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(c) Pester Lloyd / 05 - 2012      WIRTSCHAFT 31.01.2012

 

Gleitflug in die Pleite

Mit Dekreten und Tricks will Ungarn die Malév "retten"

Rettung durch Pleite? Die ungarische Regierung könnte versucht sein, sich durch eine Art "gesteuerte Insolvenz" von einem Teil der auf der Airline Malév lastenden Schulden und Verbindlichkeiten zu befreien. In einem wirtschaftlichen "Patriot Act" hat man die Malév quasi zum nationalen Kulturerbe erhoben. Der finanzielle Crash könnte dennoch nur eine Frage von Tagen und Wochen sein, um bald den entschuldeten Unternehmenskern an einen Investor zu verkaufen.

1. Hilfsentzug

Die Neverending-Story der "nationalen Fluglinie" spitzt sich derzeit zu einem neuen Höhepunkt zu. Nachdem die neuen staatlichen Malév-Eigner auch den letzten international erfahrenen Fachmann aus dem Vorstand vertrieben haben, können die politischen Funktionäre und Beamten schalten und walten, wie ihnen beliebt. Ende letzte Woche unterließ es die Hauptsversammlung der Eigentümer (95% Ungarn, 5% VEB Bank, Russland) eine dringend notwendige Kapitalerhöhung vorzunehmen, woraufhin Vorstandschef Limburger am Montag erklärte, dass man ab "Ende Januar nicht weiß, woher man den Betrieb finanzieren" soll. Das wäre heute.

 

2. Kassensturz

Aufsichtsratschef und eigentlicher starker Mann, Berenyi, wies daraufhin einen Kassensturz an, "um sich ein Bild über die liquiden Mittel machen zu können.", offenbar ist er der einzige, der nicht weiß, dass die Kassen leer sind. Auch eigenartige Anmerkungen des sachfernen Orbán-Sonderkommissars für "die Abrechnung mit den Vergehen der Vorgänger", der gerade einige Ex-Minister wegen Ungereimtheiten bei der Privaitisierung 2006 an den Staatsanwalt ausliefern soll, sorgten für Verwirrung. Er merkte an, dass die Malév vor großen Problemen steht, die sich in den nächsten Tagen zuspitzen könnten.

3. Insolvenz-Schutz

Gleichzeitig erklärte die Regierung am Montagmorgen die Fluggesellschaft per Dekret zu einem „Unternehmen von höchster strategischer Bedeutung“, woraufhin es Gläubigern unmöglich gemacht wird, ein Insolvenzverfahren gegen die Malév einzuleiten. Ein Schachzug, der übrigens nur aufgrund einer neuen Gesetzgebung unter dieser Regierung möglich wurde und die Gläubiger in eine sehr schwache Verhandlungsposition bringt. Die Malév gilt im übrigen hier nur als ein Präzedenzfall, an dem man die Wirkungsweisen dieses wirtschaftlichen "Patriot Act" einmal ausprobieren kann, auch wenn offiziell weiter erklärt wird, dass man die Pleite eben gerade verhindern will. Doch das derart geänderte Insolvenzrecht, unter das die Malév nun gestellt wurde, sieht auch eine "beschleunigte Insolvenzabwicklung" über den Amtsweg vor.

4. Kaltsanierung

Sollte die Regierung sich daran versuchen, die Malév auf diese Weise zu "entschulden", um die Filetstücke dann an einen "strategischen Investor" bringen zu können, könnte sie eine Reihe inländischer Gläubiger zu weitreichenden Zugeständnissen und Nachlässen "bewegen", da diese sonst ewig und mutmaßlich ohne Aussicht auf Erfolg auf ihr Geld warten müssten. Mit ausländischen Gläubigern ist das nicht ganz so einfach, denn lt. EU-Recht können offene Rechnungen in jedem EU-Land eingeklagt werden, mit den entsprechenden Rechtstiteln würden im schlimmsten Falle Malév-Maschinen auf europäischen Flughäfen beschlagnahmt werden. Eine über das neue Gesetz beschleunigte Insolvenz und die Gründung eines neuen Unternehmens könnte das verhindern, die Maschinen müssten nur umgemeldet werden, so das Kalkül der Regierung, das anderereseits nun aber auch zu beschleunigtem Handeln der Gläubiger führen könnte.

5. Investorensuche

Gleichzeitig versuchte das Management nämlich hektisch, sich mit einem amerikanischen Leasingunternehmen zu einigen, um die Anmietung einiger Maschinen für Langstreckenflüge sicherzustellen, was aufgrund ausufernden Zahlungsverzuges in Gefahr war. Alle Anzeichen der letzten Tage weisen daraufhin, dass der "forcierte" Crash der Malév kurz bevorsteht, womöglich auch, weil bereits ein "weißer Ritter", zumindest für die Flotte und den Flugbetrieb bereit steht, zuletzt hatte ein spanischer Low Cost Carrierer Interesse gezeigt, zwar nicht unbedingt das, was man sich in Budapest unter dem "strategischen Investor" für ein Unternehmen "von herausragender nationaler Bedeutung" vorstellt, aber besser als nichts ist es allemal.

Sieht so die Malév aus, wenn sie gesundgeschrumpft wurde? Hauptsache man hat eine “nationale Fluglinie”. Oder?

Malév in Kürze: Gescheiterte Privatisierung - unbezahlbare Zukunft

Die nationale Fluglinie Malév wurde 2006 an einen russischen Oligarchen privatisiert, einige Begleitumstände der damaligen "Abwicklung" sind heute Thema für die Staatsanwaltschaft und eine politisch motivierte Aufarbeitung. Dieser Investor kam seinen Investitionsverpflichtungen aus dem Privatisierungsvertrag kaum nach, mit der Lehman-Krise ging ihm das Geld aus, die halbstaatliche, russische VEB-Bank - die auch die Mehrheit der Aktien an der Aeroflot hält - übernahm dessen Anteile und verkaufte sie, bis auf 5%, 2010 an den ungarischen Staat, der die Malév notgedrungen rückverstaatlichen musste, um eine Pleite abzuwenden.

Seitdem zahlte der Steuerzahler Abermillionen Forint bzw. Euro in ein Unternehmen, das sich auch im operativen Bereich bisher nicht ausreichend stabil positionieren konnte und neben den Altschulden, permanent auch den laufenden Betrieb fremdfinanzieren muss. Sanierungskonzepte kamen und gingen, wie auch nationale und internationale "Sanierer". Etliche Mitarbeiter wurden bereits entlassen, viele Streiks brachten Unruhe ins Unternehmen.

Investoren interessierten sich bisher lediglich für die EU-Lizenzen der Malév nicht für den überteuerten Betrieb, zumal die vielen Altschulden abschreckten. Ein EU-Gericht erklärte die Staatszuschüsse bis 2010 in einem Urteil für unrechtmäßig und wettberwerbsverzerrend und ordnete die Rückzahlung an. Auch gegen die danach getätigten Kapitalspritzen liegen Klagen und Beschwerden u.a. vom regionalen Konkurrenten WizzAir vor. Die Malév ist für knapp 50% der Airline-Umsätze des Flughafens Budapest verantwortlich und beschäftigt direkt noch ca. 2.600 Mitarbeiter, fast 500 Unternehmen liefern der Malév zu.

Die Gesamtschulden der Malév dürften mittlerweile bald die Euro-Milliardengrenze erreichen. Nominal sind es deutlich weniger, schätzungsweise 300 Mio. EUR, darunter Altschulden gegenüber der russischen VEB. Allein im Jahre 2010 fuhr die Airline 91,2 Mio. EUR Minus ein - daher sind auch die vielen staatlichen Zuschüsse zu de “Schulden” zu rechnen, immerhin handelt es sich um Steuergelder, also Schulden gegenüber dem ungarischen Volk. Die ungarische Regierung hat dennoch deklariert an einer "nationalen Fluglinie" festhalten zu wollen, aus "strategischem Interesse" und aus Gründen der "nationalen Unabhängigkeit". Dass das Volk für seine eigenen Interessen zur Kasse gebeten wird, versteht sich von selbst.

red. / varga/ s.

 

 

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