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(c) Pester Lloyd / 39 - 2015   BOULEVARD    23.09.2015

 

Jedem Paladin sein Baldachin: Orbán bastelt weiter an seiner Bananenrepublik

Der ungarische Premier hat im Hahnenkampf zwischen dem gerade zum Kabinettschef ernannten Fraktionschef Rogán und seinem Quasi-Kanzler Lázár den Weg König Salomons gewählt, - glaubt er zumindest. Lázár wollte nicht unter, nicht einmal neben Rogán arbeiten und soll Orbán sogar ein Ultimatum gestellt haben. Ein Machtkampf? Nein, nur eine weitere Posse aus Orbánistan.

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Von rechts nach rechts: Antal Rogán, János Lázár, Viktor Orbán und Péter Szijjártó, der mit dem sog. Ministerium für Außenwirtschaft und -politik schon sein Spielzimmer bekommen hat.

 

Anstatt den Abgang Lázárs zu riskieren und sich den Konkurrenzkampf der beiden Ehrgeizlinge im Amt des Ministerpräsidenten anzusehen, schuf Orbán ein neues Ministerium, das "Ministerium für Allgemeine politische Koordination". Darin wird der neue "Politkommissar" Rogán vor allem für Personalfragen, also die interne Überwachung und Disziplinierung des Kaderkorps sowie der regionalen Fidesz-Organisationen zuständig sein, während Lázár die Regierungsagenden weiter im Amt des Premiers - praktisch dem Zentralkomitee - umsetzt: also Verteilung der EU-Milliarden, Tuning von Gesetzen, Geheimdienstkoordination, Außenpolitik etc., die große Linie eben.

Einige, sich als Kenner der Szene vermeinende Beobachter, interpretieren diesen Schritt als einen notwendigen Kompromiss Orbáns, der also doch nicht der alleinherrschende Sonnenkönig zu sein scheint, für den ihn seine Kritiker immer so unfairerweise halten, sondern auf mittlerweile gewachsende Machtzentren in seiner Partei Rücksicht nehmen müsse. Man liegt damit - wie immer - völlig daneben. Wenn Orbán morgen Rogán und Lázár feuern würde, wäre ihm eher der geschlossene Applaus der wartenden Meute Höflinge sicher, seine parteiinterne Macht würde dadurch nicht wanken. Aber solche Irrtümer entstehen eben, wenn einer immer noch an demokratische Machtdynamiken im Hause Orbánien glaubt. Lázár hätte sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht getraut Orbán eine Pistole oder auch nur ein Wattebäuschchen auf die Heldenbrust zu setzen und wenn sein Abgang kommt, dann nicht so,
sondern: so.

Wie auch immer, der
grundsolide Immobilienexperte Rogán beeilte sich sogleich "eher" die "Unterstützung des Premiers" als "irgendwelche konkreten Bereiche" als seine Aufgabenbeschreibung abzuliefern. Er werde "tun, was immer der Ministerpräsident" will. Mit Lázár will er "konstruktiv" zusammenarbeiten. Schön. Dank des eigenen Ministeriums muss er das aber nicht und kann sich darüber freuen, dass Lázár, dieses Schaubild des neuen Ungarns, sich vor Eifersucht zerfrisst, wenn Orbán in Rogáns Ministerium Besprechungen ohne ihn abhält.

Offenbar wird Orbán seinen persönlichen Beraterstab außerhalb des Tagesgeschäftes bei Rogán ansiedeln, sozusagen dem ZK ein Politbüro vorschalten - was ja in anderen Fällen immerhin 40 Jahre eine haltbare Struktur gewesen ist. Leute wie die "Regierungskommissare" und Assoziierte wie Casino-Mogul und Filmzensor
Vajna, Medienrumeplstielzchen Habony, László, der Baumeister, Simon oder auch Off-Shore-István Garancsi könnten sich dann dort tummeln und die ganz, wirklich ganz persönlichen Agenden Orbáns beackern.

Hohn und Spott sind dieser verkorksten Amtshandlung von Anbeginn sicher: die "Sozialisten" von der MSZP orten einen "schweren, internen Kampf" von Leuten, "die sich nur um ihre eigene Zukunft sorgen". Jobbik sieht eine Ministerium für "Off-Shore-Angelegenheiten" entstehen, Gyurcsánys DK erkennt Rogán als "Propagandaminister", der "Lügen und Hetzkampagnen koordinieren" wird. Die DK sieht nun zwei Ministerien für die zwei "zankenden Musterschüler" Orbáns, "zwei Minister der zwei Ämter des Ministerpräsidenten" oder kurz gesagt: Bananrepublik. Orbán solle nicht vergessen, dass es auch sicherlich noch ein paar Dutzend Staatssekretäre und Regierungskommissare bedarf (bei diesem Casting hält Orbán bereits einen historischen Rekord.)

Klar ist heute schon. Die Rochaden der Prinzengarde und die Dekonstruktion der Regierungspyramide passen ganz wunderbar in die Strategie, im Lande in ein paar Jahren eine
Präsidialautokratie zu errichten, die sich mit dem Einzug in die neuen Herrschaftsräume auf der Budaer Burg, Orbáns künftigen Kreml, auch physisch manifestieren wird. Glückliches Ungarn: Wann und wo findet und fand man in der Politik schon einmal den erfreulichen Umstand, dass Form und Inhalt so zusammen passen.

cs.sz.

 



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