THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 39 - 2014 NACHRICHTEN 22.09.2014

 

Falus hängt durch, Bokros kommt: Kandidat der Mitte überflügelt linken Herausforderer für Budapest-Wahl. Was nun?

Mehrere aktuelle Umfragen zu den Kommunalwahlen am 12. Oktober sehen Lajos Bokros (Foto), Gründer der Kleinstpartei "Bewegung für ein Modernes Ungarn", MoMa, noch vor dem gemeinsamen Kandidaten der Linken, Ferenc Falus liegen.

Ersteren würden dezeit 14% der Budapester wählen, Letzteren nur ca. 11%. Freilich kommen beide so nicht an Amtsinhaber Tarlós von Fidesz heran, der zwischen 45-50% Zustimmung der Wahl Entschlossenen hat. Der Grüne Csárdi, LMP sowie der Neonazi Staudt von Jobbik kommen je auf 7%. Bei den Parteipräferenzen sieht es übrigens etwas anders aus, da hält Fidesz im “roten” Budapest nur bei ca. 33%.

 

Aufgrund dieser Gemengelage verdichten sich Foderungen, dass die Linke ihren Kandidaten zu Gunsten von Bokros zurückziehen könnte oder vielleicht sogar sollte. Für diesen spricht eigentlich nicht viel mehr als seine im Vergleich zu Amtsarzt Falus bedeutend höhere Bekanntheit. Immerhin war er Finanzminister unter einer sozialistischen Führung und sein Sparpaket aus den 90er Jahren werden viele Ungarn womöglich nie vergessen.

Immerhin: er blieb - im Unterschied zu den meisten Weggenossen - über die Jahre weitgehend skandal- und korruptionsfrei, seine Wandlung zu einem "modernen Konservativen" während seiner Zeit als EU-Parlamentarier nehmen ihm nicht alle ab, doch zudem ist er auch noch eine auffällige Erscheinung und verbreitet die Aura eines gutsinnigen, fröhlichen Onkels. Bokros ist irgendwie Kult. Das ist in Summe mehr, als das Budapester Publikum in den letzten Dekaden geboten bekam.

Rechnen wir Bokros´ 14% +  11% von Falus, dazu eine Mobilisierungswirkung auf die vielen Unentschlossenen (57%) von ca. 10 Punkten, ein paar Abtrünnige aus dem Grünen-Lager 3% und etwas Endspurtphantasie hinzu, kommen wir auf mögliche 38% bis 40%+x, womit es in der "Schlacht um Budapest" tatsächlich zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen könnte.

Doch die MSZP wäre nicht die MSZP, wenn sie nicht sofort auf die Bremse drückt. Sich mit den Kollegen von E2014-PM und DK zu einigen, war der ansehnlichen, aber in der intriganten Männerpolitwelt reichlich unerfahrenen MSZP-Bezirkschefin Ágnes Kunhalmi schon fast entglitten, wie kommt man jetzt dazu, auf den so schwer aufgestellten Falus zu verzichten? "Ein Verzicht Falus` kommt nicht in Frage", stellte sie klar und ergänzte: "unser Kandidat geht mit großen Chancen ins Rennen." Vielleicht mit Chancen auf die Lachnummer der Wahl.

Allerdings ist Vorsicht geboten. Die entscheidene Umfrage kam nämlich vom regierungstreuen Institut Nézöpont und es wäre nicht das erste Mal, dass die Regierungsmedien auf diese Verwirrung stiften und sich durch das Streuen einiger Stichworte am wilden Gehacke der Linken erfreuen. Es könnte also eine Falle sein.

 

Ist das Thema damit durch? Noch nicht. Wie Beobachter der politischen Szene in Ungarn wissen, ist nichts gewiss, schon gar nicht bei der Linken und Ferenc Gyurcsány von der DK hat immer das letzte Wort. Sollte sich die Sache medial hochschaukeln - und so etwas kann der Feri (!), kann es immer noch sein, dass Bokros drei Tage vor den Wahlen doch noch zum gemeinsamen Spitzenaugust ernannt wird. Gyurcsány ist jeder Recht, der sich zum Verheizen vor ihn stellt, auf dass er auch weiterhin im Hintergrund die Strippen am Kadaver der ungarischen Linken ziehen kann.

Nur nebenbei: der Oberbürgermeister wird der Listenerste der stimmenstärksten Partei, also indirekt direkt gewählt. Er und die 23 - ebenfalls auf diese Art zu wählenden - Bezirksbürgermeister stellen dann - zusammen mit 9 Abgeordneten von sog. Kompensationslisten - das, was heute noch ein repräsentative Stadtparlament ist. Es wurde von der Regierungspartei kurzerhand zum Rat der Bezirksbürgemeister umgemodelt.

Mehr zu den Trends, Stimmungen und zur Bedeutung der Kommunalwahlen in Ungarn in unserem
umfassenden Vorbericht.

red.

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