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(c) Pester Lloyd / 33 - 2011  NACHRICHTEN 19.08.2011

 

+ + +  Nachrichten aus Ungarn + + +

Ungarn wählt saudische Diktatoren als strategische Partner

Nach dem Bruderkuss mit China als möglichem finanziellen Retter und strategischen Partner und als Alternative zur als "neues Moskau" deklarierten EU (O-Ton von Premier und ehemaligem EU-Ratspräsidenten Orbán), schmiegt sich Ungarn nun an eine weitere Diktatur an. Im September will Ministerpräsident Orbán nach Saudi-Arabien reisen, um "größere saudische Investitionen in Ungarn anzukurbeln". Man hofft auf ein Engagement in "Milliardenhöhe" durch den "staatlichen" Investitionsfonds der Ölscheichs und auf eine Zusammenarbeit, die “die Lebensbedingungen der Ungarn auf lange Sicht verbessern”.

Der saudiarabische Staatsfonds ist in Wirklichkeit die Privatschatulle und das internationale Machtinstrument der mit eiserner wie vergoldeter Hand regierenden Herrscherdynnastie Ähnliche Ambitionen verfolgt man auch durch eine Kooperation mit dem Oman. Dort waren bei Protesten während des "arabischen Frühlings" mehrere Menschen getötet worden. Saudi-Arabien, eine fundamental-islamistisch geprägte Diktatur, verhaftete etliche Oppositionelle ohne Gerichtsverfahren und schickte Polizeieinheiten nach Bahrain, die dort einen Sturz des Bruderhauses verhindern sollten. Den Frieden im Lande erkauft sich das Herrscherhaus halbwegs mit Petroldollars. Auch Deutschland und andere Demokratien pflegen ausgiebige Geschäftskontakte zu den Saudis, ein Panzerdeal der Deutschen sorgte zuletzt für einige kritische Aufmerksamkeit.

Sozialisten wollen Referendum gerichtlich erzwingen

Die oppositionelle sozialdemokratische MSZP rief den Verfassungsgerichtshof an, um eine Entscheidung der Staatlichen Wahlkommission anzufechten, die den Versuch eines Referendums gegen die rückwirkende Anwendung von neuen Gesetzen aus formalen Gründen unterbunden hatte. Die Wahlkommission war der Meinung, dass die eingereichte Frage "Sind sie einverstanden damit, dass Gesetze, die für die Betroffenen nachteilige Auswirkungen haben, rückwirkend angewendet werden sollen?" im Hinblick auf das "nachteilig" nicht dazu geeignet war, eine unmissverständliche Alternative zu formulieren. Daher könne ein solches Referendum keine bindende Wirkung entfalten. Es hätte keinen Sinn, mit der Wahlkommission über diese Interpretation einen Disput zu beginnen, meint MSZP-Chef Attila Mesterházy, da sieben der zehn Mitglieder vom Fidesz entsandt seien, daher werde man sich an das höchste Gericht wenden.

Die Verfassungsrichter hatten in diesem Jahr bereits einmal ein Gesetz mit retroaktiver Wirkung als Unrecht verurteilt, dabei ging es um die nachträgliche Besteuerung von Abfindungen im öffentlichen Dienst mit bis zu 98% für Zahlungen ab 2005. Die Regierung hatte das Gesetz dann angepasst, allerdings mit einer für sie großzügigen Übergangszeit, nun wird es nur noch rückwirkend ab 2010 angewendet. Ein weiteres Referendum wurde von der LMP angestrengt, die Genehmigung steht noch aus.

Datenschützer verlangt Vernichtung von Regierungsumfrage

Der parlamentarische Ombudsmann für Datenschutz, András Jóri, hat die Regierung aufgefordert, die Fragebögen der "nationalen Konsultation" zu vernichten, da die darin enthaltenen persönlichen Angaben der Mitwirkenden "illegal erhoben" worden sind und missbräuchlich verwendet werden könnten. Die Regierung hatte zu verschiedenen Politikfeldern Fragebögen medienwirksam an alle ungarischen Haushalte gesandt, die Rückantworten durch Barcodes aber so markiert, dass Rückschlüsse auf den Absender möglich sind. Jóri wies daraufhin, dass die Aufbereitung und weitere Verwendung dieser Daten nach geltendem Recht nicht zulässig und die Vernichtung der Bögen die einzige wirksame Maßnahme sei, um solchen Missbrauch zu vermeiden. Jóri hatte schon im Mai, als die Aktion startete, seine Bedenken geäußert. Er wird im kommenden Jahr seinen Job los sein, dann wird - nach der neuen Verfassung - nur noch ein Ombudsmann vom Parlament, mithin einer Partei, bestimmt werden, die Zuständigkeiten der anderen werden auf dessen Stellvertreter aufgeteilt.

Schutzpaket für Schuldner soll früher in Kraft treten

Das Finanz- und Wirtschaftsministerium will es aufgrund der aktuellen Entwicklung ermöglichen, dass die neuen Regelungen zur Rettung notleidender Schuldner bereits im September und damit einen Monat früher als geplant greifen können. Dabei geht es vor allem um die Fixierung des Wechselkurses zu EUR und CHF bei Fremdwährungskrediten. Diese wurden vor der Krise zu Kursen von um die 160 Franken aufgenommen, mittlerweile krazt die Schweizer Währung regelmäßig an der 250-Forint-Marke, notierte zwischenzeitlich sogar bei 273 HUF je CHF. Zwar profitierten die Kunden von den niedrigen Zinsen, aber die Kursschwankungen ruinierten schon einige zehntausende Schuldner, die die Banken ins offene Messer laufen ließen und dabei bestens verdienten und dies noch heute - trotz der Ausfälle - tun.

Die auflaufende Differenz aus festem (180) und tatsächlichem Kurs bleibt dennoch an den Schuldnern haften und wird nach Ablauf des Fremdwährungskredites und der Kursbindung 2014 als Forintkredit zu "lokalem Zinsniveau" angehängt. Rund 120.000 bis 250.000 Kredite könnte das betreffen. Die von der Regierung über ein Jahr ausgesetzten Zwangsversteigerungen der Banken laufen hingegen Schritt für Schritt wieder an. In den Genuss eines umfassenden staatlichen Hilfspaketes, u.a. mit Ratenreduzierung, Aufkauf und Rückvermietung der Immobilie an den Schuldner kommen ohnehin nur die, die sich mit dem fremden Geld bescheidenen, selbst genutzten Wohnraum erwarben. Wer über bestimmten (nicht sehr hoch angesetzten) Obergrenzen landet oder Schulden wegen Autos, Reisen oder Mobiliar aufgenommen hat, muss selbst sehen, wie er mit sich und seiner Bank klar kommt. Kommunen und Staat beteiligen sich zudem an einem Wohnungsbauprogramm für potentiell Delogierte. Sie sollen leistbaren Wohnraum erhalten. Der Staat veranschlagt die Kosten für sein Rettungsprogramm auf 40-45 Mrd. Forint pro Jahr, die Fachwelt rechnet mit bis zu 400 Mrd. Forint. Mehr zum Nothilfepaket hier.

Polizei verhörte früheren MVM- und heutigen BKV-Chef

Der Chef der Budapester Verkehrsbetriebe BKV, István Kocsis. ist von der Polizei vernommen wurden. Dabei ging es um den Verdacht der fahrlässigen Vergeudung von Mitteln in seinem vorherigen Betrieb, dem staatlichen Energiekonzern MVM, u.a. auch Betreiber des einzigen ungarischen AKW in Paks. Polizei und Staatsanwaltschaft untersuchen Verdachtsfälle aus den Jahren 2005 bis 2008, als Kocsis dort Generaldirektor war. Kocsis kündigte unmittelbar nach der Einvernahme erbost eine Klage gegen die Verdächtigungen an. Die Polizei bezieht sich auf einen Bericht des neuen Managements, wonach unter Kocsis` Direktorat Unsummen an Mitteln verpulvert worden seien. Immerhin hätten die Aufsichtsgremien alle Bilanzen bestätigt, er selbst habe den Wert des Unternehmens erhblich gesteigert. Für die Finanzkrise sei er nicht haftbar zu machen, er habe sich rechtlich nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil, das neue Management habe etliche Geschäftsmöglichkeiten vertan, u.a. auch, um die von der Politik gewünschte regionale Expansion voranzutreiben. Offenbar handelt es sich bei den Beschuldigungen also um ein Ablenkungsmanöver.

Jugendliche aus Fukushima zu Gast in Ungarn

Noch ein kleiner Bericht aus dem Sommerloch: Jugendliche aus der Katastrophen-Region von Fukushima besuchten ein Sommerlager in Ungarn, auf Einladung der ungarischen Regierung, die der Atomenergie, aber, wie man sieht, auch ihren Opfer, sehr freundschaftlich gegenüber steht. Auf dem Foto bewundern sie gerade den Flat Screen von Premier Orbán in dessen Büro. Beruhigend sollte für die Kids die aktuelle Meldung eines Regierungsbeauftragten sein, der einen “vorläufigen Bericht” hinsichtlich einer Sicherheitsüberprüfung beim AKW Paks nach den “Vorkommnissen” (das Wort Super-GAU spricht man hier nicht gerne aus) in Fukushima vorlegte. Danach sind “keine sofortigen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit notwendig”. Der “kommerzielle Betrieb” laufe tadellos. Die Erkenntnis ist in sofern interessant, da hauseigene Techniker schon vor zwei Jahrzehnten Zweifel an der Standfestigkeit von Paks äußerten, nachzulesen in einem Bericht der IAEO und hier bei uns.

Urlaubsnachtrag

Aufgrund der zahlreichen Anfragen von Lesern und Fans, wo denn die Redaktion ihren mutmaßlich übermäßig luxuriösen Urlaub verbracht hatte, hier die Auflösung: wir waren in der Türkei, Provinz Mugla, unweit von Marmaris, rein dienstlich versteht sich, zur Überprüfung der EU-Tauglichkeit des Landes. Wir konnten dabei feststellen, dass das Land längst Teil der Eurozone ist, denn man kann mit der Krisenwährung überall bezahlen (wer sich gern über den Tisch ziehen lässt, tut das auch). Hier ein Foto von einem unserer Grillplätze. Nun stürzen wir uns wieder in die Arbeit. Versprochen. red.

 

 

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