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(c) Pester Lloyd / 28 - 2012     WIRTSCHAFT 11.07.2012

 

10 Punkte und ein großes Fragezeichen

Ungarn legt Programm zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei KMU auf

Er wollte schon von Anfang an "Arbeit für Alle" schaffen und heimische Klein- wie Mittelbetriebe animieren, das Land auf "die eigenen Beine zu stellen". Nun, mehr als zwei Jahre nach dem Amtsantritt, legte der ungarische Regierungschef persönlich wieder ein dahinführendes 10-Punkte-Programm vor, weil all die Programme zuvor entweder versagten oder nur einer bestimmten Klientel Vorteile brachten. Endlich soll etwas Zählbares jenseits neuer Steuern her. Doch Innovatives enthält der Plan nicht, denn er belohnt nicht die Arbeit, nur den Arbeitgeber. Orbán bestätigt die Zweifel an seiner Wirtschaftskompetenz.

“Ich habe einen Plan...”

 

Am Montag vor einer Woche stellte Premier Orbán den groß angekündigten und mit Blick auf IWF und EU wohlkalkulierten Plan seines Nationalwirtschaftsministers Matolcsy beim EU-Gipfel und anschließend im eigenen Parlament vor. Die Kosten für die aufgeführten Maßnahmen werden mit 300 Milliarden Forint, heute ca. 1,12 Mrd. EUR veranschlagt und sollen aus der gerade beschlossenen Transaktionssteuer sowie aus "sonstigen Reserven" getragen werden. Doch schon diese Ankündigung erscheint unseriös, wurden die Einnahmen aus der neuen Steuer nämlich zuvor als Kompensation für die auslaufende Bankensondersteuer und zur Sicherung der Defizitziele für das Budget verplant. Doch dazu später mehr.

Arbeitsplätze, Wachstum, Anreiz für die mittelständische Wirtschaft, so lauten die Ziele des neuen Programms, eines von vielen der letzten zwei Jahre, von denen jedoch die meisten nur in einem erhöhten Steueraufkommen und -chaos endeten. Nun soll es "nie dagewesene Entlastungen" bei den Sozialabgaben als "Teil eines nie dagewesenen Arbeitsplatzschaffungs und -schutzprogrammes" geben. Vor allem all jene, die unter 100.000 Forint im Monat verdienen (also gerade 350.- EUR) sollen nun "profitieren", sagte Orbán wörtlich, obwohl, wie gleich zu sehen, lediglich die Arbeitgeber die Vorteile aus den Abgabensenkungen ziehen, ihnen billige Arbeitslkräfte "zugeführt" werden, wie es im Regierungsjargon heißt. Wie jemand "profitieren" kann, der ein Gehalt bezieht, dass ihm nicht einmal die grundlegendsten Lebensbedürfnisse deckt, ist eines der vielen Geheimnisse dieser Regierung.

Die 10 Punkte enthalten keinerlei Anregungen für eine zielgerichtete Ausbildung, noch Perspektiven für die per Zwang im Land gehaltenen Hochschulabsolventen, auch die Förderung von Eigeninitiative, gar Anreize durch höhere Einkommen werden weiter schmerzlich vermisst. Lediglich die Personalkosten für die Arbeitgeber werden reduziert (Punkte 1-5), die sich dafür mit mehr Einstellungen bedanken sollen. Da durch eine Absenkung der Personalkosten jedoch nicht die Auftragslage steigt, werden sich die Margen erhöhen, das Geld wird dankbar eingeseteckt, der Effekt auf den Arbeitsmarkt dürfte bescheiden bleiben. Punkt 6 und 7 stellen Maßnahmen dar, um zu verhindern, dass die sog. "Putzfrauen KG´s", aber auch andere Kleinunternehmen sich gänzlich in die Schwarzwirtschaft verabschieden, nachdem die vereinfachte Unternehmenssteuer ÉVA gerade verteuert wurde, um sie ab kommendem Jahr ganz abzuschaffen. Die Punkte 8-10 betreffen nur marginale Probleme, mit wirklicher Mittelstandförderung und einem großen Wurf haben sie nichts zu tun.

Die Maßnahmen im einzelnen:

1. Für Arbeitnehmer unter 25 Jahren werden die Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung um 50% gesenkt.

2. Für Arbeitnehmer über 55 Jahren werden die Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung um 50% gesenkt.

3. Für ungelernte Arbeitnehmer (FEOR-Gruppe 9) werden die Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung um 50% gesenkt. - Allein diese Maßnahme soll laut Orbán 250.000 Arbeitsplätze sichern oder schaffen.

4. Für Langzeitarbeitslose, die neu eingestellt werden, entfallen die Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung für die ersten zwei Jahre komplett, ab dem 3. Jahr liegen sie bei 50% der heutigen Standardrate.

5. Für Mütter, die vom Mutterschaftsurlaub zurückkehren entfallen die Arbeitgeberanteile an der Sozialversicherung für die ersten zwei Jahre komplett, ab dem 3. Jahr liegen sie bei 50% der heutigen Standardrate.

6. Kleinstunternehmen mit Umsätzen von unter 6 Mio. HUF pro Jahr haben die Möglichkeit einer vereinfachten Pauschalsteuer. Diese beträgt monatlich 50.000 bzw. 25.000 Forint, abhängig davon, ob die Einkünfte aus dem Unternehmen die einzige Einnahmequelle des Firmeneigentümers ist oder zur Besteuerung von Nebeneinküften (Zweit- und Drittjobs) dient. Mit der Steuer ist dann sowohl die Sozialversicherung als auch die Körperschafts- wie Einkommenssteuer abgegolten. (Praktisch ein Ersatz für die auslaufende ÉVA-Steuer). Bei dieser Art der Steuer ist keine Steuererklärung mehr nötig, allerdings muss dem Finanzamt auch ohne sonstige Anhaltspunkte Einblick auf die Konten gewährt werden. Auch können keine Werbungs-, Betriebskosten oder Mehrwertsteuerrückerstattung geltend gemacht werden.

7. Kleinunternehmen werden einer neuen KMU-Steuer unterstellt, die Körperschaftssteuer, Einkommenssteuer, Ausbildungsabgabe und Sozialversicherungsabgaben auf Gewinnausschüttungen vereinen soll. Als Steuerbasis wird der Betriebsgewinn plus die gesamten Lohnkosten für die Angestellten (wer also geringere Gehälter zahlt, wird belohnt!) veranschlagt und mit 16% besteuert. Orbán glaubt, "das hilft bis zu 300.000 Bürgern".

8. Die Abführung der Mehrwertsteuer aus der laufenden Rechnungslegung kann von Unternehmen mit weniger als 500.000 EUR Jahresumsatz unterbleiben, so lange sie selbst weniger Mehrwertsteuer auf Waren oder Dienstleistungen erhalten haben als sie selbst bezahlt haben. Damit soll die Abrechnung vereinfacht werden und der cash flow in den Betrieben erhöht werden.

9. Vereinfachung von Buchaltungsregeln bei der Bewertung und Besteuerung von Verlusten, die aus Währungsschwankungen resultieren. Hier soll es eine Art Fristenregelung geben, Details folgen.

10. Die buchhalterischen und steuerlichen Regeln für die "Portokasse" eines Unternehmens sollen "gelockert" werden. Der Premier meint, diese sind derzeit "zu restriktiv und gehören abgeschafft". Eine interessante Bemerkung, hatte die Regierung doch erst kürzlich wieder das zulässige Limit für Bargeschäfte gesenkt.

Flankiert wird der 10-Punkte-Plan durch ein weiteres Programm mit dem Titel "Der erste Job ist garantiert". Dazu stellt das Arbeitsamt 3 Milliarden Forint für "Karrierestarter" bereit, kurz, es handelt sich um durch den Staat subventionierte Praktika. Derzeit gibt es in Ungarn 220.000 Personen unter 25 Jahren, die "einen Job haben", meldet das Amt, 86.000 sind als arbeitslos registriert, davon gelten 58.000 als "Berufsanfänger", also Gelernte, die noch nie einen festen Job hatten. Aus diesem Fundus können sich Arbeitgeber bedienen und erhalten für deren Einstellung für die ersten Monate sowohl das Gehalt als auch die Sozialbgaben erstattet. Man hofft so auf "Hilfe" für 3000 bis 3.500 "Berufsanfänger". Was mit selbigen nach Ablauf der Subventionierung geschieht, wurde nicht mitgeteilt.

Orbán drohte am Freitag in seiner Stammsendung auf Kossuth Rádió, dass die 10 Punkte noch "längst nicht alles" sind, was sein Wirtschaftsminister zu bieten habe, man arbeite auch noch einem "Investitions-Boom" für den Herbst. „Ich möchte niemandem Angst machen, doch Wirtschaftsminister Matolcsy hat noch einige weitere Pläne in der Schublade“, dabei ist das Chaos für den Mittelstand längst perfekt.

Im übrigen werden die 300 Mrd. Forint für das Programm "realisiert, was immer geschehen möge", sagte Orbán auf Nachfrage über die daraus resultierenden Gefahren für das Erreichen der
"Eckdaten für das Budget 2013". Diese werden zwar so beschlossen wie sie sind, "mit unseren Reserven werden wir aber sehr flexibel agieren", so Orbán. Befragt, woher denn nun über Nacht 300 Milliarden locker gemacht werden konnten, sagte Orbán, man hatte nur auf die Freigabe der "ungerechtfertigten Mittelzurückhaltung durch Brüssel" (gemeint also die EU-Kohäsionsfonds) für 2013 warten müssen.

 

Ganz anders sieht das wieder einmal Zentralbankchef Simor. Er erkennt nicht, woher Orbán seinen Optimismus, geschweige denn das viele Geld für das neue Programm nehmen will. "Ein riesiges Loch" werden die Pläne ins 2013er Budget reißen, zumal sein Haus die Schätzungen für die Einnahmen aus der Wundersteuer auf Finanztransaktionen mit 90 Mrd. Forint bedeutend zurückhaltender angeht als die Regierung, die auf mindestens 140 Mrd. Forint hofft (ohne Ausweitung auf Zentralbank, insgesamt erhofft die Regierung über 300 Mrd.). Auch glaubt die Regierung, mehr als 100 Mrd. bei Zinszahlungen auf Staatsschulden sparen zu können, die Zentralbank rechnet nur mit 30 Mrd. Einsparungen.

Doch das sind nur Kleinigkeiten zu den Divergenzen hinsichtlich Wachstum und Arbeitsmarkt und auch die beschworenen "Reserven" seien längst alle verplant. Die Zentralbank sieht schon jetzt das Defizit bei 2,8% statt 2,2% des BIP. Die 10 Punkte könnten es auch wieder auf über 3% treiben, womit in Summe mehr verloren als gewonnen wäre, denn was nutzen Unternehmen Abgabenerleichterungen, die ihnen ein Jahr später als Steuererhöhungen wieder genommen werden.

cs.sz. / red.

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