THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 46 - 2013 POLITIK 15.11.2013

 

"Kriegsähnliche Atmosphäre"

Parteien in Ungarn bringen ihre Generalstäbe für die Wahlschlacht 2014 in Stellung

Ein Lokalfürst, zwei Berufszyniker und Orbán-Adjudanten werden den Wahkampf der Regierungspartei Fidesz führen. Geleitet wird das Team jedoch von einem echten Scharfmacher, Parlamentspräsident Kövér. Am Donnerstag berichtete die Regierungszeitung "Magyar Nemzet" über die Vorbereitungen der Orbán-Partei für die kommende heiße Phase des Wahlkampfes. Die MSZP setzt - nach einigen PR-Desastern - ebenfalls wieder auf altgediente Funktionäre. Der Wahlbürger darf sich auf Unterirdisches einstellen.

THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Der Fidesz-Vizechef, Bürgermeister von Debrecen und Stadionerbauer Lajos Kósa wird, gemeinsam mit Bildungssprecher Pokorni für die Bearbeitung der Provinz zuständig sein, dem Hauptwahlreservoir des Fidesz. Fraktionschef und Bürgermeister des V. Budapester Bezirkes, Antal "das Täschchen" Rogán (Wer arm ist, ist selber Schuld) soll sich um die allgemeinen PR- und Kommunikationsagenden des Wahlkampfes sowie speziell um die Hauptstadt kümmern, während der Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten und EU-Geld-Kassenwart János Lázár, ebenfalls Parteivize, die "Leistungen der Regierung" ins rechte Licht rücken soll.

Die Vermengung von Regierung- und Partei-PR ist in Ungarn seit langem aufgehoben, auch budgettechnisch und wird meist unter dem Stichwort “nationale Konsultation” verbrähmt. Lázár verfügt über einen milliardenschweren "Sonderetat" der ungarischen Regierung, der regelmäßig für Wahlkampf benutzt wird. - Als Chefin für den Europawahlkampf wurde die EP-Abgeordnete Ildikó Gál-Pelcz beauftragt.

Chef des "Nationalen Wahlausschusses" des Fidesz wird jedoch der Parlamentspräsident Ungarns, der Einpeitscher László-"Das Parlament nervt"-Köver (Foto oben). Er soll die "wichtigen politisch-strategischen und personellen Entscheidungen" treffen, so "Magyar Nemzet".

Kövér, ein Fidesz-Gründungsmitglied und einer der engsten und treuesten Vertrauten von Premier Orbán, berühmt-berüchtigt für seine Ausritte in rechtsextremes und revanchistisches Gedankengut, der das Parlament mit einer Performance zwischen Feldmarschall und besessener Blockwart verwaltet (siehe Links zu Kövérs Ausritten in diesem Text), gab auch gleich eine Kostprobe seiner Rhetorikfähigkeiten. Er erwarte, dass die "Atmosphäre" des Wahlkampfes "noch schlechter sein wird als 2002" (als Fidesz überraschend und für selbige traumatisierend die Wahlen verlor). Auf einem "Bürgerforum" in der Provinz kündigte Kövér an, dass man Vorbereitungen auf einen "psychologisch geführten" Wahlkampf treffe, denn die "linken Politiker fühlen sich offenbar dazu gezwungen Skandale zu erfinden und eine kriegsähnliche Stimmung zu erzeugen".

Kövér sprach bereits einmal von einem "kalten Bürgerkrieg" in Ungarn, allerdings stammen offiziell verwendete Wortschöpfungen vom "Nebenkostenkrieg" und dem "Krieg gegen die Schulden" sowie dem "Befreiungskampf aus der Kolonialisierung" von Fidesz selbst. Die Parteisprecher Kocsis, Hoppál, vor allem aber Gabriella Selmeczi kommunizieren regelmäßig "Angriffe und Attacken" der "in- und ausländischen Feinde Ungarns" (
Orbán auf dem vorigen Fidesz-Parteitag) gegen Volk und Vaterland. Der Premier sprach am letzten Nationalfeiertag davon, dass man die "Truppen formieren" müsse, um "die Schlacht zu schlagen"...

Die MSZP, größte Oppositionspartei und in einer Wahlkooperation mit E2014 von Ex-Premier Bajnai, hat ihr Wahlkampfteam ebenfalls vorgestellt. Es wird von Parteichef Mesterházy angeführt und eher mit bewährten Funktionären als neuen Gesichtern bestückt. Das PR-Desaster rund um das gefälschte Wahlvideo von Baja forderte den Kopf des Kommunikationschefs und beschädigte auch den Parteisprecher Török, weshalb die "alte Garde" einsprang, um - wie sie glaubt - zu retten, was zu retten ist. Vor allem die Rückkehr, der bereits als abgeschrieben gehandelten (nach Gyurcsánys Abgang 2009) kurzzeitigen Parteichefin und früheren Staatszensorin Ildikó Lendvai, überrascht, sie gilt eher als Teil der Loser-Fraktion in der Partei, aber offenbar braucht es auch einen Spin-Doktor für die traditionalistische Anhängerschaft der früheren Staatspartei, was umso mehr gilt, als die von Ex-Premier und Ex-MSZP-Chef Gyurcsány abgespaltene Demokratische Koalition, keine Skrupel zu kennen scheint, direkt im Reservoir der MSZP zu wildern, koste es die Opposition am Ende auch den Wahlsieg.

 

Bisher fiel die MSZP durch dilettantisch vorgetragene und teilweise peinlich inszenierte Negativkampagnen auf, die von der Regierung problemlos gekontert wurden und keinerlei Eindruck beim Wahlvolk schindeten. E2014 versucht sich zumindest an der Darstellung inhaltlicher Alternativen zur Orbán-Politik, Bajnai stellt sich vornehmlich als Wirtschaftsexperte und moderaten Politiker dar, der die "nationale" durch eine "rationale" Poltiik ersetzen will. Hier im aktuellen Interview. Doch die seit Jahrzehnten vorangetriebene Polarisierung und Verdummung der Wahlbürger hat ihre Spuren hinterlassen und lässt komplexere, gar vernünftige Äußerungen verhallen. Bajnai erklärte kürzlich, dass auch ihm wohl kaum etwas anderes übrig bleibt, als selbst "mehr schwarz-weiß" zu malen. Mehr zum Kampf um die "simpelste Wählerbotschaft" hier.

Alles weitere zu den Wahlen in Ungarn 2014 (Parlament vermutlich am 6. April, EU am 24.5.) auf unserer
Themenseite.

red.

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