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(c) Pester Lloyd / 05 - 2012      WIRTSCHAFT 04.02.2012

 

Die Geier kreisen

Ungarn ohne Malév - Wie geht es weiter?

Noch war die letzte Turbine nicht kalt, da kreisten schon die Konkurrenten am Himmel über Budapest. Sie sehen ihre Stunde gekommen, staatlich blockierte Marktanteile zurückzugewinnen. Nach 66 Jahren musste die Malév ihren Betrieb am Freitag einstellen, der Schuldendruck war einfach zu hoch. Doch auch Orbán weiß, dass in diesem Alter das Leben erst anfängt und plant schon eine "neue nationale Airline". Dutzende Gläubiger, tausende Beschäftigte haben erstmal näherliegende Wünsche, vor allem haben sie Angst. Der Tag in Budapest.

Um 6 Uhr teilte das Management auf der Webseite der Malév lapidar mit, dass die Geschäftspartner unverständlicherweise Vorauskasse verlangten und das Subventionsverbot der EU der Airline keine Mittel mehr zuführt. Das ist zwar nicht einmal die halbe Wahrheit, aber “man müsse alle Flugbewegungen sofort einstellen.” Hier unsere Meldung vom Morgen sowie eine Schilderung der jüngeren Geschichte der Malév.

Nichts geht mehr. Check-in-Schalter am Budapester Flughafen heute morgen.

Große Koalition des Versagens

8.30 Uhr, Ministerpräsident Orbán spricht im Radio: Ein Neustart von Malév ist möglich, eine nationale Airline ist immer noch wünschenswert, angesichts der europäischen- und weltweiten Wirtschaftskrise ist es jedoch momentan schwer einen Investor zu finden, der die Malév zumindest ohne Verluste weiterbetreiben könne. Orbán bezeichnete den Entschluss der EU-Kommission, der ungarischen Regierung zu verbieten, Malév weitere staatlichen Hilfen zukommen zu lassen, als finalen Todesstoß für die Airline. - EU-Gerichte hatten eigentlich zunächst nur die Zuschüsse in den Jahren 2007-2010 verboten, als die Malév in Privatbesitz war. Aber EU-Bashing ist allemal besser als auf eigenes Versagen hinzuweisen, dabei trifft das Gros der Schuld eigentlich die sozialliberalen Vorgängerregierungen.

Wie weiter? Malév-Mitarbeiter bekommen die schlechte Nachricht Freitagmorgen in einem Hangar übermittelt... Foto: Budapest Airport

Ex-Premier Gyurcsány erklärte, “nur Orbán” sei Schuld. Eine ziemlich dumme Bemerkung, wenn man bedenkt, an welchen Hazardeur er 2006 die Fluglinie verscherbelt hatte. Einen zwielichtigen russischen Oligarchen, dem sofort mit der Lehman-Krise das Geld ausging. Und die Rückverstaatlichung unter Bajnai beinhaltete auch keine wirkliche Sanierung, man vertagte das Problem und zahlte dafür teuer. Der Sager von Gyurcsány war dann auch wieder eine Steilvorlage für die Fidesz-Sprecherin, Gabriella Selmeczi: “Die heutige Stellungnahme von den Gyurcsánys ist die Fortsetzung ihres Öszöder Wegs (Ort der berühmten Lügenrede), also ihrer schamloser Lügnerei, mit welcher sie die Verantwortung für ihre eigenen Mißgriffe auf andere zu schieben versuchen... Die MSZP-Regierung hat im Falle der Malév die wohl misslungenste Privatisierung der letzten zwanzig Jahre vorangetrieben...“ etc. etc., im übrigen werde sich der Sonderkommissar für die Aufarbeitung der Vergehen der Vorgänger, Gyula Budai, der Sache annehmen.

Die letzte Malév-Maschine am Himmel. Hier bei ihrer Landung nach dem Flug von Helsinki. Fotos: MTI

Tausende Mitarbeiter und Zulieferer bangen um Geld und Jobs

Während das politische Budapest sich also auf die Suche nach den Schuldigen macht, um politisches Kleingeld zu wechseln und sich selbst reinzuwaschen, obwohl man in diesem Falle von einer Großen Koalition des Versagens sprechen kann, bangen 2.600 Mitarbeiter der Malév um ihre Jobs, hunderte Zulieferer werden wohl maximale Abschläge auf ihre Rechnungen hinnehmen müssen, was auch dort zu Kündigungen führen muss. Auch der Airport verliert seinen wichtigsten Kunden, der rund 45% der Gebührenumsätze generierte, die einspringenden Mitbewerber können nun ihre Konditionen diktieren.

Wie bekannt wurde “sicherten” verzweifelte Malév-Mitarbeiter ihre Habe in den Bürogebäude aus Angst vor dem Insolvenzverwalter und einer bevorstehenden Absperrung der Gebäude. Die ungarische Pilotenvereinigung HUNALPA ging die Sache pragmatisch an und meinte, die Piloten werden auf jeden Fall gute Angebote im Ausland annehmen können, viele seien nur in Ungarn geblieben um das Land repräsentantieren zu können..

Der gerichtlich bestellte Konkursverwalter Balázs Fábián, Vorstandschef János Berényi, und Aufsichtsratsschef Lóránt Limburger auf der Pressekonferenz am Freitagmorgen in Budapest.

 

Viele Passagiere standen am Freitag ratlos an den Check-in-Schaltern in Ferihegy, andere sitzen nun auf ihren bezahlten Tickets müssen hoffen, dass der Konkurrenzkampf der Konkurrenten ihnen gute Angebote beschert. Danach sieht es im Moment auch aus. Mehrere Fluggesellschaften, wie z.B. Wizzair, Austrian Airlines und Hainan, haben auf die Nachricht des Malév-Bankrotts versprochen, sowohl die Inhaber von Malév-Tickets, die heute von dem Flugstopp betroffen sind - nach Aussage des Malév-Vorstandvorsitzenden János Berényi aktuell 3700 Reisende im Ausland und 3500 am Budapester Flughafen -  wie auch die Inhaber von Malév-Tickets für die kommenden Wochen und Monate zu ermäßigten Preisen aufzunehmen, in manchen Fällen wurde die Bereitstellung größerer Maschinen angedeutet. Auch das internationale ungarische Busfahrtunternehmen Volánbus erklärte sofort, internationale Fahrten für Inhaber von Málev-Tickets zum halben Preis zu verkaufen.

Hat gut lachen: der Chef der Ryanair, die sich vor Monaten wegen überhöhter Airport-Tarife aus Budapest zurückgezogen hatte, könnte nun in die Lücke stoßen und versucht durch Kampfpreise an die Marktanteile zu kommen. WizzAir ebenso und viele andere Billigairlines wittern nun Morgenluft. Wie Premier Orbán dort “seine” neue “nationale Airline” platzieren will, bleibt sein Geheimnis.

Neuordnung des ungarischen Flugmarktes

Bezüglich der plötzlich frei gewordenen Marktlücke verkündete die ungarische Billigairline Wizzair, ihre Kapazitäten zu erhöhen, Ryanair will wieder mitspielen, bereits ab kommenden Montag, den 6. Februar 2012, wird Lufthansa Budapest zusätzlich mit jeweils einem täglichen Flug von Hamburg und von Berlin verbinden, Air Berlin will von nun an einmal mehr täglich fliegen.

Die tschechischen Airline Smartwings, welche im Laufe der letzten Monate ihr Interesse an einer möglichen Übernahme der Malév bekundete, distanzierte sich heute von einer Malév-Übernahme, man werde jedoch auch mit einer Erhöhung der Flugzahl und eventuell vereinzelten neuen Routen einen Teil der Lücke zu schließen versuchen.

Wizzair kommt mit Kampfpreisen

Die ungarische Billigairline Wizzair gegründet, kündigte als Antwort auf die Pleite sogleich eine Kapazitätenerhöhung von 66% in Ungarn und auch eine neue Route nach Bukarest an. Desweiteren habe man Routen nach Moskau, Istanbul, Kiev und Tel Aviv ins Auge gefasst, wie der Geschäftsführer József Váradi, übrigens eine Ex-Malév-Vorstand, auf einer Pressekonferenz am Freitag mitteilte. Die Wizzair-Flotte werde ab Ende März von momentan drei auf fünf Flugzeuge erhöht werden, dabei würden 700 neue Arbeitsplätze entstehen. Die wöchentliche Flugquote werde von 67 auf 129 erhöht werden, man plane daher für das laufende Jahr mit 2 Millionen Passagieren (2011: 1,4 Mio.). Váradi fügte hinzu, dass Wizzair jedoch sicherlich nicht die einzige Airline ist, welche die plötzlich entstandene Marktlücke zu schließen versuche: „Wizzair will die Malév nicht ersetzten, wir werden unsere Geschäftsmodell nicht ändern und versuchen mit unseren begrenzten Mitteln das Beste aus der Situation rauszuholen.“ Wizzair bietet den Ticketinhabern von Malév ermäßigte Tickets für 9990 Forint an, das Angebot ist auf 50.000 Tickets limitiert.

Ryanair will möglichst viele Mitarbeiter übernehmen

Um 13.30 Uhr war es dann auch soweit, die weltweit größte Billigairline Ryanair machte auf einer Pressekonferenz im Budapester Interkontinental Hotel ihren Anspruch klar, als Big Player die Marktklücke schließen zu wollen. Die irische Airline hatte erst im Jahr 2010 ihren Flugverkehr nach Budapest aufgrund der zu hohen Forderungen des Budapester Flughafens ihre Flüge in die ungarische Hauptstadt eingestellt, nun wartete ihr stellvertretender Generaldirektor Michael Cawley mit dem „Rettungsplan für den ungarischen Tourismus“ auf und gab bekannt, dass Ryanair ab dem 17. Februar eine Basis in Budapest (wieder)gründet. Zunächst werden drei, im Laufe des Märzes dann vier 737-800 Boeings zur Verfügung stehen. Ab sofort können bereits Tickets für Flüge ab dem 17. Februar gebucht werden.

Über Nacht habe man dieses Rettungsplan beschlossen und werde in Zukunft 31 europäische Linien von und nach Budapest anbieten. Cawley bezeichnete die Malév als „endgültig gestorben“, als Teil der europäischen Flugcommunity sei man „sehr traurig“, dass eine der ältesten europäischen Airlines schließen musste, formulierte er diplomatisch. Ihr veraltetes Geschäftsmodell, sei ein falsches Modell gewesen, mit ineffizienten Arbeitspraktiken und hohen Preisen.

Die gute Nachricht sei jedoch, dass es einen „sanften Übergang“ von der Málev zu Ryanair geben würde, „hunderte bis tausende Mitarbeiter der Malév könnten einen Job bei der besten Airline bekommnen“, am Dienstag plane man einen „Tag der offenen Tür“ für Malév Mitarbeiter. Für die Basis werde man sofort zunächst 250 einstellen, da man mit einer Pasagierzahl von 2 Millionen kalkuliere, rechne man mit dem Erhalt von 2000 Arbeitsplätzen am Budapester Flughafen. Auch Wizzair werde bald „crashen“, da sie zu teuer sein, verkündete Crawley, und erklärte sogleich, dass man den Malév-Ticketinhaber 50% des Wizzair-Preise die Tickets verkaufen würde.

Der letzte macht das Licht aus. Malév-Mitarbeiter am Freitagmorgen. Foto: Budapest Airport

Wozu eine “nationale” Fluglinie?

Wie auch immer sich der Flugmarkt über Budapest neu sortiert, am Ende wird es für den “Wunsch” von Premier Orbán, eine neue “nationale Fluglinie” zu etablieren, sehr eng werden. Letztlich kann sich diese, aufgrund der Zeit, die sie zum set up braucht, nur wieder zu spät einreihen und nur durch staatliche Protektion an Marktanteile kommen. Denkbar ist auch die Version, dass die Filetstücke der Malév “entschuldet” werden, damit ein Partner einsteigt. Ein Vorgehen, das schon der Malév nicht half und so vielen anderen nicht half, deren wirtschaftliche Stunde nunmal geschlagen ist. C´est la vie. Ist eine “eigene, nationale” Fluglinie wirklich nötig? Wofür? Für das Land oder für die Eitelkeit seiner Repäsentanten? Diese Frage sollten sich die Verantwortlichen, sobald die Turbinen wirklich kalt und die Schulden hoffentlich bezahlt sind, einmal in Ruhe stellen.

Varga / red.

UNSERE EILMELDUNG vom 3.2., 7.18 Uhr

Grounding nach 66 Jahren - Ungarische Malév stellt Betrieb ein

Am Freitag, 3. Februar, hat die ungarische Fluglinie Malév um 6 Uhr nach 66 Jahren ihren Flugbetrieb, sofort, weltweit und vollständig eingestellt. Dies erklärt das Management in einer Mitteilung, der ansonsten ebenfalls stillgelegten Webseite mit www.malev.hu.

Der Schritt hatte sich in den letzten Tagen angekündigt, nachdem der Staat als Mehrheitseigner zunächst eine notwendige Kapitalerhöhung ausließ, die Airline als "nationales Interesse" unter Insolvenzschutz stellte und gestern per Gericht ein Zwangsverwalter zugewiesen wurde.

Während der Vorstand ständig beschwor, "wir hoffen, dass wir auch noch morgen fliegen", war uns klar, dass die Pleite gewollt ist, um sich der Schulden zu entledigen und die Filetstücke später an einen "strategischen Investor" veräußern zu können.
Siehe dazu:
Gleitflug in die Pleite: Mit Dekreten und Tricks will Ungarn die Malév "retten"

Die Anweisung zur Stillegung und Einstellung aller Aktivitäten kam - laut Mitteilung - vom Aufsichtsrat, "um die Schäden zu minimieren". Man bedankt sich bei Mitarbeitern und Passagieren für das Vertrauen und kann sich wieder einen Seitenhieb gegen die EU nicht ersparen. Diese habe Staatshilfen als wettbewerbswidrig verurteilt und damit verhindert, dass "die Malév an die nötigen finanziellen Mittel" kommt. "Vor diesem Hintergrund" sei dem Management nichts anderes übrig geblieben. Diese Bemerkung ist, schaut man sich die Geschichte von Privatisierung und Rückverstaatlichung an, eine ziemliche Unverschämtheit, passt aber zum ideologischen Grundton im heutigen Ungarn.

Letztlich scheiterte die Malév am Anspruch, "nationale Fluglinie" sein zu sollen. Daher musste sie Aufgaben erfüllen und Linien bedienen, die jeder wirtschaftlichen Vernunft widersprachen, außerdem war das Management über weite Strecken unfähig, die Einmischungen der verschiedenen Regierungen gab der Malév dann den Rest. Zwischen Low cost Carrierern und großen Konkurrenten fand sie letztlich weder regional noch auf Langstrecke ihren Platz.

Die Malév beschäftigte zuletzt rund 2.600 Mitarbeiter und ist für rund 45% des Umsatzes des Airport Budapest (Hochtief) verantwortlich. Über die weiteren Entwicklungen wird der Pester Lloyd zeitnah berichten.

Gestrandete Reisende können sich über ihre Rechte und Rückreisemöglichkeiten infomieren. In Ungarn: 06-40-21-21-21, Aus dem Ausland: +36-802-11-11. Binnen drei Tagen kann man mit Malév-Tickets, zum Zwecke der Rückreise, auch auf andere Linien umbuchen, der Staat steht außerdem mit einem Notfonds bereit.

red.

 

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