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(c) Pester Lloyd / 04 - 2012      GESELLSCHAFT 25.01.2012

 

Für eine echte Republik

Jung, patriotisch, links: die 4K! will eine “vierte Republik” für Ungarn

Im Interview mit András Istvánffy von der Oppositionsbewegung 4K!, "Vierte Republik!", sprechen wir über den Irrsinn der Flat tax, den neuen rigiden "Bleibezwang" für Absolventen, das Lebensgefühl der Jugend, den gefährdeten Rechtsstaat, falsche Zwänge, den Ruf der EU in Ungarn, Respektlosigkeit gegenüber der Verfassung und die Frage, was "linkspatriotisch" bedeuten soll. Wird die neue Opposition in Ungarn irgendwann zur Aktionseinheit finden?

András Istvánffy ist häufig Redner auf den Veranstaltungen der neuen Opposition, am 15. März ist - trotz oder gerade wegen aller Behinderungsversuche der Regierung die nächste große Aktion geplant. Hinter ihm: die ungarische Flagge, befreit um das Emblem der “Volks”-Republik war das Zeichen des 1956er Volksaufstandes. Heute stört eine Orange in die Mitte (orange = Fidesz-Parteifarbe) und man schlägt die “Befreiung” Ungarns von diesen Früchtchen vor.

Die 4K!, deren Mitgründer und Frontmann András Istvánffy ist, versucht sich als neue linke, sozialdemokratische und "patriotische" Kraft zu etablieren und breitere Gruppen als die "verintellekutalisierte" LMP im Parlament anzusprechen, hat dabei aber deutlich jüngere und ideologiefreiere Wählergruppen im Visier als die althergebrachte MSZP und ihre Abspaltung DK. Wir begleiten den Prozes von Werden und Wachsen der Gruppe schon seit einiger Zeit, was im Internet und auf den Straßen begann, soll nun zu einer Partei reifen, die direkt in den Kampf um die Macht in Ungarn eingreift und sich für eine Republik stark macht, die wirklich res publica, eine Sache des Volkes ist. Wir trafen András Istvánffy in Budapest:

Pester Lloyd: Ihre Bewegung trägt schon im Namen den Anspruch, eine neue "vierte Republik" gründen zu wollen. Ist die heutige so unrettbar verloren, was werfen sie der Fidesz-Regierung von Viktor Orbán konkret vor?

András Istvánffy: Es sind ganze Tonnen von Kritik, die ich aufzählen kann. Es war einfach verrückt, in dieser Situation eine flat tax einzuführen, die ein großes und konkretes Loch ins Haushaltsbudget reißt und die Geringverdiener besonders belastet. Wir sind nicht nur aus Überzeugung gegen die flat tax und für ein progressives Steuersystem, sondern denken, dass man auch mit gesundem Menschenverstand sehen musste, dass ihre Einführung ein riesiger Fehler war.

Wir prangern aber auch den grundsätzlichen unverantwortlichen Stil der Fideszschen Wirtschaftspolitik an, die Art und Weise wie z.B. Sondersteuern erlassen wurden, wie der Staat sich die Rentenkasse genommen hat, all diese Maßnahmen und die Art ihrer Durchführung, haben natürlich ganz konkret zu der Verunsicherung der Märkte beigetragen, was wiederum den Markt für ungarische Staatsanleihen zum einfrieren und uns wieder in die Nähe eines Staatsbankrotts brachte.

Ihre Bewegung besteht aus vielen jungen Leuten, welche Probleme bewegen sie?

Ein gerade aktueller Punkt ist die sogenannte „Schollenbindung“ der jungen Leuten, also die Regelung mit der Studenten an Ungarn gebunden werden wollen. Ab dem Erhalt ihres Abschlusses müssen sie innerhalb der darauf folgenden 20 Jahre, das doppelte ihre Ausbildungszeit in Ungarn abarbeiten, d.h. wenn sie z.B. 5 Jahre studiert haben, müssen sie 10 Jahre hier bleiben. (...oder die komplette Ausbildung bezahlen, die Regelung dürfte aber EU-Recht nicht standhalten, Anm. d. Red.) Das ist jetzt fix verabschiedet worden, das steht fest. Dabei ist die Grundmotivation des Staates, nicht die Ausbildungsstätte für Westeuropa sein und vom eigenen Geld ausgebildete Arbeitskräfte verlieren zu wollen, eigentlich verständlich, aber diese Regelung ist völlig hirnlos und stellt einen Zwang her, ohne auch nur im Geringsten das Problem der Arbeitsplatzschaffung zu lösen.

Wie lässt sich in Zeiten der EU-Freizügigkeit dann überhaupt eine solche Abwanderung verhindern?

Die vielen jungen Menschen, die hier trotz guter Ausbildung keine Arbeit finden, versucht der Staat nun anzuketten, was praktisch bedeutet, dass sie, wenn sie nicht in ihrem Beruf arbeiten können, z.B. bei McDonalds landen oder in einem anderen völlig schlecht bezahlten Job, der nichts mit ihrer Ausbildung zu tun hat, das ist ein also ein absolut falscher Zwang. Die Regierung zieht überhaupt nicht in Betracht, wie ein Mensch sein Leben plant, und bringt einfach Gesetze hervor, die dann Tausende, in diesem Fall Studenten, in schwierige Probleme bringt.

Wie würden Sie die aktuelle Gefühlslage der heutigen ungarischen Jugend beschreiben?

Es gibt natürlich nicht ein großes gemeinsames Lebensgefühl, das kann man natürlich so allgemein nicht sagen. Aber es gibt eine weit verbreitete Desillusionierung und Enttäuschung, die natürlich unterschiedliche Auswirkungen haben kann. Politisch gesehen kann sie z.B. zu den Rechtsextremen führen. Oft führt sie aber einfach zu einem apathischen Zustand der jungen Leute, wobei ich hier positiv anmerken möchte, dass bei den aktuellen Demonstrationen auch viele junge Menschen teilnehmen.

Es ist eine Desillusionierung, die entsteht, weil es kein sicheres Zukunftsbild gibt, es ist nicht erkenntlich, dass dieses System, was jetzt läuft, und damit mein ich nicht nur die Orbán-Regierung, sondern allgemein, dass dieses System eine sichere Existenz garantieren kann oder nicht.

Was für alle Jugendlichen sehr bezeichnend ist, egal ob aus der Stadt oder vom Land, egal aus welcher Schicht, ist die Frage, ob man das Land verlassen oder bleiben soll, diese Frage stellt sich jeder. Darauf gibt es natürliche unterschiedliche Antworten, manche gehen für immer, manche wollen nur Geld im Ausland verdienen und kommen wieder zurück, manche gehen gar nicht, aber das ist eine dauernde Grundsatzfrage die auftaucht.

Die meisten zieht es in EU-Länder. Vorletzte Woche haben wir gesehen, dass die Jobbik eine EU-Fahne verbrennt, auf der Pro-Regierungsdemo am Samstag konnte man auch viel EU-Feindlichkeit spüren? Wie erklären sie sich diese offensichtlich in weiten Teilen der Gesellschaft verbreiteten Einstellungen und wie steht die 4K! zur Europäischen Union?

Wir glauben, dass die EU in der aktuellen Situation eine wichtige Rolle spielen kann, um zu verhindern, dass hier Schritt für Schritt ein autoritäres System aufgebaut wird. Aber es ist natürlich nicht die Aufgabe der EU Orbán irgendwie zu stürzen, dass muss unbedingt das ungarische Volk selbst auf demokratischem Wege vollbringen, denn wenn es irgendwie zu einer Situation mit dem EU und IWF kommen sollte, in der Orbán abtreten müsste, dann würden die Rechtextremen profitieren und dem Nationalismus in Ungarn würde ein sehr starker Weg geebnet werden. Orbán muss also unbedingt demokratisch abgelöst werden, die EU kann aber dabei helfen, dass in Ungarn nicht so ein russisches System ausgebaut werden kann.

Die 4K! Sieht das Verhältnis von Ungarn und der EU so, dass Ungarn grundsätzlich natürlich in die Europäische Union gehört. Als kleines Land, das wir nun einmal sind, können wir kein Interesse daran haben, hier einsam in einer mitteleuropäischen Knautschzone zu liegen. Bisher hat Ungarn unserer Meinung nach jedoch die Möglichkeiten der EU-Mitgliedschaft sehr schlecht ausgeschöpft, da gibt es viel Verbesserungsbedarf. Auch wünschen wir uns eine pragmatischere und sachlichere Außenpolitik, die dauernden Geplänkel mit unseren Nachbarn sind völlig überflüssig, gerade auch, weil wir eigentlich viele gemeinsamen Interessen haben, die wir mittelosteuropäischen Staaten gemeinsam in der EU viel besser einbringen könnten und uns in eine bessere Verhandlungsposition versetzten würde. Stattdessen zanken wir uns die ganze Zeit mit den Rumänen und Slowaken.

 

Können Sie sich vorstellen, dass sich das Verhältnis der ungarischen Gesellschaft gegenüber der Europäischen Union irgendwann wieder verbessert?

In Zeiten der EU-Krise ist es natürlich sehr schwer und unrealistisch, eine Verbesserung dieser Einstellung zu erwarten. Der Grund dafür, dass es keine wirkliche populäre Unterstützung für die EU in Ungarn gibt, liegt aber auch an ihrem sehr starken Demokratiedefizit, viele Menschen haben das Gefühl, dass die EU so ein überkomplexes bürokratisches Gebilde ist, dass über ihre Köpfe hinwegentscheidet. Dazu kommt in Ungarn, dass die EU von vielen mit den großen westlichen Ländern, also z.B. Frankreich und Deutschland, gleichgesetzt, wird, zu denen Ungarn historisch ein ziemlich diffuses Verhältnis hat, das spielt auch eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Jetzt bei der Demo am Wochenende hat man ja auch wieder gesehen, dass es nicht diese in Europa gewohnte EU-Kritik ist, wie man sie in vielen Ländern findet, sondern dass die Betonung der Unabhängigkeit Ungarns Unabhängigkeit, also all diese Habsburger-, Trianon- und Osmanenkomplexe zu Tage treten, die fordern, das Westeuropa gefälligst die Schnauze halten soll und Ungarn in Ruhe lassen soll, wie diese Leute es Teils formulieren.

Ist es aber nicht interessant, dass den Leuten nicht bewusst gemacht wird, wieviel Geld allein durch die EU nach Ungarn geflossen ist und dass viele Freiheiten, wie z.B. die Reisefreiheit, die heute schon als absolut selbstverständlich empfunden werden, erst durch die EU ermöglicht wurden?

Meiner Meinung nach sehen viele Leute die EU-Entwicklungsgelder in dieser Korruptionslogik, da in Ungarn auch viele EU-Gelder tatsächlich in solchen widersinnige Projekte investiert wurden, wo es letztendlich um Korruption ging, die dann auch öffentlichkeitswirksam durch die Presse gingen. Viele sehen also nicht, dass diese Gelder sinnvoll geflossen sind, sondern eher in diese Parteioligarchien hineinsickerten.

Aber in der jetzigen Situation, in der die Zukunft der EU ungewiss ist, und Fragen über die zukünftige Zusammensetzung, den Grad der Vergemeinschaftung und Zentralisierung, dem Europa der zwei Geschwindigkeiten aufgeworfen werden, verstärkt natürlich die Unsicherheit bei den Menschen, sie wissen nicht, wie dieses Szenario der EU-Krise und Euro-Rettung enden wird, da ist es natürlich gerade besonders schwer, ihnen die Vorteil der EU erklären zu wollen oder positive Gefühle zur EU hervorzurufen.

Zurück zur "vierten Republik". Wirtschafts- und Bildungspolitik kann man korrigieren, warum eine gänzlich neue Republik?

Nun, das einschneidenste an der heutigen Politik ist die neue Verfassung. Man kann doch eine Verfassung für eine ganze Gesellschaft nicht verabschieden, ohne die anderen politischen Akteure und die Öffentlichkeit mit in diesen Prozess einzubeziehen. Auch der Umgang mit dieser Verfassung ist unsinnig. Zum einen wird behauptet, die Verfassung sei für die Ewigkeit und löse endlich diese angeblich so zusammengeschusterte Nachwendeverfassung ab, aber schon vor der Verabschiedung hat das Fidesz sehr respektlos etliche die Tagespolitik betreffende Änderungen an dem Werk vorgenommen.

Fidesz respektiert also seine eigene Verfassung nicht, was zeigt, dass sie einen bestimmten Zweck erfüllen soll. Es gibt viele, konkrete Maßnahmen, die bedenklich sind: u.a. das Mediengesetz, die Beschneidung des Verfassungsgerichtshofs oder auch solche zufälligen Benennungen wie die Frau von Szájer (EU-Parlamentarier des Fidesz, Anm.) zur Obersten Richterin...

Ist der Rechtsstaat in Gefahr?

Ein Beispiel. Eine neue Regelung erlaubt es der Staatsanwaltschaft in Zukunft das Gericht frei wählen zu können, vor welches sie einen Prozess tragen möchte, was alles andere als eine Kleinigkeit ist. Gerichte haben unterschiedliche Gewohnheitspraktiken, so wird z.B. in Budapest ein Jugendlicher, der mit einer geringfügigen Menge Marihuana erwischt nicht gleich eingesperrt, sondern muss eine Strafe zahlen oder Sozialdienst leisten. Auf dem Land hingegen, gibt es Gewohnheitspraktiken, die den gleichen Jugendlichen sofort für das gleiche Delikt einsperren würden. Diese Regelung ist also wieder so ein Gummiparagraph, der theoretisch dazu geeignet ist, unliebsame Personen auszuschalten, man muss dazu nur den "richtigen" Richter finden...

Grundsätzlicher gesagt: das System Fidesz baut nicht auf einer Philosophie auf, die davon ausgeht, das ein berechenbares und stabiles rechtsstaatlich-demokratisches System am besten dafür geeignet ist, dass ein Land gut funktionieren kann. Es ist offensichtlich, dass der Fidesz kein solches stabiles neues Institutionensystem aufgebaut hat, sondern ein absolut flexibles, zerbrechliches und chaotisches Gerüst geschaffen hat, ein willkürliches Gefüge, dass garantiert, dass sie ihren Willen ohne Hindernisse durchsetzten können. Sie wollen keine Stabilität.

Wo wird die 4K! in Zukunft als Partei stehen wollen? Wozu braucht es jetzt auch noch eine 4K!-Partei?

Wir haben erkannt, dass wir, wenn wir irgendeine Art von Wandel erreichen wollen, die Parteiformation nicht umgehen können. Im jetzt neu entstandenem System habe die zivilen Gruppen erst Recht keine Möglichkeiten der Teilhabe mehr, früher, in der 3. Republik, gab es noch Beispiele für erfolgreiche zivilgesellschafliche Interventionen, wie z.B. im Falle der NATO-Radarerrichtung in Zengö, welches grüne NGO´s (übrigens auch ein konservativer Präsident, Anm.) verhindern konnten und auch viele andere Beispiel, in denen Bürgerinitiativen erfolgreich Einfluss auf politische Entscheidungen ausüben konnten und die staatlichen Institutionen noch auf solche Bewegungen reagiert haben. Mit Inkrafttreten des neuen Systems ist diese Möglichkeit nicht mehr vorhanden, es wäre ein schlechter Witz zu glauben, dass der Fidesz auch nur im Geringsten daran interessiert ist, auf zivilgesellschafliche Bewegungen zu reagieren. Wir müssen also ein Partei gründen.

Ihre ursprünglich auf Facebook gewachsene Bewegung 4K! will sich zu einer „linkspatriotischen“ Partei entwickeln. Was ist "linkspatriotisch"?

Unser Patriotismus-Begriff ist dem „nationalen“ Begriff genau entgegengesetzt zu verstehen, welcher ja das Hauptschlagwort der ungarischen Rechten ist und sich noch auf einen Nationalbegriff aus dem 19. Jahrhundert bezieht, und davon handelt, dass es so eine fiktive Blutbande zwischen den Staatsbürgern gibt, von der man zwar eigentlich weiß, dass sie fiktiv ist, aber als Basisvereinbarung trotzdem taugt. Unser Patriotismus-Begriff hingegen ist eine republikanische Idee, die ganz einfach auf dem Gedanken basiert, dass man sich deshalb mit einem Ort verbunden fühlt, weil man eben dort lebt und nicht aufgrund einer einer herkunftsabhängigen Identität. So einen Patriotismus brauchen wir deshalb, weil diese gerade erwähnte traditionelle nationale Mythologie weder die Roma miteinbeziehen kann, noch der zunehmenden Einwanderung nach Ungarn Rechnung tragen kann.

Denn diese fiktive Mythologie, dass wir alle, die wir heute hier sind, von Árpád abstammen und mit ihm vor über tausend Jahren hierher gekommen sind, kann man in der heutigen gesellschaftlichen Realität nicht mehr aufrecht erhalten, sie eignet sich nicht mehr für die gesellschaftliche Integration, wie sie es vielleicht früher einmal konnte. Wenn wir z.B. die Roma betrachten, die langsam 10% der ungarischen Gesellschaft ausmachen, und die sehr sichtbar „anders“ aussehen und man sich von Ihnen nicht vorstellen kann, dass sie mit Árpád vor 1000 Jahren angekommen sind, und im Falle der Einwanderer, z.B. ein Pakistaner, der Ungarn als seine neue Heimat betrachtet, was für eine gemeinschaftliche Identität kann dieser denn annehmen unter dieser fiktiven Erzählung? Für diese gesellschaftlichen Entwicklungen braucht es deshalb einen Patriotismusbegriff, welcher herkunftsunabhängig funktionieren kann.

Unter linkem Patriotismus verstehen wir ein gesundes Verhältnis zum Land, vor allem in Unterscheidung zu den bisherigen zwei starken Trends in Ungarn. Hier gab es zum einen eine vor allem bei liberalen oft verbreitete Einstellung, dass man sich für Ungarn schämen müsse, es bemitleiden müsse, da hinterwäldlerisch und voller Bauern sei, also unfähig an die großen Zivilisationen heranzureichen, vor den westlichen Ländern schämte man sich für die ungarischen Zustände. Die andere Seite wiederum, der extreme Nationalismus, sehen in den Ungarn eine Herrenrasse, welche diesen dreckigen Rumänen, Slowaken usw.. entgegengesetzt sind und all diese Themen. Wir wollen quasi zwischen diesen extremen, einfach ein gesundes Verhältnis zum eigenen Land, dass sich weder für besser noch für schlechter hält.

Die Opposition ist momentan sehr gespalten, sind die Chancen eines großen oppositionellen Zusammenschlusses, der ja von vielen Seiten, u.a. auch von ihnen in ihrer Rede am 23. Oktober, immer wieder gefordert wird, wirklich realistisch?

Der oppositionelle Zusammenschluss ist zunächst einmal unausweichlich, er ist die Grundvoraussetzung dafür, den Fidesz abzulösen. Auch das neue Wahlgesetz zwingt die Opposition dazu sich zu vereinen. Wenn die demokratische Opposition in den Wahlkreisen ein Mandat erreichen will, dann darf sie eben nur einen Kandidaten nominieren. Klar ist aber, dass es wohl ein holpriger Weg bis dahin sein wird, schließlich haben wir hier diese alten Akteure, die u.a. auch in politischer Hinsicht Lasten bedeuten, andererseits ist die gesellschaftliche Vorstellung, dass es doch sehr starke Unterschiede innerhalb der unterschiedlichen Parteien gibt, z.B. dadurch, was die LMP ja macht, dass man nicht mit der MSZP, Bajnai, usw..zusammenarbeiten will, weil die Gesellschaftsphilosophie der LMP eine andere sei. Aber ich glaube, wie gesagt, dass hier ein Zwang existiert, der es ermöglichen kann, sich auf ein minimales gemeinsames republikanisches Programm zu einigen.

Aktuell wissen viele Ungarn nicht, welche Partei sie wählen würden, viele wenden sich ganz von den Parteien ab. Welche dieser enttäuschten Wählerschichten möchten die 4K! ansprechen und warum sollten sich diese Wähler, gerade von ihnen angesprochen fühlen, womit werden sie sich von den anderen Parteien klar abgrenzen?

Dass die Wähler heute unsicher sind, liegt aber auch daran, dass sie sich noch kein konkretes Szenario der Opposition vorstellen können, welche den Fidesz ablösen könnte. Noch gibt es schließlich kein oppositionelles Bündnis. Wir wissen aber, das es normalerweise nicht so ist, dass viele kleine Elemente viele ansprechen, sondern erst dann wenn ein großes Ganzes, also zum Beispiel ein Bündnis vorhanden ist, dieses die Wähler wiederum viel mehr anspricht. Wenn sich die Opposition einigen kann, dann entsteht auch wieder dieser Glaube bei den Menschen, dass sich tatsächlich etwas verändern kann, das wäre für die Wähler wieder reizvoll.

Die 4K! will zunächst vor allem eine Partei der jungen Menschen sein, aber auch eine sozialdemokratische Partei, welche die Arbeitnehmer, die unteren Gesellschaftsschichten, die Arbeitslosen und die ausgegrenzten gesellschaftlichen Gruppen ansprechen will.

Wie sehen die nächsten Schritte der 4K! Aus?

Im Mai wird der Parteigründungsprozess abgeschlossen. Die 4K! wird sich auch wieder in irgendeiner Form an der Milla-Demo am 15. März beteiligen. Ansonsten widmen wir uns momentan vor allem den praktischen Problemen und Schwierigkeiten, die die Bildungsreform gerade an den Hochschulen und bei vielen Studierenden verursacht, da sie dieses Jahr in Kraft treten soll und bereits jetzt ein Riesenchaos für alle Betroffenen bedeutet.

 

Das Gespräch führte Christian-Zsolt Varga

Links zum Thema (Auswahl):

Offizielle Webseite der 4K!
http://negyedikkoztarsasag.hu/

Ungarischer Frühling? - Jan 2012
Solidarität gegen die neue Angst in Ungarn
Interview mit dem Chef der Szolidaritás-Bewegung, Péter Kónya
http://www.pesterlloyd.net/2012_03/03konya/03konya.html

Für die Republik - Okt. 2011
"Das System gefällt mir nicht" - Der Widerstand gegen die Regierung in Ungarn wächst
http://www.pesterlloyd.net/2011_43/43demorepublik/43demorepublik.html

"Vierte Republik" legt Parteiprogramm für Machtwechsel in Ungarn vor
http://www.pesterlloyd.net/2011_51/514Kprogramm/514kprogramm.html

Regierung will Oppositionsdemos verhindern
http://www.pesterlloyd.net/2012_03/03demoblkade/03demoblkade.html

Die Republik der Bürger - Juni 2011
Bürgerprotest und neue Opposition in Ungarn - Teil I
http://www.pesterlloyd.net/2011_23/23republik1/23republik1.html

 

 

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