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(c) Pester Lloyd / 36 - 2015   POLITIK    04.09.2015

 

Vorspiel in Bicske: Der Westen hakt Orbáns Diktatur als "Schutz der Schengengrenze" ab

Mit mühsam menschlich verzerrter Miene präsentierte sich Ungarns Premier Orbán am Donnerstag an der Seite des EU-Parlamentspräsidenten, um zu erklären, dass er sich weiterhin Geld abholen, aber sonst nichts sagen lassen wird. Kurz danach gingen die ersten "Transporte" aus Budapest ab. Der "Gutmensch" Schulz versuchte es noch mit dem Flehen nach "gemeinsamen Lösungen". Doch ein Orbán braucht diese nicht, selbst wenn es sie gäbe. UN-Blauhelme oder eine Eingreiftruppe wären die passendere Antwort gewesen.

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Als Orbán heute morgen - mit kokainartig aufgerissenen Augen - seine abgedroschenen, zunehmend dümmlicher wirkenden Phrasen vom drohenen Untergang Europas und dem magyarischen Recht zur Selbstbehauptung in Brüssel verschoss, da wusste er schon, dass zu gleicher Stunde, die am Ostbahnhof in Budapest ausharrenden, tausenden Gestrandeten mit falschen Versprechungen in Züge gelockt wurden, um sie nicht in den aufnahmebereiten Westen, sondern in ungarische Auffanglager zu bringen. Gegen ihren Willen, als durch Anwendung von Gewalt. Nicht wenige dachten da an 1956 oder 1989, manche auch an 1944. Wie sich die Bilder gleichen...

Als die verzweifelten Menschen dieses erneuten Betruges der ungarischen Behörden gewahr wurden, kam es zum Polizeieinsatz, zu Schlägen, Abgeführten, warfen sich Mütter verzweifelt mit ihren schreienden Kindern auf Schienen, durchaus die Dramatik des Moments erkennend, wer will es ihnen verdenken, - verschanzten sich die seit Wochen Umherirrenden in den Zügen. Dort werden sie nun von der Polizei belagert. Trinkwasser wird verweigert, während die Polizei im Schatten ihre Lunch-Pakete in Empfang nimmt. In Bicske gibt es keine NGO´s.

Die Polizeiführung hat klar gestellt, die Registrierung mit allen Mitteln umzusetzen und die Weiterreise zu unterbinden. Das ist eine politische Entscheidung. Die Flüchtlinge wollen "lieber sterben als ins Lager". Das ist eine verständliche Entscheidung.

Der Westen hakt die "Vorkommnisse", die eine neue Qualität darstellen unter "Schengen" ab und Orbán, der dafür noch ein paar Millionen extra bekommt, kommt das Chaos im eigenen Land sowieso gelegen.

Zivile Helfer, Journalisten, wirklich besorgte Bürger, auch in Ungarn, sind fassunglos. Es gibt sehr viele Menschen, die beim Anblick verzweifelter Menschen, weinender Kinder mitleiden - Empathie empfinden. Die nicht verstehen, warum man diese Menschen nicht wenigstens menschlich behandelt, ihnen Essen, Trinken, einen Rat und etwas Sicherheit gibt, so lange man ihnen keinen Ausweg bieten kann oder will. Es gibt sehr viele, die sich, aus welchem Schaden heraus auch immer, am Leid anderer ergötzen. Gescheiterte Existenzen, die ihren Selbsthass in politische Formeln übersetzen oder sich von Scharlatanen vom Schlage Orbáns einfangen lassen, um sich aus dem Spiel zu nehmen und die ganze innere Wut, ihren Hass gegen anderezu schleudern. In Ungarn, in Deutschland, überall. Wir erfahren das per Mail, per Kommentarfunktion Tag für Tag. .

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Polizei in Kampfmontur gegen Mütter mit Kindern, junge Männer, Fliehende vor den Gräueln eines Krieges, bei dem es keine Seite gibt, für die es sich zu kämpfen lohnte. Sie bringen ihr Leben in Sicherheit und uns auch ein Stück verfehlter, westlicher Politik zurück. Jahrzehnte haben wir ihre Despoten gefüttert, uns mit ihnen arrangiert und Geschäfte betrieben, nun unfähig oder unwillig ihren Sturz in geordnete Bahnen zu lenken, unfähig und unwillig den Menschen das Kapital für einen Neustart zu geben: den Frieden. Solange wir im Kalten Krieg geschulte "Eliten" unsere Leben bestimmen lassen, wird das so weiter gehen. Solange der Markt vor dem Menschen steht, sowieso.

Die Flüchtlinge indes überlebten Assads Bomben, sogar die westliche "Hilfe", die Taliban, den Terror des IS, Schikanen und Gewalt von Menschenschleppern und korrupten Polizisten, Wetterwidrigkeiten, Hunger, lange Wartezeiten, viel Ungewissheit auf dem Balkan. Jetzt, in Budapest, vermeintlich Europa angekommen, sollen sie scheitern? Ein überfülltes Lager ohne jeden zivilisatorischen Mindeststandard, geführt von einer völkisch-nationalistischen, kleptomanischen Regierungspartei in Ungarn soll nun Endstation sein? Und dann? Die Rückschiebung nach Serbien, Griechenland von Abertausenden. Wie stellt sich Ungarn, wie stellt Europa sich das vor? In Buskonvois, begleitet von Schützenpanzern oder lieber gleich in Viehwaggons?

Die Regierung Orbán hat
in 13 Punkten bereits alles Nötige für die nächste Eskalationsstufe vorbereitet: "Die Gnadenfrist endet am 15. September." drohte schon sein Kanzler. Bicske war nur ein Vorgeschmack, ein Vorspiel. Ungarn ist auf dem Weg, das terrestrische Mittelmeer Europas zu werden, die Todespuszta.

Wir meinen: man hätte es vielleicht ahnen können. Welche Emapthie gegenüber Fremden kann man von jemandem erwarten, dem schon der geringste Anstand gegenüber den Benachteiligten unter seinen eigenen Bürgern, jeder Respekt gegenüber europäischen Grundwerten abgeht? Orbán sagte vor wenigen Minuten (Do, 18.45 Uhr) “Wir (Ungarn) wollen nicht mit so vielen Moslems zusammenleben.” - Wie viele Europäer wollen noch mit solchen Orbáns leben?

Orbán, der pathologische Demokratie- und Menschenverächter, hat heute einmal mehr sein wahres Gesicht gezeigt, das offizielle Europa lässt ihn immer noch gewähren, beide überschritten mit dem Zulassen der Ausschreitungen in Bicske eine rote Linie, die sich die Bürger nicht mehr gefallen lassen dürfen, wenn ihnen wirklich etwas an europäischen Werten liegt.

 

Die EU-Kommission hat heute den Rat der Regierungschefs aufgefordert, "aufgrund der beängstigenden Situation in Italien, Ungarn und Griechenland", ein Kontingent von weiteren 100.000 bis 120.000 Flüchtlingen auf Europa aufzuteilen. Am 8. September soll darüber entschieden werden. Zu spät, zu wenig. Den Verantwortlichen in Europa ist hoffentlich klar, dass man keinem dieser Flüchtlinge Ungarn zumuten kann und eigentlich die schnelle Eingreiftruppe her müsste, um in Orbáns Reich die Menschenrechte für die Flüchtlinge wieder herzustellen? Polemisch? Ja, sehr. Aber die Lage ist zu ernst für Kuscheltalk.

Anm.: Am Sonntag, 6. September, startet ab Wien ein privat organisierter Konvoi als Schienenerstazverkehr.
https://www.facebook.com/events/1615305105404161/, um Flüchtlinge in Sicherheit zu bringen. Wir bitten die Leserschaft um Aufmerksamkeit und Unterstützung dieser Initiative.

red. / cs.sz.



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