR Schulden angehäuft hatte, präsentierte Orbáns Kumpel Andrew G. Vajna (Foto) "seine" Vorstellungen. Danach wird der neue "Nationale ungarische Film Fonds" ähnlich funktionieren wie die Medienbehörde, in dem in ihm alle relevanten und zuvor unabhängig voneinander agierenden Institutionen der Branche zusammengelegt werden. Die Produktionsfirmen MAFILM und MAFILM Audio "einschließlich ihrer Bestände und Besitzungen", die Ungarischen Filmwerkstätten, der Distributor MÓKÉP sowie das Nationale Filmarchiv, samt seiner "Copyrigths" wie betont wird, werden in der neuen Struktur verschmolzen. "Aufgelegt" wird die "neue Struktur" durch die "Ungarische Staatsholding". Gleichzeitig plant der neue Fonds einen eigenen Fernsehsender, den er mit den neuen Eigenbeständen aus 80 Jahren ungarischer Filmkunst bestücken will.

"Mehr Kontrolle über die Produktion"

Die Förderung selbst wird in einem total transparenten "zweiphasigen System erfolgen". Die Maximalförderung pro Film wird danach rund 150 Mio. Forint (550.000 EUR) oder max. 50% der Kosten ausmachen können. Förderungen in der zweiten Phase (also z.B. für die Distrubution oder die Promotion bei Festivals) unterliegen "viel strikteren Kriterien" und erfordern "mehr Kontrolle über die Produktion", lautet die Drohung des Finanzberaters des Vajna-Rates. Rückwirkende Förderungen wird es nicht mehr geben, allerdings sind Steuerbefreiungen bis zu 20% auf die Erlöse möglich. (was dann nichts anderes als nachträgliche Förderungen wären...).

 

Nach welchen inhaltlichen Kriterien die Förderungen vollzogen werden sollen, dazu hatte Vajna schon so inhaltsleere wie aufschlussreiche Äußerungen getätigt. Ende Mai sollen alle legislativen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass das "Publikum wieder zu ungarischen Filmen ins Kino gelockt wird." In diesem Jahr werden wohl noch 3-4 Filme in den Genuss von Zuschüssen kommen, im nächsten sollen sich dann 8-10 der genehmigten Filme umgerechnet rund 7,5 Mio. EUR teilen. "Zukünftig könnte mehr Geld dafür zur Verfügung stehen", sagte Vajna, doch das dürfte ihn solange nicht interessieren, solange sein State-of-the-Art-Studion am Stadtrand so prächtig ausgelastet ist wie derzeit.

red.

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