(c) Pester Lloyd / 23 - 2011 GESELLSCHAFT 08.06.2011
Die Republik der Bürger
Bürgerprotest und neue Opposition in Ungarn - Teil I
Als immer deutlicher wurde, dass die Fidesz-Regierung ihre demokratisch legitimierte Macht nicht nur nutzen, sondern auch missbrauchen wird, um Dinge zu
tun, für die sie durch keine Mehrheit der Welt ermächtigt ist, - nämlich die Demokratie abzubauen und einzuschränken und sie Schritt um Schritt durch eine
Einparteien-Autokratie zu ersetzen, regte sich auch in Ungarn zaghafter Protest, Nicht von "Artfremden" oder gut gepolsterten Auslandsungarn, wie die
Diffamierungen besagten, sondern von Bürgern, die das Land wieder zu ihrer öffentlichen Sache, dem Wortsinne einer Republik machen wollen.
Der Pester Lloyd trifft in dieser Artikelserie bewegte Bürger, Aktivisten und Funktionäre, um sich und
den Lesern einen Ein- und Überblick über die noch zaghafte Protestkultur und mögliche Oppositionsströmungen jenseits des Etablierten zu verschaffen. Im ersten Teil treffen wir sozusagen
die Spanier Ungarns, Ádám Schonberger von "Einer Million für die Pressefreiheit" und András Istvánffy, einen Gründer der "Vierten Republik".
Teil 2: Im Gespräch mit zwei Mitgliedern der LMP über die noch junge Partei und ihre Ziele und Probleme
Die Initiatoren waren selbst überrascht, wieviele Menschen sie mobilisieren konnten. Hier am 15. März
2011, dem Nationalfeiertag. Während woanders wild Fahnen geschwenkt, sich kostümiert und das Erbe
der Revolution von 1848/49 gefleddert wird, tragen Bürger ohne Uniform den Geist der Revolution still auf die Straßen.
Kampf gegen die vorgetäuschte Revolution
Anfang des Jahres brachten Demonstrationen mehrere tausend Personen auf die Straßen,
gegen das Mediengesetz, gegen die Art und Weise der Schaffung einer neuen Verfassung, gegen Kultur- und Geistfeindlichkeit und Willkürakte des Wahlsiegers. Sie sind nicht
einverstanden damit, dass eine politische Kraft ihre, durch das Versagen einer anderen, erlangten Übergewichte gegen freiheitliche und demokratische Errungenschaften der
Wendezeit ins Felde führt und eine Revolution vortäuscht, die am Ende nur einer Gruppe nutzt. Demokratische Teilhabe ist das Stichwort, das für die Nationalkonservativen
genauso ein Fremdwort wie für die "Sozialisten" geblieben ist, die - wie schon zu viele vor ihnen - glauben, die einzig selig machende Kraft im Lande sein zu müssen.
Ob aus dem Rinnsal der Protestierer ein Fluss mit Richtung und Bett werden kann?
Viele kamen zu den Demos spontan, aus einem Gefühl
heraus, dass hier zu weit gegangen wird, andere aus protestlicher Routine, wieder andere bilden den Keim einer neuen Opposition, bei dem noch schwer zu sagen ist,
ob er aufgehen wird oder im zementiert scheinenden Grabenkampf der großen politischen Blöcke - hier "links-liberal" da "national-konservativ" - verdorren muss.
Wie wir wissen, gehen die meisten Frustrierten eben nicht auf die Straße, sondern wenden sich ab und bleiben zu Hause, mitunter dann auch bereit, von Bauernfängern
"abgeholt" zu werden.
In den letzten Wochen und Monaten überwogen
Manifestationen von Einzelinteressen, seien es Lehrer, Feuerwehrleute oder Polizisten. Die Frage nach den Wachstumschancen einer neuen
Opposition aber gilt für neuere Parteien wie die im Parlament vertretene grün-liberale LMP ebenso wir für die vielen informelleren Netzwerke und entscheidet sich letztlich an
der Frage, ob ein Schulterschluss mit “dem” Volk gelingt. - Nicht unwichtig ist aber, dass diese Bewegung einen beweis darstellt, dass die Kritikpunkte an der ungarischen
Regierung keineswegs nur Hirngespinste einer hysterisch-politisch-korrekten westlichen Medienwelt sind oder gar eine Kampagne der europäischen Sozialisten, wie die
Standardreaktion des rechten Establishments lautet.
Fluide Fraktionierung der Bürgerbewegungen
"Die Protestkultur ist ganz anders als die in Westeuropa. Hier ist der Zustand mehr fluid,
oft kann man nicht genau erkennen wer zu welcher NGO gehört. Man findet häufig Leute, die in mehreren sozialen Bereichen gleichzeitig engagiert sind. Teilweise bedeute
das leider auch eine größere Fraktionierung der Kräfte.“ Das sagt Éva Médea Ferencz, deren Lebensbild selbst der beste Beweis der These von der fluiden Fraktionierung
darstellt: die Soziologin hat an der Universität Groningen in den Niederlanden studiert und später den Online-Wahlkampf der Partei LMP unterstützt. Derzeit arbeitet sie an einem
Projekt der Eötvös Loránd Universität Budapest zum Thema „Die ungarische Zivilgesellschaft." Eingetragenes Mitglied ist sie nirgendwo, doch überall immer einmal wieder aktiv und dabei.
Keine Parteiplakate, nur ein Petöfi-Zitat. Ganz normale Bürger, keine Radikalen.
Die gefühlte Million - nicht nur für die Pressefreiheit
Die - zumindest auf dem virtuellen Papier - größte wahrnehmbare Bewegung ist die
Facebook-Gruppe „Egymillióan a magyar sajtószabadságért" ("Eine Millionen (Menschen) für die Pressefreiheit http://www.facebook.com/sajtoszabadsagert). Eine Million sind sie
nicht, sondern 85.768 (Stand 7.6.) "User" bekennen sich zu den Zielen der Bewegung, eine doch beachtliche Zahl, Premier Orbán hat gerade 30.000 Fans mehr im Internet,
wiewohl seine Unterstützerbasis nicht gerade aus Digital Natives besteht. Die "Hintermänner" der “eine Million” haben Anteil an manch gelungener Demonstration
gegen das Mediengesetz, bei denen zuletzt mehrere tausend Menschen zusammenkamen - ohne Parteitransparente, ohne politische Lagerbestimmungen, in Ruhe und geteilter Sorge
Die Veröffentlichungen der Gruppe weiten auch das Bild dafür, dass das Mediengesetz nur
ein besonders markantes Symbol für eine demokratieverachtende, anmaßende Haltung der neuen Machthaber ist und daher will man die Mobilisierungskraft auch für weitere
Proteste nutzen. Auf Facebook wird auf verschiedenste Aktionen verwiesen, vom Spontanprotest, über Solidarität mit gewerkschaftlichen Anliegen bis hin zu
Umweltaktionen. Rund um die “Million” sammeln sich weitere Bewegungen, “Hunderttausend für Gyöngyöspata” oder “Es lebe die Republik”, die NGO-vEreinigung
TASZ taucht auf, die ungarische Gruppe von Amnesty International, auch Spaßguerillas sind dabei, alle sind verbandelt, aber nix ist fix...
Keine Lust mehr auf die Kulturkampfrituale der Elterngeneration
Die Proteste in Madrid werden thematisiert und die Frage aufgeworfen, warum sich die
"Verzweifelten" des eigenen Landes nur so zaghaft artikulieren. Die wenigsten stellen dabei die grundlegende Reformbedürftigkeit des Landes in Frage, auch nicht das
Versagen der sozial-liberalen Vorgänger, das in seiner Summe überhaupt den heutigen Zustand totaler einseitiger Übermacht ermöglichte. Die meisten jedoch haben schlicht
keine Lust mehr auf die festgefahrenen Kulturkampfrituale der Eltern-Generation und die Anmaßung einer politischen Clique nach der anderen, bei denen sowohl die mühsam
erkämpften Bürgerrechte der Wendezeit als auch der innere Frieden des Landes immer mehr unter die Räder kommen, das Land sich nicht mehr nur im Kreise dreht, sondern in
eine gefährliche Spirale aus Frust, Ängsten und Populismus geriet.
Eine weitere ambitionierte Bewegung ist
"Negyedik Köztársaság" (die Vierte Republik) oder 4K!, http://negyedikkoztarsasag.hu/, die
immer aktiver werden und sich einiges vorgenommen haben. Als sie sich 2007 gründete, konnte man noch nicht wissen, wie brisant der Name bald werden würde. Die
Umbenennung des Landes von "Ungarische Republik" in "Ungarn" war beileibe kein rein formaler, praktischer Akt, auch wenn die Republik gleich einen Absatz weiter in der
neuen Verfassung verankert ist. Vielmehr zeigt die Aktion der Verfassungsgeber eine Respektlosigkeit vor der historischen Entwicklung,
immerhin hat man sich eine echte Republik lange erarbeitet, erkämpft und erstritten, nun in das "historische" Ungarn umzukehren, postuliert den aufgenötigten Anschluss an
eine andere, jedoch nicht republikanische Zeit. Wieder erkennen wir das Bemühen einer Macht, eine andere zu ersetzen, genau davon haben die jungen Leute - nicht nur in
Ungarn - immer häufiger die Nase voll.
Nicht nur gegen, sondern für etwas sein
Wir treffen Ádám Schonberger, einen der
Aktivisten von “Eine Million für die Pressefreiheit“ und wir treffen ihn in der Sirály Bar in einem der ersten besetzten Häuser in Ungarn. Schonberger zeigt gleich
das Dilemma der Bewegung auf, "ich bin eigentlich keine öffentliche Stimme der Organisation", denn die hat weder eine Satzung noch eine offizielle Leitung. Wie
kam es zu der Gruppe? „Das Mediengesetz war der entscheidender Punkt, aber der ganze Prozess ist nicht so einfach zu
erklären. Das Gesetz selbst war so mehr der Antrieb, den wir alle brauchten, um ein verbreitetes Gefühl der Verweigerung auszudrücken. Sehr unterschiedliche, manchmal
sogar kontrastierende soziale Kräfte haben sich getroffen, um eine Protestwelle zu bilden."
Ádám schloss sich der Sache an, um eine neue politische Sprache zu finden, er wollte
mitwirken, dass dies alles nicht nur eine Eintagsfliege bleibt. "Der ganze Protest soll nicht einfach eine Anti-Regierungs-Bewegung sein, vielmehr will er sich als Widerstand gegen
die ganze korrupte politische Elite erweisen." "Der mangelnde Dialog zwischen Bürger und Politiker, sowie die Unmöglichkeit einer Wahl, wenn fast die ganze Parteienlandschaft zur
selben alten und korrupten Elite gehört, erfordert eine bürgerliche Kraft, die die politischen Eliten kontrollieren kann“.
Frust in Bewusstsein ändern
Wie sieht er die Zukunft von „Eine
Million für die Pressefreiheit“? Den Schwung der Demo am 15. März, als am Nationalfeiertag über fünfzehntausend Menschen die Straßen füllten (Foto rechts), konnte man nicht mitnehmen.
"Jetzt sind wir in eine Wartesituation, denn es gibt eine Vielfalt von möglichen Outputs für diese Bewegung. Sie könnte ein Symbol für die Verteidigung der
liberalen Demokratie sein oder auch eine Art Media Instrument (durch die Facebook Seite kann man mit tausenden von Leuten kommunizieren) werden. Wir
müssen verstehen, was wir für am wichtigsten halten, vielmehr im welchen Bereich wir ein wirksame Veränderung erreichen können." Dazu arbeitet man derzeit an einem
Programm, gemeinsam mit Experten.
Das Hauptziel umreißt Ádám damit, dass er Frust in Bewusstsein wandeln will. "Meiner
Meinung nach sollte die Hauptanstrengung der Bewegung sein, Menschen, die kein Vertrauen mehr in die existierenden politischen Strukturen haben, in aktive und bewusste
Bürger zu verwandeln, weil das der Sinn des Protests ist, der gerade auch auf der ganzen Welt passiert. Besonders in den postkommunistischen Ländern wie Ungarn, kann dieser
Prozess lang und kompliziert sein. Aus diesem Grund sollen wir uns an junge Leuten wenden, mit einer jungen Sprache mit präzisen Vorsätzen und deutlichen Forderungen.“
sagt er, gibt aber zu, dass viele am Anfang Begeisterte mittlerweile den roten Faden verloren zu haben scheinen.
Bürgerrepublik gegen Parteienstaat
Was hält er von der kursierenden Idee, die "eine Million" in eine Partei zu wandeln? Hier
kommt heftiger Widerspruch: "Eine Partei ist nicht die Lösung, die Parteien sind ja diese Struktur." Ganz davon abgesehen, habe man dafür gar kein Geld oder die passende
Organisiertheit. Auch wenn er versteht, dass es in nicht wenigen Teilen der Bevölkerung ein Bedürfnis nach neuer Orientierung, womöglich auch durch eine neue Partei gibt, diese
Bewegung "will vor allem Aufmerksamkeit und Vertrauen in die eigene Kraft schaffen", es wäre "schlicht unaufrichtig, nun zu sagen, O.K. jetzt würden uns viele wählen, lass uns
mal eine Partei werden...“ Der Schwerpunkt soll auf der Schaffung einer bürgerlichen Öffentlichkeit liegen, wenn sich später daraus doch eine Partei kristallisiert, ist es Teil
der Entwicklung, nicht das ausgemachte Ziel.
Ohne Orbán ist das Fidesz nur eine leere Schachtel
Wohin geht die Reise, wie kann man ein Gegengewicht zur Zweidrittelmehrheit der
Parlamentssitze des Fidesz schaffen? Es stimmt schon, so Ádám, dass „das die Regierung eigentlich machen kann, was sie will." Hier geht es um die Schaffung einer kritischen
Masse. Wird eine Bürgerbewegung nur groß genug und bleibt dabei doch zielgerichtet, "muss der Staat unbedingt einen Dialog starten, sonst können die Folgen bis hin zu einer
bürgerlichen Revolution unkontrollierbar werden", ist Schonberger fast schwärmerisch überzeugt. Er träumt sich in Rage: "Wir sind die kreative Generation, wir sind die junge
Generation, wir sind die Generation, die was verändern kann, wir können es schaffen und wir müssen es schaffen." Die Menschen sollten ihre Angst vor der allmächtigen Fidesz
ablegen. "Sie ist nur die Wahl der Wähler, ohne Orbán ist sie eine leere Schachtel. Parteien wie das Fidesz und die MSZP werden sich nicht ändern, man kann sie nur
ändern, wenn die Wähler sich ändern." Auch Ungarn wird allmählich von dem Trend weg vom Parteienstaat, hin zur Bürgerrepublik erfasst?
Die vierte Republik
András Istvánffy ist einer der "Gründer"
der Negyedik Köztársaság (die Vierte Republik), einer durchaus bekennend linken Gruppierung, die in letzter Zeit einigen Zulauf erfährt. Wie sah seine Protestkarriere aus? „Alles hat mit der
Besetzung leerer Gebäude angefangen, jedoch war es nicht einfaches Squatting, wie Punks es machen, es war schon eine
Protest gegen die lokalen Bezirksregierungen, ihren öffentlichen Auftragsvergabe und die sich ausbreitende Korruption."
Foto: http://www.facebook.com/NegyedikKoztarsasag
Schon im Herbst 2007, ein Jahr also nach der Lügenrede des "sozialistischen" Ex-Premiers
Gyurcsány, nachdem die Rechte die Straßen übernommen hatten, gründete er die 4. Republik, damals noch nicht ahnend wie aktuell und brisant dieser Name heute sein
würde. "Unsere politischen Ansicht sind linksgerichtet, aber sie haben nichts mit dem zu tun, was die MSZP als links darstellt. Am Anfang konzentrierten sich unsere Aktionen
insbesondere darauf öffentliche Räume der Gemeinschaft zugänglich zu machen. Dann starteten wir ein politisches Blog, das sich ganz schnell als einer der meistbesuchten Blogs
des Landes erwies. Gleichzeitig versuchten wir unseren politischen Protest originell, ironisch und auch künstlerisch auszudrücken."
Bei der Verfassung hat das Fidesz das Volk um eine historische Möglichkeit beraubt
"Dann begann die Fidesz-Politik total verrückt zu werden, so mussten wir auch unsere
Aktivitäten ändern." - „Am Anfang war die Richtung, in die die neue Regierung gehen wollte, ja gar nicht so klar. Erster Hinweis ihrer absolutistischen Politik waren jedoch
schon die Veränderungen bei den Wahlgesetzen anlässlich der Kommunalwahlen. (...) Sie haben die Hürden für kleine Parteien und unabhängige Kandidaten in Stadt- und
Gemeinderäte deutlich höher gelegt. Ein anderer, schrecklicher Hinweis war der Angriff auf das Verfassungsgericht, aber der entscheidende Punkt war auf jeden Fall die neue Verfassung, das ist der Hauptgrund, warum wir uns an Protesten auch der Gruppe
"Egymillióan a magyar sajtószabadságért" beteiligen. Die Idee, eine neue Konstitution zu schreiben, war an sich ja keine schlechter Vorsatz. Es gab einen common sense darüber,
dass eine neue Verfassung mit einer größeren Volksbeteiligung für Ungarn notwendig war. Das Fidesz aber hat diesen weitverbreiteten Wunsch nach Veränderung einkassiert
und damit eine historische Gelegenheit gestohlen und sie durch ihre populistische Rhetorik manipuliert. Die neue Konstitution hat jetzt noch weniger Volkslegitimation als die vorige.“
Die LMP ist zu elitär, sie wird nicht als starke Alternative wahrgenommen
Wie geht es weiter mit der "Vierten Republik"? „Derzeit erleben wir eine neue politische
Situation, die Linke ist total zusammengebrochen und Fidesz hat jetzt im Parlament keine richtige Opposition. Jedem steht das Scheitern der sozialistische Partei vor Augen,
und die LMP handelt enttäuschend, so steigen die Erwartungen an uns, weil es ein politisches Vakuum gibt.“
Woher stammt das mangelnde Vertrauen in die LMP, die traten doch auch einmal mit
dem Slogan "Eine andere Politik ist möglich" an. Derzeit versucht die Partei mit einer Reihe von Referenden das Volk gegen die Politik der Orbán-Regierung zu mobilisieren.
Braucht die LMP nicht einfach mehr Zeit? „Ich denke, dass da nicht nur organisatorische, sondern auch strategische Probleme vorliegen. Sie sind sich noch nicht im Klaren darüber,
was für eine Partei sie sein wollen. Wollen sie eine kleine grüne Partei bleiben, oder streben sie doch die Regierungsperspektive an? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich freue
mich, dass es im ungarischen Parlament überhaupt so eine Partei wie die LMP gibt, bloß fürchte ich, dass die Bevölkerung sie im Augenblick nicht als starken Gegenpol und
Alternative gegen das Fidesz-System sieht. Die LMP benutzt eine zu elitäre Sprache. Damit können die Intellektuellen etwas anfangen, Arbeiter oder Bauern verstehen sie
nicht richtig." - "Wenn 4k! überhaupt eine Partei werden sollte, wird die LMP sowohl natürlicher Verbündeter wie auch Konkurrent sein." Womit wir wieder bei der
Fraktionierung angekommen wären.
„Unser Hauptziel ist die linke Politik, beziehungsweise die linke politische Kultur in Ungarn
zu erneuern. Wir stehen linker als LMP und wir stehen deutlich gegen das Fidesz-System. Wir haben bereits ein Referendum für die Aufhebung der neuen Verfassung
vorgeschlagen, das natürlich von der Staatlichen Wahlkommission abgelehnt wurde, da auch die unter Fidesz-Kontrolle steht. Wir warten jetzt auf Antwort des
Verfassungsgerichtshofes, jedoch machen wir uns keine Illusionen in diesem Sinn: Wenn Fidesz kein Referendum will, dann wird es auch keines geben. Bloß wenn der
Verfassungsgerichtshof sich offiziell dagegen ausspricht, würde man dann den offiziellen Beweis haben, dass sich hier in Ungarn der Staat die Volkssouveränität Untertan macht."
Wir wollen den Zweiflern und Verzweifelten zeigen, dass sie nicht allein sind.
"Neben diesem institutionellen
Widerstand versuchen wir auch mit Streetart gegen die Regierung zu kämpfen. Vor einem Monat haben wir zum Beispiel einige bekannte Straßen des Stadtzentrums umbennant. Die
Kazinczy Straße wurde zur "Pál Schmitt Straße" (Name des derzeitigen Präsidenten, Anm.) vom Reformer der ungarischen Literatur und Sprache zum Staatspräsidenten,
der auf Ungarisch kaum korrekt schreiben kann. Die Straße der Pressefreiheit wurde mit dem Namen eines Referenten des Medienrates und der Universitätsplatz mit dem Namen des
Fidesz-Studentensprechers versehen. Derzeit bereiten wir ein Manifest unserer alternativen politischen Vison vor."
Aber ist ein Manifest nicht der Anfang einer Parteigründung? „Es ist ein Schritt, der die
Möglichkeit dahin eröffnet, eine Partei zu werden! (hier muss er lachen). Es ist jetzt noch zu früh, um etwas hochzurechnen. Fidesz will das Wahlgesetz ändern und vielleicht
wird dieses wie in Russland aussehen...
Glaubt er an den Erfolg seines Protestes? „Konkrete Erfolge können nur auf lange Sicht passieren. Auch
wenn eine Millionen Menschen auf den Straßen demonstrieren, würden Orbán und seine Regierung trotzdem keinen Schritt zurück machen. So ist die politische Haltung des Fidesz
nunmal und so ist auch Orbáns Charakter. Wichtig bleibt, den Ärger der Leuten zu vertreten und darzustellen. Wenn man Zehntausende von Menschen auf die Straßen
bringt, dann wissen auch die noch Unsicheren, dass sie nicht allein sind!"
Fortsetzung folgt
Stefano Solaro / red. / M.S.
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