(c) Pester Lloyd / 49 - 2011 WIRTSCHAFT 09.12.2011
Sonderbehandlung
Erste Bank in Ungarn kündigt 450 Mitarbeiter und schließt weitere 43 Filialen
Die Erste Bank, die in Ungarn tief im Sumpf der Fremdwährungskredite steckt und zusätzlich durch staatliche Maßnahmen gebeutelt wird, hat ein klares Bekenntnis zur
Region abgelegt, Ungarn aber die Rute ins Fenster gestellt. Wegen unbotmäßigen Verhaltens der Politik, wird das Ungarngeschäft zurückgefahren. Dabei bleibt der
Bank eigentlich nichts anderes übrig als hart an der Erholung der Kunden mitzuarbeiten, will sie überhaupt irgendwann an "ihr" Geld kommen. UPDATE 10.12.
Kommen, kurz vor Weihnachten, doch versöhnliche Töne aus Wien? Vor ein paar Wochen,
als klar war, dass die neueste Finte der Regierung Orbán die Bank in Ungarn wieder ein paar hundert Millionen Euro kosten wird, klang alles noch etwas erboster. Erste Chef
Treichl, dem Ungarn seit der Lehman-Krise, dann der Bankensteuer, diverser Zwangsräumungsmoratorien und erst recht nach dem Forex-Kreditablösegesetz schwer im
Magen liegt, war der Initiator einer "Intrige" (O-Ton ungarische Regierung) gegen Ungarn, um es vor EU-Gerichten zu blamieren.
Kann das Wort “Ungarn” nicht mehr hören? - Erste-Chef Andreas Treichl
Doch das heute am "Tag des Kapitalmarktes" (Maria credita) ausgesandte "Bekenntnis"
zum Engagement in der Region ist nur ein Vehikel für die Ankündigung, dass man Ungarn einer Spezialbehandlung unterziehen wird. Zunächst wollte Treichl das Land mehr oder
weniger sich selbst überlassen und kündigte an, dass man dort nur noch Kredite aus vor Ort geschöpften Einlagen vergeben werde. Kein Wunder bei einer Kreditausfallquote, die
immer weiter steigt und mittlerweile an die 15% geklettert ist. Schon 2010 machte man in Budapest Verluste, dank fauler Kredite und schmerzhaft hoher Bankensteuern. Seit
Krisenbeginn hat man 17 Filialen geschlossen und Mitarbeiter entlassen, seit Mai managt Radovan Jelasity als Feuerwehrmann die ungarischen Problemtochter.
Nach einem Lob für die dynamische Region, der man treu bleiben werde, freut sich die
Erste über 17 Millionen Kunden in der Region, dann schießt sie die Drohung hinterher: "Natürlich werde man die Kostenstruktur an die realwirtschaftlichen Gegebenheiten
anpassen. Dies trifft vor allem auf Ungarn zu, wo es zu einer Restrukturierung und Redimensionierung kommen wird (Integration von Tochtergesellschaften in die Bank,
Redimensionierung des Filialnetzes um 43 Filialen (derzeit ca. 180) und eine Senkung des Mitarbeiterstandes um 400-450). „Wir bleiben aber auch in Ungarn weiterhin ein Partner
der Wirtschaft und sehen es als eine unserer Kernaufgaben an, der Wirtschaft Kredite zur Verfügung zu stellen“, ergänzte Treichl, natürlich ohne zu sagen, wieviele noch.
Weiter heißt es aus Wien: „Wir sind ein wesentlicher Teil der wirtschaftlichen und sozialen
Entwicklung dieser Länder." Hier hätte man vielleicht auch "Probleme" statt "Entwicklung"
einfügen müssen, wollte man die Wahrheit verbreiten. Aber darum geht es in solchen Schreiben nicht. Treichl meinte, dass es zu keinem Rückzug aus einem der CEE-Märkte
der Erste Group kommen werde: "Auch wenn es in manchen Ländern zu unorthodoxen wirtschaftspolitischen Maßnahmen gekommen ist und manche Länder für
wachstumsfördernde Maßnahmen mehr Zeit benötigen, werden wir dieser Region treu bleiben."
Dabei war Treichl in der Riege der österreichischen Jammerlappen schon von Anfang an
der weinerlichste. Man kann von Orbáns Politik und Weitsicht halten was man will, Fakt ist, dass die Banken aus reiner Gier und Angst vor Verdrängung durch Konkurrenten mit
ihren Frankenkrediten jahrelang bestens verdient haben und ganze Landstriche in Schulden verführten. Bonität oder ein wertschöpfender Kreditzweck waren längst keine
Kriterien mehr, es ging nur um Marktanteile und so wurde am Ende für jede Urlaubsreise und Waschmaschine ein Frankenkredit bereitgestellt, für Leute, bei deren Einkommen
man in Wiener Filialen eher den Sicherheitsdienst als den Kreditberater holt. Dabei hat die Bank jahrelang kräftig verdient und die Gewinne zum Ausbau der Marktstellung benutzt,
aber auch fleißig nach Wien transferiert.
Nun schießt Budapest zurück, rund 200 bis 400 Mio. EUR könnte das Gesetz über die
bevorzugte Forex-Kreditablöse allein die Erste kosten (bisher liefen noch relativ wenige Anträge ein), doch die Regierung will noch mehr und überlegt die Kassen zu öffnen, um
den öffentlich Bediensteten Forint in die Hand zu drücken, damit auch sie ihre Kredite auslösen können. Die Zentralbank wurde gerade angewiesen, Forint in den Markt zu
drücken, offiziell für Wachstum, aber auch, um die Lasten für die Forex-Sünden möglichst zu großen Teilen bei den Banken abzuladen. Da gibt es kein Mitleid, zu Recht.
Treichl reagierte auf jede Anmaßung aus Budapest stets pikiert und trotzig und bestätigte
so das von der ungarischen Regierung an die Wand gemalte Bild von der herzlosen, gierigen internationalen Finanzwelt, die es abzuschütteln gilt. Treichl hat, wie alle großen
Banken in Österreich, in Wien einen sehr kurzen Draht zur Macht, ja umgekehrt, eigentlich fragt in Wien die Politik die Banken, was gewünscht wird. Man ist die Macht. So
ist das hier Tradition. Dass war auch in Budapest nicht anders und als es einmal wieder umgekehrt lief, brachte das Treichl in Rage und machte ihn zu einem der Initiatoren, um
Ungarn vor EU-Gerichte zu bringen. Die Zustimmung zu Orbán hat sich seit den Wahlen halbiert, doch die Ablehnung des Gebahrens der Banken ist geblieben, auch Dank Erste-Chef Treichl.
Die Einigelungstaktik, die die Erste nun in Ungarn fährt, könnte der erste Schritt zum
Abschied aus dem Markt sein, aus dem man auch aus eigener kolonialer Überheblichkeit heraus, zu scheitern scheint. Raiffeisen, öst. Volksbanken, vor allem die österreichischen
Player zahlen heute einen hohen Preis, gerade weil sie sich in ihren alten "Kronländern" zu schnell wieder zu Hause gefühlt haben. Alle machten Verluste und bauten zurück, die
Volksbanken verkauften ihre Osttöchter gänzlich nach Russland, Raiffeisen steht ebenfalls vor lokalen Rückzügen. Alle müssen zudem Abermillionen aufbringen, um ihr Kernkapital
auf das von der EU verlangte Niveau von 9% anzuheben, allein die ERSTE braucht dazu fast 750 Mio. EUR, bei der Raiffeisen sind es Milliarden.
Von der ungarischen Regierung wird erwartet, dass sie vor allem die eigenen Häuser
protegieren wird und bald selbst aktiv ins (direkte) Kreditgeschäft zumindest für KMU einsteigt. Dass so für die Bürger und Unternehmen neben der fatalen wirtschaftlichen
Abhängigkeit auch noch eine politische Abhängigkeit kommt, ist ein Fakt, der wenig Raum zur Genugtuung auf einer der beiden Seiten gibt.
UPDATE, 10.12.: Mittlerweile hat sich auch Nationalwirtschaftsminister György Matolcsy
zu den Kürzungsplänen der ERSTE in Ungarn gäußert und zeigte sich enntäuscht. Die Bank hätte die angekündigten Gespräche zwischen Regierung und Bankenvereinigung abwarten
sollen, bevor sie “solche Schritte setzt”. Matolcsy meint, man sei ja gemeinsam auf der Suche nach “einem Fluchtweg aus den Forex-Schulden” und zwar für Kunden, Banken und
Staat. Doch einen Ausweg werde es nur bei gemeinsamer Verantwortung geben, so der Minister. Die Bankenvereinigung war in der Vergangenheit oft von überfallartigen
Schritten der Regierung überrascht worden. Meist gab es erst “Konsultationen” als die Banken bereits vor vollendeten Tatsachen standen.
Hintergründe im FINANZMARKT
red.
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