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(c) Pester Lloyd / 48 - 2011  POLITIK 01.12.2011

 

Schüsse im Dunkeln

Attentat auf Bürgermeister von Gyöngyöspata -
Ungarische Garde marschiert "privat" auf

Oszkár Juhász, der vor kurzem gewählte Jobbik-Bürgermeister der Gemeinde Gyöngyöspata, die für ihre ethnischen Spannungen bekannt wurde, teilte der Polizei mit, dass am Montagabend auf ihn geschossen worden sei. Jobbik sieht sich als Opfer linker Hetztiraden und gibt sich kämpferisch, andere Parteien verurteilen jedwede Gewalt und "bitten" die neofaschistische Garde, auf einen Aufmarsch zu verzichten.

Als er das Bürgermeisteramt gegen 23.00 Uhr verlassen wollte, seien zwei Schüsse aus Richtung des Hinterhofes auf ihn abgefeuert worden, berichtete Bürgermeister Juhász (Foto) der Polizei. Er wurde nicht getroffen. Die Polizei nahm unverzüglich Ermittlungen auf, begutachtete den Tatort und sucht nach Zeugen. Der Polizeichef des Komitats Heves, Bálint Soltész, wollte aufgrund des frühen Ermittlungsstadiums noch keine Details mitteilen, auch nicht darüber, in welche Richtungen die Ermittlungen gehen.

Tamás Schneider, Vizepräsident der neofachsistischen Partei Jobbik, sagte am Dienstag auf einer Pressekonferenz: „Wir sind nicht solche, die man einfach mit ein paar Gewehrkugeln aufhalten kann“ und nutzte seinen Auftritt um die grüne Oppositionspartei LMP scharf anzugreifen. Diese solle sich zu den Vorfällen äußern, da die Partei und ihre Unterstützer eine permanente „Hetzkampagne auch in Gyöngyöspata" gegen die Bürgerwehren und die Rolle der Jobbik beim Kampf gegen "die Zigeunerkriminalität" führen. Es werde immer behauptet, dort wird die Roma-Bevölkerung terrorisiert (unsere Reportage dazu), während in der Realität genau das Gegenteil der Fall war, nur so sei letztlich auch dieser Mordanschlag auf den Bürgermeister zu erklären.

Gábor Vágo, LMP-Parlamentarier, entgegnete, dass die Attacke von Jobbik ein Versuch sei in der LMP einen Feind aufzubauen. Der Grund für die stetig zunehmenden Spannungen in Ostungarn liegt in der „sozial ungerechten Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik der Regierung“, Jobbik wolle davon lediglich profitieren.

MSZP und Fidesz drückten ihre Bestürzung über den Vorfall aus und verurteilten jede Anwendung von Gewalt. Der Fidesz-Abgeordnete László Horváth erklärte, dass man von der Polizei eine „entschlossene, schnelle und erfolgreiche Untersuchung des Vorfalls“ erwarte, gleichzeitig „bitten wir Juhász darum, dass die Geschehnisse keinen Grund dafür liefern sollen, dass am Wochenende in Gyöngyöspata die neue ungarische Garde erscheint.“

Horváth reagierte damit auf Ankündigungen über eine Versammlung der "neuen" ungarischen Garde (die "Magyar Gárda" ist rechtskräftig verboten) in Gyöngyöspata am kommenden Wochenende. Man plane eine "geschlossene Versammlung" in der Gemeinde, diese werde jedoch auf nichtöffentlichem Grund stattfinden, ist keine Großdemonstration, “wir werden sie innerhalb eines legalen Rahmens auf jeden Fall abhalten. Die Veranstaltung steht in keinem Zusammenhang mit den Geschehnissen um Oszkár Juhász.“ lassen die "Gardisten" wissen, auch wenn die "Kugeln aus dem Hinterhof" sicher eine gute Werbung für eine rege Teilnahme gewesen sein werden. Uniformierte Aufmärsche sind seit den Ausschreitungen in Gyöngyöspata im Frühjahr durch ein Anlassgesetz verboten worden. Auch der kürzliche Suizid des Anführers der damaligen Unruhen, Tamás Eszes, bietet der rechten Szene Anlass für entsprechende Verschwörungstheorien.

In den Jahren 2008/2009 starben in Ungarn sechs Angehörige der Roma, darunter ein kleines Kind, das man hinterrücks erschoss, als es mit seinem Vater aus dem brennenden Haus floh. Vier der Opfer starben bei Attentaten, die jeweils kurz nach Aufmärschen der "Ungarischen Garde" in ihren Orten verübt wurden. Den mutmaßlichen Tätern wird gerade der Prozess gemacht, ihre Äußerungen machen deutlich, dass Rassenhass das Hauptmotiv für ihre hinterhältigen Morde gewesen ist. Die Ermittler sprachen bereits von klar erkennbaren Verbindungen zu rechten Organisationen, ohne diese jedoch zu benennen.

Bürgermeister Juhász fährt eine eindeutige Politik der rassischen Diskriminierung, die letztlich die Roma aus dem Ort vertreiben soll. Darüber haben wir in unserer Vor-Ort-Reportage berichtet, in dem sich auch zahlreiche weiterführende Links zur Problematik um Gyöngyöspata finden.

red / varga

 

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