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(c) Pester Lloyd / 16 - 2012     WIRTSCHAFT   18.04.2012

 

Die Stimmung ist gekippt

Deutsche Unternehmen frustriert über Wirtschaftspolitik in Ungarn

Es ist vor allem mangelnde Rechts- und Planungssicherheit sowie die chaotische Steuerpolitik, die deutsche Investoren in Ungarn derzeit auf die Palme bringt. Die Stimmung war zwar schonmal schlechter, doch der Absturz gegenüber den Erwartungen vor einem Jahr hat geradezu apokalyptische Ausmaße. Die Schönwetterbilder des Premiers bei deutschen Investoren können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stümperei in der Wirtschaftspolitik so manche Investitionsplanung an Ungarn vorbeiführen wird.

Die Konjunkturberichte der DUIHK lieferten zwar stets ein aktuelles Stimmungsbild, stellten aber selten ein derart unmissverständliches wirtschaftspolitisches Zeugnis aus. Note: unbefriedigend.

Von der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) kamen in den letzten Jahren vor allem immer Treueschwüre zum "Standort Ungarn", auch mit politischer Kritik hielten sich die Kammervertreter der stark in Ungarn engagierten deutschen Wirtschaft meist zurück, man bevorzugte Hinterzimmergespräche, egal wer an der Macht war oder ist - und vor allem die Großinvestoren konnten bisher auch immer ihre "Bedingungen" weitgehend umsetzen, sind sie schließlich für einen nicht geringen Teil der Wirtschaftsleistung und Zigtausende hoch qualifizierte Arbeitsplätze verantwortlich.

Doch die Stimmung ist längst gekippt, die Mehrzahl der Unternehmer scheint reichlich genervt von der sichtbaren Stümperei der Regierung in der Wirtschafts- und Steuerpolitik der letzten zwei Jahre. Das belegen schwarz auf weiß die Ergebnisse des aktuellen Konjunkturberichtes der DUIHK, hier zum Download (pdf, von der Seite der AHK Ungarn).

Über zwei Drittel der deutschen Unternehmen in Ungarn sagen, dass es Ungarns Wirtschaft schlecht geht und 55 Prozent erwarten sogar, dass es noch schlechter wird. Nur 8% sind mit der Arbeit der Regierung zufrieden, 58% sind ausdrücklich unzufrieden, 24 Punkte mehr gegenüber der Umfrage vor einem Jahr, bei der sich noch 13% zufrieden äußerten. Kleines, ironisches Detail am Rande: mit der Arbeit der "Sozialisten" in der Regierung waren im Februar 2010 übrigens 41% ausdrücklich zufrieden.

64% halten diese Regierung für "vollkomen unberechenbar", ein weiteres Viertel für "unberechenbar", "– zufrieden ist praktisch niemand", hält die Studie trocken fest. Bei den Vorgängern waren es zuletzt übrigens "nur" zwischen 20 und 40% die Gyurcsány und Co. für "unberechenbar hielten". Die politisch stets geschmeidige Wirtschaft nimmt eine Menge in Kauf, solange er sich kalkulieren und aushalten lässt - sprunghaftes Verhalten, mit dem niemand planen kann, ist hingegen gar nicht gern gesehen...

Schönwetter-Bilder, hier bei der kürzlichen Eröffnung des Mercedes-Werkes in Kecskemét mit Daimler-Konzernchef Zetsche. Kleinere Unternehmen haben selten einen so direkten Draht zur Macht, um Probleme auf “dem kurzen Dienstweg” lösen zu können”.

Nur 10 % der in Ungarn tätigen deutschen Unternehmen glauben derzeit noch an eine Verbesserung der allgemeinen Wirtschaftslage (zuvor 49%, die Hoffnung war also da!), noch 31% glauben an eine Verbesserung der betrieblichen Wirtschaftslage (zuvor 36%).

Bei der Präsentation der Studie stellte man klar fest, dass sich die Investitionsbedingungen allgemein und speziell verschlechtert hätten, was im deutlichen Widerspruch zu dem von der Regierung formulierten Anspruch steht, "wettbewerbsfähigstes Land der Region" werden zu wollen.

In einem Index aller Osteuropa-Staaten, hinsichtlich der Investitions-Attraktivität rutschte Ungarn binnen kürzester Zeit von Rang 4 auf Platz 10 ab. Polen führt diese Wertung an, auch Tschechien und - "Erzfeind" - Slowakei liegen deutlich vor Ungarn. Da nutzen auch die Schönwetter-Fototermine bei Audi und Bosch und anderen Groß-Playern wenig, dort handelt es sich um langfristige Investitionspläne, die wenig mit der jeweiligen Regierung oder einigen Schwankungen bei den Lohnnebenkosten zu tun haben. Nicht Teil dieser Umfrage sind nämlich potentielle Investoren in Ungarn, wie viele von denen ihre Planungen aufgrund der "unorthodoxen Maßnahmen" Orbáns, Matolcsys und Co. mittlerweile um das Land herumgelenkt haben, kann man nur erahnen.

Eine niedrige Körperschaftssteuer (10% auf Gewinne bis zu 500 Mio. HUF) und ein Einkommenssteuer (16% auf alle Einkommen) allein genügen aber längst nicht mehr, um die Wirtschaft zufrieden zu stellen. Grundtenor: das Steuerchaos, die Steuerbelastung und die Unberechenbarkeit der Steuerpolitik sind so hoch wie eh und je, manche meinen, noch viel höher als zuvor. Als herausragendes, aktuelles Beispiel nennt auch die DUIHK das Chaos um die Flat-Tax-”Übergangsregelungen” sowie die “Lohnkompensationszuschüsse”. Mehr dazu.

Und das Chaos nimmt bekanntlich kein Ende, nun sollen noch eine Finanztransaktionssteuer und ein fünfstufiges Mehrwertsteuersystem eingeführt werden, freilich auch wieder mit vielen Ausnahmen und Übergangsregelungen und voll schwülstiger “Systemerneuerungs”- Ankündigungen. Mehr zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im entsprechenden Ressort.

Kurz und schlecht: 67 % der Unternehmen sind mit dem ungarischen Steuersystem unzufrieden, 62 % sind beunruhigt beim Thema Rechtssicherheit (in einem EU-Land!) und 87 % sagten, die Wirtschaftspolitik in Ungarn sei schlicht nicht vorhersehbar. Auf die Frage, ob sie ihre Investitionen in Ungarn heute wiederholen würden, gaben 71 % positive Antworten, 13 % weniger als vor drei Jahren.

 

Nicht uninteressant ist auch die Quote jener, die eine Einführung des Euros in Ungarn befürworten. Die lag im Krisenjahr 2009 bei 94%, weil alle gerne einen sicheren Hafen aufgesucht hätten. Heute sieht man das deutlich "entspannter", nur noch 61% wollen unbedingt gleich den Euro, der Rest scheint sich mit der Abwertung gegenüber dem Euro ganz gut arrangieren zu können, werden doch Exporte in die EU für in Forint bilanzierende und gewinnrealisierende Unternehmen deutlich attraktiver.

Die Wunschliste der deutschen Wirtschaftskammermitglieder kennt klare Prioritäten: ganz oben steht die Berechenbarkeit, man möchte einfach nicht mehr jede Woche eine neue "Revolution" erleben. Ganz oben steht auch der Wunsch nach Rechtssicherheit. Denn ohne die kann kein Unternehmer planen, schon gar nicht, wenn man fürchten muss, um die Früchte seines Tuns auf die eine oder die ganz andere Weise gebracht werden zu können.

Die Kammerchefs wiesen daraufhin, dass die Arbeitskräftebilanz deutscher Unternehmen zwar noch knapp positiv ausfällt (also mehr Einstellungen als Entlassungen), sie aber noch nie so knapp abschloss wie in diesem Jahr. Man sieht das als eine Folge fehlender Planungssicherheit, nicht so sehr der schwächelnden Konjunktur.

red. / cs.sz.

 

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