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(c) Pester Lloyd / 11 - 2012     GESELLSCHAFT   16.03.2012

 

Gespaltenes Land

Impressionen vom Nationalfeiertag in Ungarn

Hunderttausende waren am Nationalfeiertag des 15. März in Ungarn auf den Beinen. Wobei die Mobilisierungskraft der Nationalkonservativen um Premier Orbán bedeutend größer war als jene der demokratischen Opposition. Alle sehen sich in der Tradition von 1848/49 und alle haben das Erbe für sich gepachtet. + FOTOSTRECKE

Fotostrecke unter dem Text.

Zwar gesellten sich zu den Orbán-Anhängern vor dem Parlament einige Tausend Polen aus dem Kaczyński-Lager sowie weitere Demotouristen aus Litauen, der Slowakei, Rumänien hinzu, doch die Masse bestand aus gut einer Viertelmillionen einheimischen Fidesz-Anhängern. Neben dem Staatsakt gab es wieder eine Art “Friedensmarsch” von besonders enthusiastischen Regierungstreuen, die Rede von Orbán vor dem Parlament sowie kleinere Veranstaltungen in der Provinz sowie ein “Familienfest” in der Budaer Burg.

Die Opposition zeigte sich so gespalten wie eh und je. Die neuen,  außerparlamentarischen Bewegungen, u.a. Szolidaritás und Milla, konnten mit einer Kundgebung an der Elisabeth-Brücke immerhin rund 50.000 bis 80.000 Menschen mobilisieren, kein überragendes aber doch ein Lebenszeichen, dass die Lethargie im Lande noch nicht alle erfasst hat.

 

LMP, MSZP und Demokratische Koalition kochten jeweils ihre eigenen Süppchen auf Veranstaltungen, die tatsächlich als Klubtreffen (Orbán) klassifiziert werden konnten. Ex-Premier Gyurcsány sprach in Budapest vor einer kleinen Anhängerschar, die LMP hatte mehr Besuch von Medienvertretern als Sympathisanten und die MSZP verzog sich lieber gleich ganz in die Provinz, etwas mehr als Tausend trafen sich in Esztergom.

In den Reden auf allen Kundgebungen wurde das Erbe von 1848/49 beschworen, wobei Orbán festhielt, dass er und seine Anhängerschaft die “wahren Erben” des damaligen Freiheitskampfes sind, den man heute in gewisser Weise fortführe, nur der Besatzer hat sich geändert. Die Anti-EU-Rhetorik und die angestrengte Selbstbehauptung war auch diesmal der Grundtenor, Orbán selbst stieß die Losung aus: “Wir werden keine Kolonie!”. Man dankte besonders den polnischen Freunden und beschwor ein neues Bündnis, zeitgleich gründete sich eine ungarisch-polnische Freundschaftsgesellschaft.

Ausführliche Auszüge aus der Orbán-Rede hier in englischer Sprache

Die Redebeiträge auf der Milla-Demonstration waren von ohnmächtiger Wut und Galgenhumor über die Politik und Politiker der Nationalkonservativen gekennzeichnet. Man zieh Orbán mehrerer Wahllügen, des Abbaus der Demokratie und jener Grundrechte, für 1848/49 die ganze Nation gekämpft habe. Er jedoch spalte die Nation und bringe dem Land Unfrieden und katalputiere es aus Europa heraus. Den Reden fehlte jedoch eine gewisse Stringenz, wohin es gehen soll, wer führen wird und welche Methoden man anzuwenden gedenkt, was auch ein Grund dafür sein mag, warum es nicht Hunderttausende Teilnehmer gibt.

Einige tausend Neofaschisten von Jobbik, Garden, “Bürgerwehren” u.a. militanten Organisationen trafen sich ebenfalls im Zentrum, einige Hundert versuchten die Kundgebung der demokratischen Opposition zu stören, ein großes Polizeiaufgebot trennte die Gruppen. Am späten Nachmittag stürmte ein Trupp der sog. “Bewegung der 64 Komitate” unter Führung eines Jobbik-Vertreters ins Budapester Bankcenter, in dem auch die IWF-Vertretung untergebracht ist und hisste die Árpádflagge, Symbol der faschistischen Pfeilkreuzler. Die Politi vertrieb sie kurz darauf.

Nachfolgend eine Bilderserie von unseren Reportern Philipp Karl und Antje Lehmann, ergänzt durch Material von MTI.

Manche Losungen bei den Nationalkonservativen sind kaum von denen bei Jobbik unterscheidbar. Hier: “Oberungarn ist mit Dir, Viktor”. Oberungarn ist die alte und unter dem Horthy-Revanchismus übliche Bezeichnung der heutigen Südslowakei, die von vielen ethnischen Ungarn bewohnt ist.

Die Legende von der Verschwörung lebt:
“Ungarische Patrioten ergeben sich nicht der sozialistischen EU”, daneben polnische Flaggen

Gemeinsam sind wir stark... Hassprediger und Orbán-Freund Zsolt Bayer wieder in der ersten Reihe des “Friedensmarschs”.

Die Straße der Pressefreiheit voll mit Oppositionellen, die sich aber nicht mehr von den alteingesessenen Parlamentsparteien einfangen lassen.

In punkt Protestkultur haben “die Linken” traditionell mehr drauf als die plumpen Parolen bei den Regierungstreuen. Hier die Orbán-Spinne und ihre Opfer von Theatern über Medien bis hin zum öffentlichen Dienst.

Teilnehmerzahlen von der regierungsamtlichen Nachrichtenagentur MTI, in Klammern unsere Schätzung: LMP (Café Pilvax) “ca. 80” (79), Demokratische Koalition (Universitätsplatz) “einige Tausend” (einige Hundert), Milla (Straße der Pressefreiheit) “einige Zehntausend” (50.000-80.000), Jobbik (Deák tér) “einige Tausend” (ca. 3.000), Regierung (Kossuth tér + Firedensmarsch) “mindestens 250.000” (150.000-200.000). Die Einschätzung von MTI, dass bei der Regierungsveranstaltung rund dreimal so viele Teilnehmer wie bei der Opposition waren, teilen wir.

Tausende Neofaschisten in den unsäglichsten Uniformen und mit offen faschistoiden Symbolen. Seit Jahren können sie in Ungarn unbehelligt aufmarschieren.

“Ungarische Nationalgarde - Mit Gott für Vaterland und Freiheit”....

MTI beeindruckt mit dieser Aufnahme vom Kossuth tér und seiner Zufahrtsstraße, voll mit Orbánanhängern, links nochmal als Spiegelbild, sieht halt noch mehr aus... Orbán “Wir werden keine Kolonie!” etc. etc.

Orbán freut sich über die Massen vor seinem Palast.

Ex-Premier Gyurcsány versammelte seine Demokratische Koalition am Budapester Universitätsplatz und spaltete damit wieder einmal die demokratische Opposition.

15.30 Uhr: Rund 1.500 Neofaschisten mit Pfeilkreuzler-Symbolen und Jobbik-Fahnen versammeln sich am Deák tér. Die Veranstaltungsorte liegen jeweils nur einige Hundert Meter auseinander, weswegen Übergriffe beüfürchtet worden. 16:30 Uhr Rund 500 Neonazis machten sich von der Jobbik-Veranstaltung auf den Weg, um die Milla-Demonstration anzugreifen. Die Polizei sichert die Verbndungsstraßen mit Doppelkorridoren.

15 Uhr: Der packend volle Kossuth tér harrt der Orbán-Rede.

15 Uhr: Die Demo der “Milla” begann ebenfalls um 15 Uhr, Szabad sajtó útja,  Kossuth Lajos utca bis zum Ferenciek teré ist der Platz sehr gut gefüllt. Die Reden drehen sich vor allem um die Lügen der Orbán-Regierung, die Entmündigung des Volkes.

14.30 Uhr Orbán sprichr 15 Uhr vor dem Parlament, gleichzeitig versammeln sich weitere Anhänger in der Nähe, um dann zum Parlament zu stossen. Fotos: MTI

Die MSZP versammelten eine Schar Anhänger in Esztergom. Auch Fidesz-Politiker ließen sich in verschiedenen Provinzstädten zu Kundgebungen blicken.

Mehr Pressevertreter als Anhänger mobilisierte die LMP in der Bp.er Innenstadt am Café Pilvax, einem der Ausgangspunkte des 1848er Aufstandes.

Nationalfeiertag in Warschau, nein, in Budapest. Am Nationalmuseum treffen sich die polnischen Freunde, ein paar litauische Gäste, im Vordergrund OB Tarlós und Parlamentschef Kövér

11 Uhr: Keine Hausdurchsuchung oder Verhaftung des Plagiators, sondern Wachablösung vor dem Präsidentenpalais als Teil der “Familienprogramme” zum Nationalfeiertag. Fotos: MTI

10 Uhr: Die Polen kommen. 5000 Unterstützer für die Orbán-Regierungen hatte der nördliche Nachbar und offizielle Freund zugesagt, zunächst fanden sich eher 150 ein, hier auf dem Weg zum Nationalmuseum, später sehen wir sie dann am Parlament wieder.

Auch ein Pflichttermin, der Aufritt der Husaren, dahinter strömt freudiges Volk.

8 Uhr, Fahnenapell am Parlament. Es ist nur ein bösartiges Gerücht der linkslinken Weltverschwörung, dass man den wegen seiner (mutmaßlich) plagierten Doktorarbeit in Ungnade gefallenen Präsidenten aufs Dach gefesselt hätte und nun nur noch zu den Nationalfeiertagen an abgebildetem Banner herablässt. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um die offizielle Schleppe der neuen Dienstkleidung.

pk

 

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