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(c) Pester Lloyd / 13 - 2011  BULGARIEN 28.03.2011

 

Wochenende der Proteste

Viele Demonstrationen in Bulgarien

Die oppositionellen Sozialisten versuchen auf der Welle der Unzufriedenheit der Bürger zu surfen und trommeln für einen Regierungswechsel: Weitere Demonstrationen und Straßenblokaden gegen ein Treibstoffmonopol mit überhöhten Preisen, Bauern kämpfen für höhere Entschädigungen bei Notschlachtungen und freien Zugang zu den Märkten, Demo gegen Internierung von Flüchtlingen.

Am Samstag initiierte die sozialistische Oppsition eine Demonstration gegen die Regierung Borisov, bei der zwischen 12.000 und 20.000 Menschen teilnahmen. Hauptredner war Ex-Ministerpräsident (2005-2009) und Chef der BSP, Sergei Stanishev, der zum Rücktritt der Regierung Borissov aufforderte, die "inkompetent verlogen und unfähig" sei, die Probleme des Landes zu lösen. Genau wegen dieses Rufes verlor die BSP allerdings 2009 die Wahl, die u.a. dafür verantwortlich gemacht wird, dass die Korruption in Bulgarien derart ausuferte, was u.a. zu einem Zahlunstopp von EU-Geldern führte.

Die BSP kritisiert vor allem die nicht zeit- und sachgemäße Sparpolitik der Regierung, "die Geld für Antikrisenmaßnahmen finden würde, wenn sie kompetent wäre", so Stanishev. Eine vernünftige Verwaltung und konsequente Steuerpolitik könnte bis zu 1 Mrd. BGN (rund 500 Mio EUR) zusätzlich einsparen bzw. erwirtschaften. Umfragen sehen zwar Zugewinne für die BSP und Verluste für die GERB von Ministerpräsident Borissov, doch genüge der Stimmungsumwschung noch lange nicht für einen Machtwechsel. Eine relative Mehrheit der Belökerung steht ohnehin auf dem Standpunkt, dass sich an der Spitze des Staats nur verschiedene Mafiagruppen ablösen, sich an den Grundübeln daher nichts ändern könne. Im Oktober finden in Bulgarien Präsidenten- und Kommunalwahlen statt.

Straßenblokaden gegen das Kraftstoffmonopol

Am Sonntagmittag protestierten in Sofia wiederum einige tausend Menschen gegen die exorbitanten Treibstoffpreise. Das ist die zweite Demo zu diesem Thema binnen weniger Tage, schon zuvor blockierten aufgebrachte Menschen Straßen in 20 Bezirken des Landes. Sie fordern die Politiker aller Lager dazu auf, Schritte zu unternehmen, damit die Preise wieder auf ein bezahlbares Niveau kommen. Derzeit kostet ein Liter Normalbenzin um 1,05 EUR, Super ca. 1,15, Diesel hatte in den letzten Monat einen Anstieg von rund 12% erlebe und ist mit 1,25 EUR am teuersten, was vor allem den Transportunternehmern zu schaffen macht. Bulgarien hat EU-weit zwar noch die niedrigsten Kraftstoffpreise, allerdings mit 300.- monatlichem Durchschnittslohn auch mit Abstand das geringsten Einkommensniveau, umgerechnet z.B. auf deutsches Einkommen kostet der Liter Benzin in Bulgarien sozusagen 5-6 EUR. Auch die Preise für Propangas, das vor allem in ländlichen Gebieten noch häufig in Flaschen in Verwendung ist, sind auf Rekordniveau.

Schuld an der Misere seien nicht in erster Linie die Erdölpreise, sondern das Quasi-Monopol des russischen Mineralölkonzerns Lukoil, der die einzige Raffinerie des Landes für Kraftstoffe in Burgas betreibt. Zwischen Lukoil und der Regierung wurde zwar in der letzten Woche ein Preismoratorioum über die Einzelhandelspreise für einen Monat geschlossen, doch die Großhandelspreise hat man weiter erhöht, so dass die Nicht-Lukoil-Tankstellen gezwungen waren die Preise weiter heraufzusetzen. Lukoil meint hingegen, die Preiserhöhung sei "nicht signifikant". Die Proteste werden von verschiedenen Gewerkschaften tragen, aber auch von spontaneren Gruppen, die sich über das Internet organisieren.

Bauern fühlen sich um Entschädigungen betrogen

Weiterhin stinksauer sind auch die bulgarischen Bauern. Sie protestierten in der Vorwoche vor allem gegen die mafiösen Strukturen auf dem Getreidemarkt, der viele Erzeuger, die sich nicht dem Druck der "Kooperativen" beugen in der Existenz gefährdet und es ihnen unmöglich macht, ihre Produkte zu Marktpreisen zu verkaufen, während die Aufkäufer und Verarbeiter von den hohen Weltmarktpreisen allein profitieren. Die Proteste an diesem Sonntag galten jedoch vor allem der Unzufriedenheit mit der Regierung über das Management der neuerlich ausgebrochenen Maul-und-Klausen-Seuche. Die Behörden haben die Notschlachtung von weiteren tausend Rindern und Schafen angeordnet, die Bauern wollen aber Impfmittel und Medikamente, statt Schlachtungen, weil sich die Regierung nicht an die vereinbarten Kompensationszahlungen halte. Bauern, deren Vieh bereits von Amts wegen geschlachtet worden ist, hätten pro Schlachttier lediglich 900 BGN (460.- EUR) statt der zugesagten 1.900 (970.- EUR) erhalten.

 

Eine vierte Demonstration in Sofia war gegen ein Internierungslager für Flüchtlinge und Asylbewerber geplant. Unter dem Motto "Es gibt keine illegalen Menschen" fordern Zivilorgansiationen die Schließung des Lagers in einem Sofioter Stadtteil und die sofortige Freilassung aller Flüchtlinge, die sich nicht eines Verbrechens schuldig gemacht haben, zudem soll allen die ihnen zustehende Bearbeitung ihrer Asylanträge gewährt werden, was in letzter Zeit zunehmend nicht der Fall gewesen sein. Man habe etliche illegal Eingewanderte einfach wieder abgeschoben.

red.

Zur aktuellen ökonomischen und sozialen Situation:

Eurowunsch als Zwangsjacke - 24.03.11
Bulgarien zwischen Sparzwang und Armutsbekämpfung
 

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