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(c) Pester Lloyd / 04 - 2012      POLITIK 26.01.2012

 

Die Phantom-Kommission

Universität prüft nun doch die Doktorarbeit des Präsidenten von Ungarn

Die Budapester Semmelweiß-Universität hat eine Kommission zur Prüfung der Doktorarbeit von Staatspräsident Pál Schmitt einberufen, wie der Dekan der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität, Miklós Tóth, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz mitteilte. Die Kommission werde die „Umstände des Zustandekommens“ der Doktorarbeit im Zusammenhang mit den in der ungarischen Presse aufgeworfenen Plagiatsanschuldigungen überprüfen und das Ergebnis am 28. März bekannt geben. Die Mitglieder der Kommission bleiben bis dahin anonym.

Tóth erklärte, dass „im Interesse der ungestörten und unabhängigen Prüfung... der Universitätsdekan die Namen der Kommissionsmitglieder erst mit der Bekanntgabe des Ergebnisses der Überprüfung bekannt geben wird“, informierte jedoch darüber, dass die Kommission aus fünf ungarischen Experten bestehe, deren Auswahl ausschließlich aus fachlichen Gründen vorgenommen wurde und sich sowohl aus Sprach-, Rechts-, Sport- und Gesellschaftswissenschaftlern zusammensetze.

Wenn die Phantomkommission Präsident Schmitt den Spiegel vorhält,
könnte sein Kopf auf einem Silbertablett landen. Foto: KEH

Tóth schloss nicht aus, dass die Kommission im Laufe der Prüfungsphase auch noch internationale Experten zu Rate ziehen werde und betonte, dass die Kommissionsmitglieder sich nicht selbst gemeldet hätten, sondern von der Universität angefragt wurden und sofort zugesagt hätten. Den langen Untersuchungszeitraum begründete Tóth damit, dass die Entscheidung der Kommission eine von großer Bedeutung sei und die Universität die nötigen Konsequenzen aus dem Ergebniss ziehen müsse, man deshalb ausreichend Zeit benötige.

 

Tóth wollte sich nicht zu der Frage äußern, wie diese Konsequenzen im Falle der Plagiatsfeststellung genau aussehen würde und teilte lediglich mit, dass „man das Ergebniss erst abwarte und sich nicht im Vorfeld an Spekulationen beteiligen werde“, aber dass ihm bisher kein solcher Fall in der Geschichte der Universität bekannt sei „indem ein Doktorgrad wieder aberkannt wurde“.

Das ungarische Wochenblatt HVG hatte Anfang Januar erste Plagiatsanschuldigungen gegen den ungarischen Staatspräsidenten erhoben, nachdem man in seiner Doktorarbeit über die „Olympischen Spiele der Neuzeit“ eine Vielzahl von wörtlichen Übereinstimmungen mit der Doktorarbeit des bulgarischen Sportwissenschaftlers Nikolaj Georgiev gefunden habe, welche dieser in den 80er Jahren geschrieben hatte. Schmitt verteidigte sich daraufhin in einem Interview gegenüber dem Kossuth-Radio, indem er behauptete, dass die Übereinstimmungen darauf zurückzuführen seien, dass er und Georgiev mit den gleichen Quellen gearbeitet hätten, von den 180 Seiten, die HVG als Plagiate entdeckt haben soll, habe er ohnehin nur 30-35 Seiten selbst geschrieben, der Rest seien Zitate. HVG hatte daraufhin innerhalb dieser 30-35 von Schmitt genannten Seiten erneut fragwürdige Stellen entdeckt, diesmal seien von dem deutschen Wissenschaftler Klaus Heinemann ca. 18 Seiten wortwörtlich abgeschrieben worden.

Die heutige Entscheidung der Semmelweiss-Universität kommt für viele Beobachter sehr spät, als Grund für die zögerliche Haltung der Universität wird die politische Brisanz des Falles vermutet. Zahlreiche Wissenschaftler hätten laut Quellen der linksliberalen Zeitung „Népszabadság“ eine Teilnahme an der Kommission wegen der politischen Brisanz ausgeschlossen, laut Informationen des HVG sei noch letzte Woche auf der Dekanatssitzung darüber nachgedacht worden, die Angelegenheit bis in den Herbst zu verschieben. Die HVG habe jedoch erfahren, dass der Druck auf die Universität, den Ruf der Institution nicht zu beschädigen, im Verlauf der letzten Woche stark zugenommen habe und man sich daher nun zu einer schnelleren Bearbeitung des Falles entschlossen habe.

Bei einer Demonstration vor dem Präsidentenpalast am Samstag hatten bereits ca. 200 Demonstranten Schmitts Rücktritt gefordert. Viele politische Beobachter, unter anderem auch der Pester Lloyd, bezweifelten jedoch wegen der herrschenden Machtkonstellation und -attitüde einen Rücktritt des Präsidenten bisher, da dieser einen erheblichen Schaden für die Regierung darstellen würde und zudem Schmitt als „Stempelkissen“ für die reibungslosen Gesetzesverabschiedungen der Fidesz-Regierung nützlich ist. Mittlerweile kursierten in der ungarischen Presse auch Gerüchte über eine interne Kampagne einiger Fidesz-Politiker, die den Präsidenten, der auch aus anderen Gründen schon zur Witzfigur geworden ist, lieber absägen wollen, als der Opposition weitere Angriffsfläche zu bieten.

Der bekannteste ungarische Politikwisschenschaftlerm Gábor Török bezweifelte diese Verschwörungstheorien kürzlich in einem Interview, wies jedoch darauf hin, dass es, falls sich die Plagiatsvorwürfe erhärten, durchaus im Interesse des Fidesz sein müsste, Schmitt loszuwerden, da dieser der Regierung dann mehr schade als nütze. Török sagte, dass es daher eigentlich im Interesse der Opposition sei, wenn Schmitt im Amt bliebe. Ein baldiger Rücktritt Schmitt´s sei daher alles andere als unrealistisch.

Varga

 

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