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(c) Pester Lloyd / 42 - 2015   POLITIK    14.10.2015


Machtkämpfe und Intrigen: Wirbelndes Personalkarussell im Erlebnispark Orbán

Erst kürzlich sorgte die Entlassung des Verteidigungsministers Hende sowie die Schaffung des "Propagandaministeriums" für Aufsehen und gab Einblick in die Führungskultur Orbáns. Doch auch auf anderen Ebenen, in den Ressorts Justiz, Gesundheit und Finanzen herrscht ein derzeit ein quirliges Kommen und Gehen. Machtsicherung und Treue als Motivation.

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Am Montag hat das ungarische Parlament mit der Regierungsmehrheit die Schaffung eines weiteren Ministeriums, für "Politische Kommunikation", beschlossen. Damit verfügt Ministerpräsident Orbán nicht nur über ein mit 800 Mann besetztes Amt des Ministerpräsidenten unter Leitung von "Kanzler" Lázár, das praktisch alle Ministerien spiegelt und damit sämtliche Machtfäden in der Hand hält, sondern jetzt auch über ein eigenes "Propagandaministerium" wie Opposition und unabhängige Medien einhellig kritisieren, unter Leitung von Ex-Fidesz-Fraktionschef Antal Rogán. Über die Hintergründe und Aufgaben dieser neuen Struktur finden Sie
hier einen ausführlichen Bericht. Neuer Fraktionschef wurde Fidesz-Vize Lajos Kósa.

Vor einigen Tagen wurde der Staatssekretär im Ministerium für Justiz und öffentliche Verwaltung, Róbert Répássy, gefeuert. Die Aktion kam für viele Beobachter überraschend, Répássy galt nämlich als einer der wenigen, der neben seiner Fidesz-Treue auch fachliche Fähigkeiten gehabt haben soll. Allerdings war er ein Hardliner, der seine juristische Finesse ausschließlich zur Ausbotung demokratischer Kontrollmechanismen und rechtsstaatlicher Grundsätze nutzte. Als wirklicher Grund für die Ablösung schält sich indes sein hoch entwickeltes Mitteilungsbedürfnis heraus, so soll Répássy - ohne Spaß - "eigene politische Ansichten" vernehmlich geäußert haben, was natürlich im Sinne der nationalen Einheit heute nicht mehr tolerabel ist. Knackpunkt soll Kritik an der Ernennung einer Fidesz-treuen Greichtspräsidentin als Supverisor und "Politkommissar" für Ungarns Richter gewesen sein. Den Job erhielt die Gattin des Fidesz-EU-Abgeordneten und Hauptgestalters der neuen Verfassung, József Szájer. Bei einer Aussprache mit Orbán soll der Delinquent durch einen unpassenden Scherz aufgefallen sein. Übrigens zählte auch sein damaliger Chef, Minister Navracsics zu den Gegenstimmen der Gerichtsaufseherin, was seine Delegation nach Brüssel erklärt. Répássy selbst gestand ein, dass es in seiner Partei Kreise gebe, die ihn diskreditieren wollten, niemals hätte er sich gegen Orbáns Intentionen gestellt.

Finanzstaatssekretär András Tállai wurde zum Regierungskommissar für die Um- und Neustrukturierung des Finanz- und Zollamtes NAV ernannt. Er soll die gesetzlichen und organisatorischen Voraussetzungen dafür schaffen, die Stuerbehörde künftig als eine Art Staatssekretariat des Finanz- und Wirtschaftsministeriums zu führen, nach außen aber den Schein einer unabhängigen Behörde zu wahren. Dies ist die Konsequenz aus dem Eigenleben, das die Behörde unter der wegen interntanaler Korruptionsvorwürfe nicht mehr haltbaren Chefin Vida führte. Dabei wurde das Wissen um Absprachen, Insidergeschäfte und krumme Verbindungen zwischen Regierungspolitikern und Wirtschaftskreisen derart gebündelt, dass selbst die höchsten Player am Schluss Angst haben mussten, erpressebar zu sein. Eine enge Anbindung an die Regierung soll hier die Infoflüsse besser kontrollierbar, notfalls anhaltbar machen. Offizielle Version, wie gehabt: Steigerung der Effizienz des Amtes etc. Tállai erste Ankündigung als Kommissar bestand darin, dass mit Stellenstreichungen bei den 23.000 Finanz- und Zollbeamten zu rechnen sein wird. Angesichts der geschätzten Steuerausfälle durch -vermeidung und -hinterziehung in Höhe von rund 35% des BIP eine mutige Ankündigung. Teil der Umgestaltung soll auch die Einstufung von Unternehmen in "vertrauenswürdig", "durchschnittlich" und "riskant" hinsichtlich ihrer Steuerehrlichkeit erfolgen. Daraus reslutiert dann die Häufigkeit und Tiefe von Steuerprüfungen. Die Maßnahme wurde umgehend von Experten kritisiert, die Einstufung könne willkürlich vorgenommen werden und so Günstlingsfirmen aus der Steuerprüfung ausnehmen.

 

Neuer Staatssekretär für Gesundheit im Superministerium für "Humanressourcen" (Balog) wird Zoltán Ónodi-Szűcs. Er war bisher Chef der AEEK, praktisch der zentralen, staatlichen Krankenkasse und Krankenhausverwaltung. Er folgt Gábor Zombor nach, der vor einigen Wochen aus "privaten und familiären Gründen" zurücktrat. Diese bestanden darin, dass er bei der Sanierung der staatlichen übernommenen Kommunalkrankenhäuser versagt haben soll. Auch gelang es ihm nicht, die Proteste der Angestellten sowie deren Abwanderung zu beenden. Der neue Staatssekretär kündigte an, die Finanzierung des Gesundheitswesens nicht mehr an den Bedürfnissen der Institutionen, sondern an denen der Patienten ausrichten zu wollen. Was das praktisch bedeutet, bleibt freilich offen. Das geplante "Superhospital" in Buda befürwortet er.

red.


 

 

 

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