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(c) Pester Lloyd / 48 - 2011  BUDAPEST 28.11.2011

 

Abgebrannt

Bürgermeister von Budapest geht betteln: BKV wieder vor der Pleite

Die Budapester Verkehrsbetriebe, BKV, Opfer von Misswirtschaft und systematischem Raubbau in der Verantwortung der sozialliberalen Vorgänger, bewegen sich seit Jahren nah am finanziellen Kollaps, doch selten war die Lage so schlecht wie heute. Oberbürgermeister Tarlós wandte sich jetzt in einem dramatisch klingenden Bettelbrief an den Premierminister. Er fürchtet den baldigen Kollaps von Metro und Bussen, wird aber auf taube Ohren treffen.

Vom Super-Major zu István der Bettler. Budapests OB István Tarlós

Zwar bekommt das städtische Unternehmen noch einmal eine 5 Milliarden Forint (16 Mio. EUR) hohe Staatsbeihilfe außer der Reihe, doch Oberbürgermeister István Tarlós braucht allein im Dezember nochmal 6, im Januar weitere 9 Milliarden Forint (zusammen fast 50 Mio. EUR), weil er sonst den "unmittelbaren Zusammenbruch des Betriebes" vor Augen sieht, wie er jetzt in einem Bettelbrief an die Orbán-Regierung warnte. Dieses Geld hat aber der Finanzminister nicht. Er braucht jetzt ja jeden Forint um die "feindlichen Attacken aus dem Ausland" gegen Forint, Krone und Vaterland abzuwehren.

Abgebrannt. Nicht nur sinnbildlich, sondern wörtlich. Im Früjahr und Sommer sorgte eine mysteriöse Brandserie in den alten Sowjet-Metrowagen für Sorge unter den Fahrgästen. Etliche, der zum Teil über 50 Jahre alten Wagen mussten ausgemustert werden, aber das Geld für brauchbaren Ersatz fehlt.

Seit Amtsantritt der neuen Regierung wird überlegt, ob man die Staatsbahn MÁV, die Buslinien Volán sowie die BKV in eine zentral gesteuerte Verkehrsholding überführt, der Staat ein für alle Mal die Schulden übernimmt und sodann eine radikale Sanierung einleitet. Doch die eigentlich für dieses Jahr geplante Schuldenübernahme der MÁV und der BKV (fast 1% des BIP) aus Sondermitteln (enteignete private Rentenbeiträge) wurde strikt reduziert, da sich mittlerweile anderswo Löcher aufgetan haben, die es zunächst zu stopfen gilt. Bedenkt man, dass die finanzielle Situation des Staates in den nächsten Jahren eher wieder angespannter wird, auch, weil wohltuende Einmaleffekte eben nur einmal wirken können, verfinstern sich die Aussichten für die Verkehrsbetriebe eher noch.

Kardinalsprobleme des "Ich mach das schon"-OB´s

OB Tarlós zählt in seinem Bittschreiben (war Betteln in Budapest nicht von ihm verboten worden?) um "mehr Nothilfe" die "12 Kardinalsprobleme" auf, (alles was wichtig ist bekommt in Ungarn heute den "Kardinals-Hut"), mit denen die Verkehrsgesellschaft zu kämpfen hat: überaltete Flotte, ein riesiger Schuldenberg, bald fällig werdende Kredite, gestiegene Belastungen durch den Metro-Neubau, etc. Wir könnten noch Benzinklau, Fahrgeldhinterziehung, schlafendes Personal etc. hinzufügen, aber das sind höchstens Landpfarrer- keine Kardinalsprobleme. Natürlich ist vieles den Vorgängern anzulasten, die haben den Betrieb regelrecht ausgeplündert, ein gutes Dutzend Verantwortlicher, vom ehemaligen stellvertretenden Bürgermeister bis hinunter zu diversen Abteilungsleitern müssen sich dafür derzeit vor Gericht verantworten, einige sitzen sogar in U-Haft.

Links die alten Rappelkisten sowjetischer Bauart, die heute noch das Bild der
Budapester Metro prägen, rechts, die schmucken, aber teuren französischen Alstom-Züge

Doch andererseits hatte die neue Stadtregierung auch schon mehr als ein Jahr Zeit, das Desaster zumindest genau zu erkennen, die "ich mach das schon"-Attitüde von OB Tarlós hat womöglich sogar Orbán hinters Licht geführt. Tarlós hätte eigentlich die Pflicht gehabt, mit Amtsantritt den Bankrott der BKV zu erklären, nur so hätte man eine Lösung erzwingen können, womöglich um den Preis, dass einige Tage keine Busse und Bahnen fahren. Aber das hält die Stadt während eines Streiks ja auch aus. Was Tarlós seit Oktober 2010 macht, ist letztlich Insolvenzverschleppung.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Verhältnis zwischen Premier Orbán und seinem Parteifreund Tarlós in letzter Zeit nicht gerade das beste sein soll, es gibt da ein eitles Gerangel zweier Alphamännchen, bei dem schon klar sein dürfte, wer am längeren Hebel sitzt. Tarlós beklagte denn auch, dass seine Versuche, die lokalen Unternehmens- und Fahrzeugsteuern zu reformieren, um an mehr Einnahmen zu kommen, durch die Zentralregierung abgeschmettert worden seien, eine Kritik am mögliche Geldgeber, die vielleicht nicht so direkt in einen Bettelbrief gehörte.

Das Geld für die Sanierung war da, jetzt ist es wieder weg

Er verwies weiter darauf, dass es seine Leistung war, sich in einem "fahrlässig" von den Vorgängern losgetretenen Rechtsstreit (es ging halt nur um die Bremsen) mit dem französischen U-Bahn-Hersteller Alstom doch noch gütlich geeinigt zu haben, somit habe er dem Budget 180 Milliarden Forint, (die während der Gerichtsverhandlung in Frankreich auf Eis gelegt worden waren) gerettet! Nicht so klug, mag auch die Anmerkung in Tarlós` Brief gewesen sein, dass die "Auswirkungen eines Bankrotts der BKV nicht an den Stadtgrenzen halt machen werden". Das meint der OB zwar nur technisch, aber das bekommt einer der Consigliere um Orbán sicher in den falschen Hals.

Wie wird die fachmännische Lösung aussehen können? Was plant der "Kreml"? Notverstaatlichung wie bei der Airline Malév und dann die krampfhafte Suche nach einem "strategischen Investor", der den Schrotthaufen übernimmt, dabei aber gleichzeitig die "nationalen Interessen" wahrt? Die Orbán-Regierung hatte sogar das Geld für eine Sanierung, hat es dann aber, im Wahn, den "Mittelstand" entlasten zu müssen, bevor dieser je Steuern gezahlt hatte, wieder verzockt. Nun ist das Land wieder einmal der Pleite nahe, warum sollte es der Metro anders ergehen?

red.

 

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