THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 13 - 2014   WIRTSCHAFT 24.03.2014

 

Viktors Traumland

Drei Worte und zehn Punkte: Orbáns Wirtschaftsprogramm für Ungarn

Reindustrialisierung, die billigste Energie des Kontinents, Vollbeschäftigung und Ostöffnung sind die Schlagworte in Orbáns “Wirtschaftsprogramm”. Ein 10-Punkte-Plan soll den Wählern Halt geben, doch die Parolen sind Offenbarungen eines wirtschaftspolitischen Blindflugs zwischen Staatswirtschaft, Klientelpolitik und Hochrisiko-Stunts. Dem Wahlvolk wird soll Stärke vorgekaukelt werden. Aber wie realistisch sind die Gegenentwürfe der Linken? Und auch die Grünen stellten ihre wirtschaftspolitischen Grundsätze vor.

Man sei bei der "Reindustrialisierung" des Landes auf einem guten Weg, brauche aber noch viel "mehr Industrieparks" um attraktive Rahmenbedingungen für Investitionen zu stellen, sagte Orbán bei der Einweihung einer Müllrecycling-Anlage im ostungarischen Karcag am Donnerstag. Er rechnete vor: Derzeit habe die Industrie einen Anteil von 23% an der Wirtschaftsleistung des Landes, der EU-Schnitt liege bei 15%, Ungarn sei daher nach Deutschland und Tschechien das "am drittstärksten industrialisierte Land Europas", man habe vor, sich "binnen vier Jahren", ganz an die Spitze zu setzen und "2018 Deutschland zu überholen"...

Wichtig sei nun, dass "nicht nur die Haushalte, sondern auch die Industrie die billigste Energie in Europa zur Verfügung haben werde", so der Premier am Mittwoch vor Vertretern der Industrie- und Handelskammer in Budapest, wobei er ankündigte, den “Energiekostenkrieg” nun auch der Industrie zu Gute kommen lassen zu wollen. Wieder peilte er eine Energiepreisniveau "wie in den USA" an. Dies sei "neben billigen (!!!, Anm.) und gut ausgebildeten Arbeitskräften" der wichtigste Faktor für eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit. Auch hier wieder der Vergleich mit Deutschland: Ungarn solle ein doppelt so hohes Wirtschaftswachstum wie Deutschland (also prozentual natürlich) anstreben, "Ungarn hat dafür das Potential".

Er werde dafür sorgen, dass sich die "globalen ökonomischen Partner" noch mehr für "Ungarns Erfolg interessieren", er nannte neben Japan, den USA, Indien und China, explizit auch Russland und die Türkei, gerade die Kooperation mit den beiden Letztgenannten "kann zu billigerer Energie führen".

Die weiteren Aspekte seiner "Wirtschaftsstrategie" bieten eine wilde Mischung zwischen kaum steuerbaren Ankündigungen, ideologisch getriebenen Maßnahmen und Wunschdenken:

- vollständige Auslastung der EU-Töpfe, von denen nicht die Multis, sondern der "ungarische Mittelstand profitieren" soll (
wie das geht, lesen Sie hier...)
- die Erhöhung der Zahl "exportfähiger ungarischer Mittelstandsbetriebe" von 2.000 auf 12.000 und zwar "so schnell wie möglich".
- die stärkere "Einbeziehung von heimischem (privatem) Vermögen zur Finanzierung der öffentlichen Schulden" (Anleihenverkäufe im Inland, noch freiwillig...)
- Energieversorger als staatlich kontrollierter non-profit-Bereich, weitere Energiepreissenkungen
- 50% des Bankenmarktes "in ungarischem Eigentum"
- "Restrukturierung der Bodenbesitzverhältnisse", um "die Proportionen zwischen kleinen und mittleren sowie großen Landwirtschaftsbetrieben auf 80 zu 20" zu verschieben
- weitere Reduzierung der Steuern auf Arbeit (einstellige Flat Tax, gleichzeitig Erhöhung von Verbrauchssteuern)
- Etablierung von "Erfinderzentren"
- "Einbeziehung demografischer Überlegungen in die ökonomische Entscheidungsfindung"
- Vollbeschäftigung

Sein Programm könne er in drei Worte zusammenfassen, so Orbán: "Wir machen weiter."

Schieben - Zinken - Fälschen
Orbáns ökonomische Erfolgsmeldungen im Faktencheck

Linke Opposition: "Orbáns Ungarn existiert nicht".

Mehr als diese drei Worte habe Orbán nicht anzubieten, zumindest kein Programm, das diesen Namen verdient, kontert die linke Opposition. Der Spitzenkandidat des Linksbündnisses "Regierungswechsel", MSZP-Chef Mesterházy hielt Orbán vor, außer mit dem kurzfristigen Blendwerk der Energiepreissenkungen, nichts anzubieten zu haben. Der Schuldenstand des Landes sei - trotz enorm hoher Zusatzbelastungen und Einmaleffekte - höher als 2010, die Arbeitsmarktdaten gefälscht, bis zu 5 Mrd. EUR EU-Fördergelder stünden wegen Fehlvergaben auf dem Spiel. Die anhaltende Forintschwäche bringe Hunderttausende Bürger an den Rand des Ruins und immer mehr darüber hinaus. Zu dem 10-Punkte-Plan sagte er: das Ungarn, das Orbán behauptet, existiert nur in seiner Fantasie, mit der Realität hat das nichts zu tun.

Wie realitätsnah ist die Opposition?
Last-Minute-Versprechen: Linkes Oppositionsbündnis zimmert waghalsiges Wirtschafts- und Steuerprogramm

Grüne: Kreativität und Wissen statt "Montagehalle Ungarn"

 

Auch die grün-liberale LMP leistete nun ihren Beitrag zur Ökonomiedebatte im Wahlkampf, mit dem Versuch sich von den Agenden beider politischen Großlager möglichst deutlich abzuheben: LMP-Chef und Spitzenkandidat András Schiffer sagte am vergangenen Mittwoch: Die Regierungen der letzten 25 Jahre hätten darin versagt, Ungarn an den Westen heranzuführen und aus dem Land lediglich eine "Montagehalle" gemacht, auch Orbáns Floskel von der "Reindustrialisierung" bedeute nichts anderes als sich weiter von den großen Ökonomien abhängig zu machen, anstatt organisches Wachstum aus eigener Kraft zu befördern.

Orbáns Arbeitsmarktpolitik sei ein einziges Versagen, anstatt der versprochenen 1 Mio. neuer echter Jobs, gäbe es im Land nun weniger Jobs in der Realwirtschaft, dafür ein Heer von Arbeitssklaven und eine nie dagewesende Abwanderungswelle, so Schiffer. Dem wolle die LMP eine "grüne Revitalisierung" des Landes entgegenstellen, eine Politik, die auf Kreativität und Wissen und auf Kleinunternehmertum basiert. Damit könne man "sogar bei einer neuen Wirtschaftskrise" 300.000 bis 400.000 Jobs schützen, um eine "soziale Wirtschaft" zu entwickeln, wolle die LMP einen Fond von jährlich 700 Mio. EUR zur Verfügung stellen, gesonderte Förderporgramme sollten Investitionen in Erneuerbare Energien und nachhaltige Wirtschaft begünstigen.

cs.sz.

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