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(c) Pester Lloyd / 21 - 2011  BULGARIEN 26.05.2011

 

Attacken auf Ataka

Bulgarien: Sturm im Parlament nach Sturm auf die Moschee

Als Reaktion auf den Angriff von Anhängern der Partei Ataka auf eine Moschee in Sofia, zeigten sich Parteien verschiedener Ausrichtungen geschlossen entsetzt. Drei Abgeordnete der extrem nationalistischen Partei erklärten ihren Austritt, andere fordern ein Parteiverbot und den Ausschluss aus dem Parlament. Ataka ruft "kommunistische Diktatur." Das Regieren für Premier Borisov wird nun jedenfalls schwerer, verließ er sich doch bisher auf die Extremisten.

Anhänger der bulgarischen Ultranationalisten von Ataka haben am letzten Freitag gewalttätige Ausschreitungen bei der Banya Bashi Moschee in der Altstadt von Sofia angezettelt, bei der mehrere Menschen verletzt wurden. Ataka-Sympathisanten marschierten aus Protest gegen Muezzin-Rufe durch Lautsprecher. Einer der Demonstranten versuchte einen Gebetsteppich vom Eingang der Moschee zu entfernen, dabei kam es zu Rangeleien, die sehr bald eskalierten. Ataka-Anhänger warfen Eier in Richtung von Betenden und riefen "Türken raus." Jugendliche aus der Moschee wehrten sich dann gegen die Angriffe, die Polizei ging dazwischen. Als Ergebnis waren fünf Polizisten verletzt, ebenso vier Demonstranten, zwei davon mussten im Spital behandelt werden, zwei der Unruhestifter wurden verhaftet.

Die Partei Ataka hat ihren Koalitionspartner GERB ultimativ aufgefordert, die Verhafteten freizulassen, andernfalls stelle sie die Koalition in Frage. Das bulgarische Helsinki-Komitee sprach von einem "ernsthaften, rassistischen Zwischenfall", der eine Eskalation von Hassrede und Xenophobie im Lande zeigt, die zum "politischen Geschäft" von Parteien in Bulgarien gehört. Es ist offensichtlich, so die Bürgerrechtler, dass die Regierungspartei Ataka eine Schlüsselrolle bei den Zusammenstößen gespielt hat, das müsse Konsequenzen haben. Der Angriff auf die Banya Bashi Mosche hat besonderen Symbolwert, liegt sie doch im sogenannten "Dreieck der Toleranz" im direkten Stadtzentrum, nur wenige Meter neben der St. Nedelja Kirche und der Synagoge.

Ein Vertreter der Partei der türkischen Minderheit forderte indes den Ministerpräsidenten auf, "Ataka aus dem Parlament zu werfen." Alle anderen Parteien waren sich einig darin, dass die Staatsanwaltschaft den Fall gründlich untersuchen müsse, auch, um die Hintermänner zu finden. Zivilorganisationen und die linke Opposition unterstellten der Regierungspartei GERB von Premier Borisov, zu wenig gegen diesen Extremismus zu unternehmen, diese wiederum zieh die Opposition der Instrumentalisierung für eigene Parteiinteressen.

 

GERB führt seit 2009 eine Minderheitsregierung, wird aber regelmäßig von den bisher 21 Abgerodneten von Ataka unterstützt, die im Europäischen Parlament auch schon für ihre romafeindlichen Ausfälle bekannt wurden. Insgeheim spricht man daher auch von einer Koalition. Ein führendes GERB-Mitglied mahnte "die Kollegen" nun: "wir danken Ihnen für die geleistete Unterstützung, aber nun haben sie alle Grenzen überschritten. Das ist nicht unser Weg." Man werde nicht mit Parteien kooperieren, die Prinzipien der Demokratie und Toleranz außer Acht lassen.

Die Äußerungen genügten der Opposition nicht, einige verließen aus Protest den Plenarsaal, zumal Volen Nikolov Siderov (Foto), Parteichef von Ataka behauptete, die Ausschreitungen seien "von Moslems provoziert worden." Er habe Videos, die das betätigen können. Jedes Vorgehen gegen seine Partei käme der Wiedererrichtung einer kommunistischen Diktatur gleich. Seine Parteikollegen Valentin Nikolov, Kiril Gumnerov und Ognyan Peychev traten "aus patriotischen Gründen" aus der Partei aus. Sie erklärten, dass sie für solcherart "extremistische Aktionen nicht zu haben sind, die gegen die Interessen Bulgariens gerichtet sind." Die Ataka-Fraktion kündigte nun an, gegen die Regierung zu stimmen, was das Regieren für die GERB deutlich erschweren wird, vor allem, da Premier Borisov mit der linken Opposition bisher kaum das Gespräch gesucht hatte. Biede bezichtigen sich gegenseitig, mehr eine Mafiafamilie, denn eine ehrenhafte politische Partei zu sein. Beide haben wohl recht.

 

Mittlerweile ordnete der Bürgermeister von Sofia das Gesundheitsamt an, Lautstärkemessungen an Moscheen vorzunehmen, um feststellen zu lassen, ob die "Lärmbelästigung" in einem gesundheitlich und rechtlich vertretbaren Rahmen liegt. Dies werde man aber - so schob das Bürgermeisteramt nach - nicht nur bei Moscheen machen, sondern überall dort, wo erhöhter Lärm vorhanden ist. Außerdem bittet man die Moschee-Betreiber, die außerhalb des Gebetshauses Betenden die so verrichten zu lassen, dass andere Bürger dabei nicht behindert werden. Bulgarische Nationalisten bezeichnen die seit Jahrhunderten auf bulgarischem Territorium lebende türkische Minderheit, ebenso wie Roma schlicht als "Ausländer", die nichts in dem Lande zu suchen hätten.

red

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