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(c) Pester Lloyd / 36 - 2011  WIRTSCHAFT 08.09.2011

 

Wochenüberblick

Nachrichten aus Ungarn - WIRTSCHAFT

 

Steuererhöhungen und Prognoseabsenkungen

Wie bereits angekündigt, erhöht die ungarische Regierung die Steuern auf Tabakwaren, Alkohol, weiterhin die Mineralölsteuer sowie Glücksspiel, um ein "neues" Haushaltsloch von rund 100 Milliarden Forint (ca. 360 Mio. EUR) zu stopfen. Außerdem sollen für eine gewisse Zeit sämtliche "öffentlichen Beschaffungen", die nicht unbedingt für die Aufrechterahltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung notwendig sind, gestoppt werden, sagte Finanzminister Matolcsy nach einer Kabinettsklausur. Allein diese Maßnahme soll 40 Mrd. Forint sparen, weitere 40 Mrd. sollen durch "effizientere und schnellere" Eintreibung von Steuern generiert werden.

Das ungarische Finanzministerium will bei der EU anfragen, ob eine Anhebung der Mehrwersteuer für "Luxusgüter" auf 35% (bisher ist 25% der höchste MwSt.-Satz) im Einklang mit EU-Reglungen stünde. Was genau das Finanzministerium als Luxusgüter ansieht, wurde noch nicht spezifizert. Klar ist hingegen, dass die Anhebung der Mineralölsteuer den Preis für ein Liter Benzin an den Tankstellen von derzeit um 385 bald auf über 400 puschen wird. Diesel wird am November mit 110 Forint statt bisher 97,35 Forint belegt, bei Benzin bleibt die Mineralölsteuer unverändert bei 120 Forint je Liter.

Matolcsy, bisher vor allem durch das Ausposaunen überoptimistischer Wachstumsprognosen bekannt, auf denen auch der Staatshaushalt fußt, tat so, als ob das Nichterreichen der Zielgrößen wie eine Umweltkatastrophe über Ungarn hereingebrochen wäre. Statt 3,1 und 3% BIP-Wachstum für 2011 und 2012, erhofft man sich nun offiziell 2% bzw. 1,7%, 2,5% bei "gutem internationalen Klima".

Die Schuldenquote des ungarischen Staatshaushaltes konnte durch die zwangsverstaatlichten, privaten Beiträge zur Rentenversicherung mittlerweile von knapp 82% des BIP Ende März auf unter 77%, Ende Juni, gesenkt werden (auf total rund 77 Milliarden Forint), weitere 3 Prozentpunkte können durch die Rückzahlung von Teilen des Milliardenkredites an IWF/EU erreicht werden. Allerdings ist durch ein EU-Urteil die Rückzahlung einbehaltener Mehrwersteuer an Firmen fällig, was das Land wieder rund 1 Mrd. EUR kosten wird und wofür der Staat keine Rücklage gebildet hatte.

 

Schwarzarbeit macht rund 1/4 zum BIP aus

Für rund 15,6 Milliarden EUR werden jährlich in Ungarn außerhalb der Statsitik und damit ohne Zugriff des Finanzamtes Arbeitsleistungen erbracht und Werte geschaffen. Das entspricht 23,5% der offiziellen Wirtschaftsleistung. Ungarn liegt damit nur sehr knapp über dem europäischen Mittel und im Vergleich mit den Ländern Osteuropas noch recht gut, vermittelt eine Studie zur Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft von Visa Europe, in der im Vorwort jedoch zugegeben wird, dass die Ermittlung der Größen "schwierig" ist. Insider sprechen in Ungarn von 40-50% zum BIP.

Insgesamt entziehen sich - laut Visa - jährlich rund 2,1 Billionen EUR dem offiziellen Geld- und Wirtschaftskreislauf und damit dem Zugriff der Staaten in Europa. Während in entwickelteren Staatswesen wie in Deutschland oder Frankreich angeblich nur rund ein Achtel auf das BIP versickern sollen, sind es in Bulgarien und Kroatien, aber auch im Baltikum fast ein Drittel. Spitzenreiter ist die Türkei, neben den 441 Mrd. EUR, die das Land 2009 offiziell erwirtschaftet hat, kamen - laut Visa - weitere 127 Milliarden schwarz hinzu. Am besten schnitten skandinavische Länder ab, sowie die Schweiz und Österreich mit 8 bzw. 9%, was nahelegt, dass man in der Schweiz Geldtransfers nicht zur Wirtschaftsleistung rechnet und dass die Visa-Experten noch nie in Österreich gewesen sein können. - Mit seiner völlig unvoreingenommen Expertise brandmarkt Visa das Bargeld als Hauptmedium und Triebkraft für schwarzarbeiterische Aktivitäten, sprich: zahlt mehr mit Visa und die Wirtschaft wird blütenweiß...

 

Wettbewerbsamt deckt "Made in Hungary"-Lügen bei CBA auf

Das ungarische Wettbewerbsamt GVH muss sich in letzter Zeit häufiger mit dem Missbrauch des "Made in Hungary"-Labels befassen, das aufgrund gewisser politischer Schwerpunktsetzungen einen konjunkturellen Aufschwung erlebt. Kürzlich wurde die französische Auchan-Kette wegen irreführendem Folklore-Labeling abgeurteilt , jetzt erwischten die Wettbewerbshüter die Hansa-Kontakt, Franchise-Nehmer von 133 CBA-Kaufhallen, mit Waren, auf denen "Ungarisches Produkt" (Magyar Termék) prangte, die sich aber als Importe herausstellten. 5 Millionen Forint (rund 18.000 EUR) kostet diese patriotische Hochstapelei. Man fand heraus, dass die "ungarische" Ware in einem Werbeprospekt in Wirklichkeit aus Tschechien, Österreich, Polen, der Slowakei und Serbien stammte.

Hieran erkennt man, dass das GVH noch nicht wieder auf der Höhe der Zeit oder immer noch bolschewistisch unterwandert ist, andernfalls wären sie niemals auf die Idee gekommen, Österreich, Serbien, Slowakei als nicht ungarischen einzuordnen. Über Polen und Tschechien könnte man streiten, aber auch dafür wird sich sicher eine plausible Erklärung finden, vielleicht das Zutun eines ungarischen Arbeiters, frei nach dem Motto des Parlamentspräsidenten: wo Ungarn leben, ist auch Ungarn.

 

Audi Ungarn mit über 7000 Mitarbeitern

Audi Hungária hat in den letzten acht Monaten 900 neuer Mitarbeiter an seinem Standort in Györ eingestellt, womit die Belegschaftszahl der ungarischen Audi-Tochter erstmals die Marke von 7.000 Menschen überschritt. Die meisten der neu eingestellten Mitarbeiter werden im neu zu errichtenden Autowerk arbeiten, bis 2013 sollen nochmals rund 2.000 Mitarbeiter hinzukommen. Das neue Werk wird mit einer 900 Mio. EUR-Investition verbunden sein, in rund zwei Jahren sollen von dort 125.000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band laufen, bisher baut Audi in Ungarn neben den TT-Modellen und dem A3 Cabrio vor allem Motoren für den gesamten VW-Konzern. Audi ist der größte Exporteur des Landes und der mit Abstand wichtigste Arbeit- und Auftraggeber der Region Nordwestungarn.

 

Indischer Zulieferer baut weiteres Werk in Ungarn

Im Zuge der gut florierenden Automobilindustrie, hat sich der indische Zulieferer SMR für die Errichtung eines neuen Werkes in Ungarn, in Mosonmagyróvár, im äußersten Nordwesten, entschieden. Die Fabrik wird rund 7 Milliarden Forint kosten (ca. 25 Mio. EUR), wofür SMR staatliche Investitionsförderungen in Höhe von 1,4 Mrd. Forint erhält, was deutlich über dem Prozentsatz für vorherige Investitionen liegt. 250 Menschen sollen jährlich auf 15.000 Quadratmetern rund 7 Mio. Autospiegel, vornehmlich für Mercedes und BMW, fertigen. Das Werk soll auch ein eigenes Desgin- und Entwicklungsstudio bekommen. SMR betreibt bereits seit 2009 ein Spiegelwerk in Mosonszolnok im gleichen Komitat, mit ungefähr dem gleichen Ausstoß wie das neue haben wird.
 

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LEGO baut weiteres Werk in Ungarn

Die dänische LEGO-Gruppe hat angekündigt ihr Werk in Nyíregyháza, im Nordosten von Ungarn, bedeutend auszubauen. Der für seine Systembausteine bekannte Betrieb will die Kapazitäten um weitere 30% ausbauen und damit 1000 weitere Arbeitsplätze schaffen. Für die Investition erhält LEGO einen staatlichen Zuschuss, über die Höhe wurde zunächst Stillschweigen vereinbart (muss aber nach EU-Recht veröffentlicht werden). Inwieweit das neue, extrem arbeitgeberfreundliche Arbeitsrecht einen Ausschlag bei der Entscheidung gegeben hat, ist nicht bekannt. Mittlerweile produziert LEGO ein Viertel seiner Steinchen in Ungarn, letztes Jahr waren das allein in Ungarn fast 9 Milliarden Stück. Neben Ungarn, produziert man noch in einem Werk in Tschechien, einem in Mexiko und zwei in Dänemark. Lego konnt eim letzten Jahr ein Umsatzplus von 25% hinlegen, auch der operative Gewinn stieg um rund ein Viertel. Der Eigentümer gilt als reichster Däne.

 

Erdölkonzern NIS wird in Ungarn aktiv

Der serbische Mineralölkonzern NIS, mehrheitlich im Eigentum des russischen Giganten Gasprom, plant den Bau eines Standortes in Ungarn als Teil seiner "regionalen Expansionsstrategie". Auch in Rumänien, Bulgarien und Bosnien sollen Zweigestellen von NIS errichtet werden. Man sei interessiert daran, diese Märkte aktiv zu bearbeiten. Erst kürzlich hatte der ungarische Staat die 21,2%-Beteiligung der russischen Surgutneftegas an der heimischen MOL aufgekauft, auch mit dem Hinweis darauf, dass man ein russisches Engagement im "national-strategisch" wichtigen Energiebereich nicht gerne sieht. An anderer Stelle, z.B. beim Pipelinebau, bei der Exploration und bei Lagern kooperieren MOL und Gasprom.

 

Staatsbahn will Millionen in neue Züge stecken

Kaum hat die ungarische Regierung die komplette Entschuldung der ungarischen Staatsbahn MÁV angekündigt, immerhin ein Kraftakt von umgerechnet rund 1,2 Mrd. EUR (aus den Mitteln der eingezogenen privaten Rentenbeiträge), will diese für 800 Mio. EUR neue Züge, Loks und Waggons anschaffen. Bis Ende 2015 sollen so rund 200 Milliarden Forint in die Modernisierung des Fuhrparks gesteckt werden, meldet die Staatsbahn über die Agentur MTI. Einen Großteil der notwendigen Investitionsumme wolle man aus EU-Fonds lukrieren, ergänzt über Staatsgelder. Ende Oktober könnte bereits eine Ausschreibung auf den Weg gebracht werden. Erst kürzlich war das elektronische Ticketsysem der MÁV ausgefallen.

 

Ungarische Sozialisten fordern Abschaffung der Flat tax

Die ungarischen Sozialisten von der MSZP haben einmal mehr die Regierungspolitik kritisiert. Sie fordern die Abschaffung der Flat tax und die Wiedereinführung eines mehrstufigen, progressiven Steuersystems, da anders kein sozialer Ausgleich herstellbar sei, außerdem müssten die Sozialabgaben vor allem für Geringverdiener deutlich reduziert werden, zunächst um 3, dann nochmals um 2 Prozentpunkte, damit diese über ausreichend Einkommen verfügen und die Schaffung von Arbeitsplätzen angeregt wird. Mehr dazu hier. Wie die Ausfälle für die Staatskasse bzw. die Sozialfonds kompensiert werden sollen, dafür hatte der MSZP-Sprecher zunächst keinen Plan. Er erklärte weiterhin, dass das Hausrettungsprogramm der Regierung nicht ausreiche und die MSZP, trotz bzw. wegen der Angriffe von "der regierungsfreundlichen Justiz", weiter hinter "ihren" beiden vorherigen Ministerpräsidenten steht.

 

 

 


 

 

 

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