(c) Pester Lloyd / 12 - 2011
POLITIK 25.03.2011
KOMMENTARE
Unbefleckte Alternative?
Bajnai meldet sich mit einem Think tank in der ungarischen Politik zurück
Der Vorgänger von Viktor Orbán als Ministerpräsident Ungarns, Gordon Bajnai gab die Gründung eines "Think tanks" mit dem Namen "Heimat und Fortschritt" bekannt.
Beobachter sind sich darin einig, dass dieser mittelfristig eine Keimzelle für eine echte politische Konkurrenz zur Regierung Orbán werden könnte, Sozialisten und
Grüne können das offenbar nicht.
Bajnai folgte 2009 Ferenc Gyurcsány als Premier nach, nach dem dieser durch den Austritt
der Liberalen (SZDSZ) aus der Koalition mit den Sozialisten (MSZP) die Mehrheit im Parlament verlor und zurückgetreten war. Zuvor war er Regierungsbeauftragter für die
vergabe von EU-Geldern. Der Parteilose Bajnai führte dann bis zum Machtwechsel 2010 eine "Expertenregierung", die jedoch nur zum Teil mit Fachleuten besetzt war, den Rest
der Minister stellten weiterhin langgediente MSZP-Funktionäre.
|
Dem 43jährigen wird als Verdienst angerechnet, die Pleite des Landes in der
Wirtschaftskrise durch Sparmaßnahmen und Einfädelung des 20 Mrd.-EUR Rettungskredites mit IWF, EU und Währungsfonds abgewendet zu haben. Auch die damalige Opposition zollte
seiner technokratischen Leistung zum Teil Respekt, sah ihn aber dennoch als Fortsetzer der Gyurcsány-Politik, der Ungarn in große Abhängigkeit vom internationalen Finanzmarkt
gestürzt habe und nannte den Finanzmanager in einem Atemzug mit den verabscheuten “Self-Made-Milliardären”.
Im Vorstand seines neuen Institutes finden sich bekannte Namen, darunter der
Wirtschaftsprüfer Péter Oszkó, der unter Bajnai als Finanzminister tätig war, ebenso der damalige Außenminister Péter Balázs, der sich aus den letzten Richtungskämpfen der MSZP
zwischen Parteichef Mesterházy und Ex-Premier Gyurcsány sichtbar herausgehalten hatte. Außerdem ist der ehemalige Wahlkampfchef der Sozialisten, Viktor Szigetvári mit dabei
ebenso wie Bajnais ehemalige Kabinettschefin Dóra Hegedüs.
Die Gruppe, so zeigen sich Beobachter überzeugt, verfolgen den Ansatz, dass weder die Sozialisten noch die
neue grüne Partei LMP die richtigen Kräfte sind, eine "glaubhafte Alternative" zur Fidesz-Herrschaft zu entwickeln. Gordon Bajnai habe sich, so die Einschätzung, geschickt
den oft kleinlichen Debatten der letzten Monate entzogen und könne als relativ unbescholtenes Blatt der linksliberalen Seite von den vielen inneren und äußeren
Verwerfungen, die die Fidesz-Politik hervorgebracht habe, profitieren.
Dennoch sieht auch er sich mit der Vergangenheit konfrontiert, so versucht der
Regierungskommissar für Vergehen der Vorgängerregierung, Gyula Budai, ihn immer wieder mit einem für den Staat nachteilig verlaufenen Liegenschaftsdeal juristisch zu fassen.
red.
Zum Zustand der Opposition in Ungarn:
Selbstentsorgung - Feb 2011 Was macht eigentlich die ungarische Opposition? http://www.pesterlloyd.net/2011_05/05opposition/05opposition.html
Der Pferdefuß der Demokraten - Feb 2011
Gyurcsány will schon "wieder" Ungarn retten http://www.pesterlloyd.net/2011_08/08gyurcsanyRede/08gyurcsanyrede.html
Mehr über Gordon Bajnai:
Ungarische Ex-Premiers prozessieren gegen Sonderermittler der Regierung - März 2011
http://www.pesterlloyd.net/2011_10/10klageBudai/10klagebudai.html
Schlusswort des Staatsbuchhalters - Feb 2010
Die letzte Regierungserklärung des ungarischen Ministerpräsidenten Gordon Bajnai wurde emotionaler als gedacht http://www.pesterlloyd.net/2010_08/08redebajnai/08redebajnai.html
Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?
Hinweis: diese neue Kommentarfunktion dient dazu, eine sachbezogene Debatte zu den einzelnen
Themen der Beiträge zu ermöglichen. Bei Eingabe wird eine Email abgefragt. Diese wird NICHT veröffentlicht und dient nur zur Verifizierung.
Es wäre toll, wenn Sie uns und den anderen Lesern mitteilen, von wo Sie uns schreiben. Die Freischaltung erfolgt manuell durch die Redaktion, um
Missbrauch zu vermeiden. Für allgemeine Meinungsäußerungen steht Ihnen weiterhin unser GÄSTEBUCH zur Verfügung.
|