THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 30 - 2014 BOULEVARD 24.07.2014

 

Kommunalwahlen in Ungarn am 12. Oktober 2014: Verfassungsgericht hat keine Einwände gegen politische Entmündigung der Budapester

Staatspräsident János Áder hat die anstehenden Kommunalwahlen auf den 12. Oktober 2014 bestimmt. Die Entscheidung folgt auf ein Urteil des Verfassungsgerichtes, wonach die kurzfristig veränderte Gesetzgebung hinsichtlich der Zusammenstetzung und des Wahlmodus` für das Budapester Stadtparlament in den wesentlichen Punkten verfassungskonform sei.

Am 6. April gelang es den Kandidaten der Linken erstmals wieder einige Wahlbezirke direkt zu gewinnen. Die Rache für das “rote Budapest” folgte auf dem Fuße...

Fidesz hatte per legislativem Handstreich die Budapester Bürger politisch entmündigt, in dem man die Stadtversammlung von einem Parlament zu einem Rat der Bezirksbürgermeister + 9 Listenabgeordneten umwandelte, bei dem jeder Bezirk - unabhängig von seiner Einwohnerzahl - das gleiche Stimmengewicht hat und dem Oberbürgermeister mehr Machtbefugnisse zukommen. Details dazu.

 

Die Opposition spricht von einem Rachfeldzug der Orbánpartei gegen die "rote" Hauptstadt und eine Vorsichtsmaßnahme, sollten sich bei den Kommunalwahlen ähnliche Wahlergebnisse in den Bezirken abzeichnen wie bei den Parlamentswahlen, als 11 der 18 Wahlbezirke an Oppositionskandidaten fielen. Zu der Anti-Budapest-Kampagne, die besonders von Orbáns Amtsleiter Lázár forciert wird, gehört auch der Abzug von EU-finanzierten Verkehrsprojekten sowie die Umsiedlung mehrerer Ministerien in die Provinz.

Budapests Oberbürgermeister István Tarlós, Fidesz

Obwohl der politische Wille der Budapester hinfort nicht mehr abgebildet wird, also der Souverän keine Chance auf repräsentative Vertretung seiner Interessen bekommt, wollte das Verfassungsgericht im neuen Wahlrecht für Budapest keine Verstöße gegen Verfassungsgrundsätze erkennen, lediglich die Bestimmung der neun Listenkandidaten muss korrigiert werden. Das Urteil sagt also sowohl etwas über die Qualität der (Fidesz-)Verfassung aus wie über die mittlerweile erfolgreich abgeschlossene Umbesetzung des Gerichtes, wenn Grundprinzipien einer Demokratie offenbar keine Rolle mehr spielen.

Die Parteien des linken Spektrums, MSZP, DK, E2014, verurteilen die "unfreie und unfaire" Wahlgesetzgebung, wollen die "Herausfoderung aber annehmen". Sollten sie sich auf gemeinsame Kandidaten einigen können, ist eine Machtübernahme der Linken in Budapest auch nicht gänzlich ausgeschlossen, wobei aber Fidesz durch sein neues Wahlrecht dafür Sorge trug, dass die kleinen, wohlhabenderen und daher in rechter Hand verbleibenden Bezirke großes Gewicht behalten.

Die Hoffnungen der Linken liegen im Wesentlichen auf der Performance und dem Verhandlungsgeschick der jungen Ágnes Kunhalmi, dier erst kürzlich die Budapester Bezirksorganisation der MSZP übernahm und OB Tarlós als jemanden bezeichnete, der “unfähig ist, die Zerstörung Budapests zu verhindern.”

Die Grünen, die sich jeder Kooperation entziehen sowie die Neonazis von Jobbik, die sich in Budapest schwerer tun als in der Provinz, könnten die großen Verlierer des Block-Wahlkampfes und des darauf zugeschnittenen neuen Systems werden und in der Hauptstadt gänzlich aus dem Rathaus fliegen.

Fidesz-Oberbürgermeister, István Tarlós, begrüßte das VfG-Urteil, er freue sich auf die "neuen Befugnisse", die es möglich machten, "Budapest besser und ohne Behinderungen zu regieren", unabhängig davon "ob die Rechte oder die Linke am Ruder" sei.

 

Wie im nationalen Parlament dominiert Orbáns Fidesz auch die Kommunalstrukturen. Auf großstädtischer Ebene werden lediglich der XIII. Bezirk von Budapest sowie die südungarische Stadt Szeged von der MSZP gehalten, in vielen Provinzen liefern sich Fidesz-Kandidaten bzw. von Fidesz unterstützte "Unabhängige" enge Duelle mit Jobbik, der derzeit führenden Oppositionskraft im Lande. Nur dort, wo die Linke gemeinsam auftritt und außerdem noch einen überzeugenden Kandidaten aufbieten kann, betstehen gewissen Chancen auf eine Verbesserung ihrer Position im Oktober.

Die massive Zentralisiserungspolitik Orbáns sorgte jedoch dafür, dass die Kommunalpolitik kaum noch über praktische Macht verfügt. Mit dem Aufbau von 117 Regierungsbüros hat man eine parallele Verwaltungsstruktur der Zentralregierung aufgebaut, Schulen, Krankenhäuser und Kultureinrichtungen sind überwiegend verstaatlicht worden, auch die Zuweisung von EU-Projekten erfolgt seit kurzem direkt und ausschließlich über das Amt des Ministerpräsidenten.

red.

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