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(c) Pester Lloyd / 50 - 2011  NACHRICHTEN 12.12.2011

 

Freunde und Familie

Präsident von Ungarn ernennt Kandidaten für Richterposten und Datenschutz

Wie von der Fraktionsspitze der Regierungspartei Fidesz gefordert, hat der ungarische Staatspräsident Pál Schmitt am Wochenende "seine" Kandidaten für die wichtigsten Richterposten der neu geschaffenen "Kurie", einer Art judikativen "Wächterrates" in Nachfolge des Obersten Gerichtes, benannt. Dass eine Kandidatin die Ehefrau einer Fidesz-Größe ist, stört nur die Opposition. Der neue Datenschützer sieht sich als "unabhängig".

Nach den Vorschlägen von Präsident Pál Schmitt soll Péter Darak der Kurie vorstehen, Tünde Handó soll den Vorsitz im mächtigen  "Landesrichterrat" OBH (eine Art Gerichtskammer) übernehmen, der auch für weitere wichtige Postenbesetzungen und "Verfahrensregeln" zuständig sein wird.

“Meinen Kaffee nehme ich mit zwei Stück Zucker, Pál.” - Kommentar einer (linken) Satirezeitschrift zu den Machtverhätnissen in Orbáns Ungarn...

Bereits am heutigen Montag sollen die Kandidaten dem Parlament vorgestellt werden, am Dienstag soll ihre "Wahl" für neuen Jahre abgeschlossen sein. Während von der LMP-Opposition reservierte Zustimmung zu Darak avisiert wurde, sei die Ernennung von Tünde Handó "inakzeptabel". Der Umstand, dass Handó die Ehefrau des Fidesz-EU-Abgeordneten József Sájer ist, sei eine "Verletzung des Gebots der Unabhängigkeit", passe aber gut in das Streben von Premier Orbán, die Macht in Ungarn in einem "kleinen Freundeskreis" aufzuteilen, so LMP-Chef Schiffer. Auch die Art der "Konsulation" des Staatsoberhauptes mit den Fraktionsvertretern sei beschämend gewesen, man werde mit "diesem Mann nie wieder so etwas besprechen".

Der 48jährige Darak ist bereits seit 12 Jahren am Obersten Gericht tätig, gilt als Experte für Verwaltungs- und Zivilrecht und wurde bereits unter der ersten Fidesz-Regierung 1999 in das Oberverwaltungsgericht gewählt, seit 2005 übt er auch eine Professur an der ELTE Universität aus. Seit 2003 leitet er außerdem die Vereinigung der Verwaltungsrichter, einer Art Interessensvertretung. Er sieht sich als "primus inter pares" und möchte die "unvermeidliche Verjüngung und professionelle Erneuerung der ungarischen Gerichte beratend und kooridinierend begleiten".

Bereits zuvor wurde durch Gesetzesänderungen eine signifkante Veränderung der Zusammensetzung des Verfassungsgerichtes bewirkt. Durch eine Erhöhung der Postenzahl sowie die Senkung der Altersgrenze wird bald die Mehrheit der 15 Richterstellen bereits durch die neuen Machthaber “delegiert” sein. Zudem wurde das Verfassungsgericht in einer europaweit einmaligen Aktion eines Teils seiner Kompetenzen beraubt. Alle Entscheidungen, die “den Staatshaushalt betreffen”, berechtigen das Verfassungsericht mehr oder weniger nur och zur Meinungsäußerung. Erst wenn die Staatsschulden unter 50% des BIP liegen, darf das Gericht hier wieder mitentscheiden. Das soll angeblich ca. 2016 der Fall sein, Realisten sehen das nicht so.

Die Aufgabe der obersten Richterkammer OBH wird u.a. die Beschleunigung von Verfahren sein sowie die Erstellung "operativer Handlungsleitfäden" für Richter verantworten. Kandidatin Handó gilt als Spezialistin für Arbeitsrecht und hat eine leitende Tätigkeit bei der Europäischen Vereinigung der Arbeitsrichter vorzuweisen, gab Vorlesungen an der Budapester Privatuni CEU und war Vorsitzende des Budapester Landesarbeitsgerichtes. Ihr Mann war jener Fidesz-Abgeordnete, der sich rühmte, große Teile der neuen - und unter Demokraten scharf kritisierten Verfassung - auf seinem ipad fabriziert zu haben. Ihre Ernennung dürfte der "Implementierung" des feudalen, neuen Arbeitsrechtes, das mit Sicherheit eine Reihe von Prozessen nach sich zieht, dienlich sein.

Bereits ernannt wurde, wie erwartet, Attila Péterfalvi zum neuen obersten Datenschützer des Landes. Diesmal nominierte der Premier und der Präsident ernannte. Er wird einer neuen Datenschutzbehörde vorstehen, die die bisherige Ombudsstelle ersetzen wird. Péterfalvi war bereits Datenschutzbeauftragter der ersten Orbán-Regierung, übte den Job aber auch unter den Nachfolgern, bis 2007 aus. Man komme mit der Umwandlung "europäischen Rechtsanforderungen" nach, zudem habe die Behörde eine "größere Macht" und könnte bei "Missbrauch von persönlichen Daten", Strafen von bis zu 10 Mio. Forint (32.000 EUR) verhängen. "Durch rechtliche Garantien" und die lange Ernennungszeit sei seine neue Behörde "unabhängig", meinte Péterfalvi, der auch für neun Jahre bestellt ist. Sein Vorgänger, Ombudsmann András Jóri machte sich durch Kritik an einem mit Barcode gekennzeichneten "Fragebogen" zur "Nationalen Konsultation" der Regierung unbeliebt und verlor kürzlich seinen Posten.

Neben den Angehörigen von Kabinett und persönlichem Beraterstab, bei deren Ernennung häufiger als gesund, Treue vor Kompetenz gestellt wurde, wurden viele wichtige Schlüsselstellen des Staates mit Freunden und treuen Gefolgsleuten Orbáns besetzt, am signifikantesten dafür die "Bestellung" des politisch ambitionslosen Karrieristen, Pál Schmitt, zum Staatspräsidenten sowie die Ernennung des nationalistischen Hardliners, László Kövér, zum "überparteilichen" Parlamentssprecher. Auch Generalstaatsanwalt Péter Polt gilt als Orbán-Intimus.

In der Vorwoche hatte Fidesz-Fraktionschef, János Lázár, den Staatspräsidenten regelrecht gedrängt, “schnell die richtigen Kandidaten” zu bestimmen.

Zum Thema:

Oberster Richter in Ungarn fürchtet um seinen Job - Mai 2011
http://www.pesterlloyd.net/2011_20/20richterbaka/20richterbaka.html

Das Schweigen der Richter - Aug 2011
Unrecht oder nicht? Das ungarische Verfassungsgericht mag sich nicht entscheiden
http://www.pesterlloyd.net/2011_35/35verfassungsgericht/35verfassungsgericht.html

red.
 

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