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(c) Pester Lloyd / 38 - 2011  POLITIK 21.09.2011

 

Esztergomer Schlittenfahrt

Nachrichten aus Ungarn - Politik

Neuer Service: Gericht übernimmt Planung und Timing von Demos - Parlamentspapparazzi: Fotografen enthüllen, was Orbán verschwieg - Jobbik will sofort Neuwahlen, MSZP lieber gerade nicht - Esztergom versucht sich mit Suzuki aus der Pleite zu ziehen - Fidesz hat eine neue Sprecherin - ein “Serientäter” geht ins Gefängnis

Neuer Service: Gericht übernimmt Planung und Timing von Demos

Die ab 29. September geplante, zunächst viertägige Serie von Großdemos (unter dem Titel D-Day) vor dem Parlament sowie auf der Kettenbrücke, die von der Polizei aus etwas fadenscheinigen Gründen verboten wurde, soll, nach dem Willen eines Budapester Gerichtes nun am Wochenende des 1. und 2. Oktobers nachgeholt werden können, aber auch dann nur auf einer veränderten Route.

Sowohl das Verbot wie auch die gerichtliche Korrektur geben Hinweise auf gewachsenen politischen Druck bei der Entscheidungsfindung. Es ist unter dieser Regierung nicht ganz neu, war aber bisher nicht die Regel, den fließenden Verkehr über die Versammlungsfreiheit zu stellen. Es hieß, man könne anderen, nicht demonstrierenden Menschen nicht zumuten, stundenlang zu warten... Auch die Begründung, die Großdemos könnten einen ordnungsgemäßen Ablauf der Parlamentssitzungen stören ist neu. Sogar die Vorgänger, deren teils überzogene Polizeigewalt 2006 ff. noch immer Polit-Thema ist, sperrten damals den Kossuth Platz nur weiträumig ab, kamen aber nicht auf die Idee, Demos ins Wochenende zu verbannen, im Gegenteil, damals waren es die Gerichte, die wesentlich die Rechte der Bürger wahrnahmen. Die neue Regierung hat bereits auch das Streikrecht geändert, mittlerweile verboten Gerichte aufgrund der neuen Rechtslage bereits mehrere Arbeitskampfmaßnahmen.

Entsprechend beschweren sich die Organisatoren, ein Bündnis aus rund 70 Gruppen, von Gewerkschaften bis Bürgerrechtlern. Die LIGA, gerade noch in bevorzugtem, "fruchtbarem" Dialog mit dem Regierungschef, verwahrt sich gegen den Versuch "das Recht auf Versammlung einzuschränken", schließlich handele es sich um friedliche Proteste. Mehr zum D-Day.

Parlamentspapparazzi: Fotografen enthüllen, was Orbán verschwieg

Der parlamentarische Datenschutzbeauftragte, András Jóri, untersucht, ob die Verbannung von Fotografen durch den Parlamentspräsidenten László Kövér (Fidesz) rechtens war oder gegen die Freiheit der Berichterstattung verstößt. Kövér hatte zwei Fotografen der führenden Online-Portale Index und Origo für die Teilnahme an Parlamentssitzungen gesperrt, weil sie es wagten mit ihren Teleobjektiven das Redemansukript von Premier Orbán abzulichten.

Daraus wurde erkennbar, dass Orbán etliche notierte Punkte seiner Rede am 12. September (als es um die Ablösung der Forex-Kredite ging) nicht gehalten hatte. Darunter war auch die Ankündigung, eine Kette von Sozialkaufhäusern für die Ärmsten zu gründen. Dieser Vorschlag fiel ganz unter den Tisch. Die Redaktionen meinen, was im Parlament geschehe, sei in Gänze eine öffentliche Angelegenheit, der Parlamentspräsident nicht in der Lage, Zensur auszuüben, die Redner sollten eben ihre Manuskripte verbergen, wenn sie denn etwas zu verbergen haben. In zwei Wochen soll entschieden werden, wie man die Hausordnung an das Dilemma anpasst, hieß es.

Obiges Foto stammt übrigens aus der genannten Parlamentssitzung, ist aber vom Fidesz-Hoffotografen gemacht. In Originalauflösung sind dort auch die Notizen Orbáns erkenn- und lesbar, was zeigt, dass es nicht die Arbeit der Fotografen ist, die den Parlamentspräsidenten störte, sondern, dass man so darüber berichtete.

Jobbik will sofort Neuwahlen

Die neofaschistische Partei Jobbik, mit knapp 15% der Wählerstimmen im Parlament vertreten, fordert Neuwahlen. "Das ist genau, was das Land jetzt braucht", meinte Parteiführer Gábor Vona im Parlament. Immerhin habe "auch das Fidesz 2006 nach Neuwahlen geschrien, als die Sozialisten ihre Glaubwürdigkeit verloren hatten und eine Sparpolitik gegen die Interessen der ungarischen Gesellschaft" starteten, so sei es auch jetzt. WikiLeaks habe das Lügengebilde Orbáns bloßgestellt und er hat - entgegen seinen Versprechungen - mittlerweile das vierte Sparpaket verabschiedet, so Vona. Dass Jobbik gerade jetzt Neuwahlen fordert, könnte - vielleicht - auch damit zusammenhängen, dass die Umfrageinstitute gerade mit ca. 18% einen Höhenflug in der "Beliebtheit" ermittelten. Diese stellten jedoch auch fest, dass Fidesz-KDNP wahrscheinlich weiterhin 2/3 der Mandate erringen könnten, Dank eines stetig wachsenden Heeres an Nichtwählern.

MSZP: lieber jetzt keine Neuwahlen

Für die MSZP wären Neuwahlen jetzt gar nicht so günstig, sie grundeln weiter unter 20%, in manchen Umfragen werden sie jetzt schon von Jobbik überflügelt. Parteichef Attila Mesterházy bereitet daher gerade "radikale Erneuerungen" für den Parteikongress im November vor. Man werde ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten, vor allem aber die parteiinternen Strukturen und Abläufe reformieren, mehr direkte Demokratie wagen und transparenter werden. Die Parteifinanzen sollen offengelegt werden (ein böses Thema in Ungarn), ein Ethikcode wird geschaffen. Doppelfunktionen von Abgeordneten in Parteistrukturen sollen minimiert werden. Mesterházy glaubt, den Richtungsstreit (eher ein Machtkampf) mit Ex-Chef Gyurcsány beendet, man ziehe wieder an einem Strang. Die MSZP werde sich auch neuen Protestformen öffnen, so auch Demos "nicht nur in Ungarn, sondern im ganzen Land".

Neue Fidesz-Sprecherin

Gabriella Selmeczi, wird neue Sprecherin der Fidesz-Fraktion im Parlament. Sie soll das weibliche Gesicht der Partei werden, gar nicht so leicht, bei einem solchen Männerclub (siehe Foto: fidesz.hu). Selmeczi ist übrigens gleichzeitig "Regierungsbeauftrage für Rentensicherheit". Nun, da die Renten beim Staat - also todsicher - sind, hat Selmeczi Zeit für andere Aufgaben.

Esztergom versucht sich mit Suzuki aus der Pleite zu ziehen

Die Stadtversammlung von Esztergom hat das dort ansässige Suzuki-Werk, ein wesentlicher Arbeitgeber des Landes, mit einer Strafe von umgerechnet rund 3 Mio. EUR wegen eines geplatzten Landkaufgeschäftes belegt. Die Fidesz-Mehrheit im Parlament emfpand es als rechtswidrig, dass die Stadt ein Grundstück in einem Gewerbepark zunächst auf eigene Rechnung mit teurer Verkehrsinfrastruktur umgeben und erschlossen hat, der Interessent Suzuki später aber einen Rückzieher machte. Das hätte die Stadt Unsummen gekostet. Den Ausfall will man sich jetzt zurückholen.

Offenbar versuchen die Fidesz-Leute nun in Panik irgendwo Geld aufzutreiben, um das Unwesen ihres Parteifreundes und ehemaligen Bürgermeisters Meggyes wett zu machen, der die Stadtkasse durch verschiedene dubiose Machenschaften und (mutmaßlich) auch Missbrauch geleert hatte. Die jetzige Bürgermeisterin Éva Tetenyi, von einer unabhängigen Initiative von Bürgern, normalen, Sozialisten bis Ultrarechten gewählt, ist mit dem Bußgeldbescheid nicht einverstanden, doch die Fidesz-Mehrheit hat sie überstimmt, die seit Monaten mit ihr Schlitten fährt. Suzuki meinte nur kühl, dass wohl rund 500 Arbeitsplätze draufgehen werden, wenn man gezwungen werde das Landstück doch zu kaufen.

Esztergom steht wieder einmal vor dem Ruin, bereits vor Monaten rief die Bürgermeisterin Fidesz-Chef und Regierungschef Orbán zu Hilfe, er möge einen Regierungskommissar entsenden, um der Posse im Stadtparlament ein Ende zu bereiten. Es gibt unbezahlte aktuelle Rechnungen über 4,5 Mio. EUR sowie Gesamtschulden von 94 Mio. EUR, seit dem 17. März gab es keine ordentliche Sitzung mehr.

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"Serien-Täter" zu sechs Jahren Haft verurteilt

Der ungarische Soap-Star Roland Damu, bekannt vor allem aus der Krankenhausschmonzette "Im Guten - Im Schlechten" ist wegen Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung etc. zu sechs Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Er soll unter anderem auf Kollegen und Kolleginnen losgegangen sein, ausschlaggebend für seine Verurteilung war jedoch die Anzeige seiner Ex-Freundin, die seinem brutalen Treiben ein Ende setzte. Damu ist eines der bekanntesten Gesichter der seichten TV-Szene des Landes, weshalb wir die Meldung nicht ganz unter den Tisch fallen lassen wollten, auch wenn sie eigentlich in den "Boulevard" gehört.

 

 


 

 

 

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