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(c) Pester Lloyd / 42 - 2015   POLITIK    12.10.2015


Operation Leberwurst: Ungarn schmiedet militärische Koalition auf Kosten Kroatiens und Europas

Militärische Grüppchenbildung, vielleicht noch entlang der Bruchstellen historischer Feindschaften und unter Führung eines größenwahnsinnigen Egomanen, ist das Vorletzte, was das politisch fragmentierte Europa jetzt noch braucht. Doch genau darauf läuft die "Operation Gemeinsamer Wille" hinaus - Frontbildung gegen Kroatien. Ungarn will so eine Präzdenz schafen, die EU zwingen, eine gemeinsame Armee in Griechenland einzusetzen. Und Orbán, der Wahnsinnige, will unbedingt Feldherr spielen.

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Grenze zwischen Kroatien und Absurdistan: Während die ungarische Polizei oben ihre Arbeit macht und alles im Griff hat, lässt Orbán absurd bewaffnete Feuerlinien aufziehen. Was wollen die tun, wenn es Rambazamba gibt. Mit Sturmgewehren auf Zivilisten schießen?

Weiterführende Links und News zur Flüchtlingskrise in und um Ungarn

Visegrád Vier: Orbáns politische Wanderbühne

Der lose Staatenbund Visegrád Vier, einst gedacht als gemeinsame Plattform von Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn, um als gemeinsame Stimme des Ostens gegenüber den großen Playern der EU aufzutreten, war schon einige Zeit nur noch ein Bühnenbild für den Selbst- und Einzeldarsteller Orbán, das immer dann zu Ehren kam, wenn dieser behaupten wollte, dass praktisch ganz Osteuropa so denkt wie er.

 

In letzter Zeit zogen sich vor allem die Polen aus dieser Instrumentalisierungs-Show zurück, Ratspräsident Tusk ging die völlige Abkoppelung der Flüchtlingspolitik von EU-Wegen zu weit, die Slowaken ziehen immer nur dann mit, wenn es um schrillen Nationalismus geht und bei den Tschechen ändert sich die Haltung als Bindeglied zwischen EU und Osteuropa bekanntlich alle paar Wochen, doch ohne, dass das jemals sichtbare Auswirkungen gehabt hätte. Prag, Warschau und Bratislava beschauen sich die Budapester Veitstänze eher skeptisch als begeistert, halten am Ende aber doch lieber Brüssel die Stange, wohl wissend, wer ihre Zechen zahlt. Doch Orbán genügt in vielen Dingen die Behauptung, den Rest erledigt die PR-Abteilung.

So auch das aktuellste Potemkinsche Dorf. Außenminister Szijjártó reist derzeit mit der stolz geschwellten Brust eines etwas überdrehten Pfadfinder-Rudelführers durch die Welt und erklärt, dass "die Visegrád-Vier-Staaten gemeinsam die ungarische Südgrenze und damit die EU-Außengrenze schützen werden." Um sofort nachzuschieben: Wenn diese vier Länder in dieser Sache miteinander kooperieren können, dann könnten das die 28 EU-Länder auch - lies: und sollen also gefälligst den ungarischen Vorschlag von einer gemeinsamen Grenzarmee in Griechenland umsetzen.

Geballte Kampfkraft: Ein geliehener Helikopter und ein paar warme Worte

Tatsächlich findet sich im aktuellen Ungarischen Amtsblatt "Magyar Közlöny" ein Dekret des Ministerpräsidenten, dass "bis zu 1.000 Militärangehörigen der EU oder der NATO" die Arbeit auf ungarischem Territorium gestattet, um an der "Grenzverteidigungsoperation "Gemeinsamer Wille" teilzunehmen." Man könnte die Operation auch "Der Wunsch ist Vater des Gedankens" nennen, denn der gewaltige Aufmarsch der "Grenzverteidigungsoperation" besteht bis dato aus 25 (in Worten: fünfundzwanzig) tschechischen Polizisten, die sich den 6.000 ungarischen Sicherheitskräften und 4.000 Soldaten anschließen, einem geliehenen Helikopter aus Polen (weil die zwei ungarischen mal gewartet werden mussten) und ein paar warmen Worten aus der Slowakei. In Bratislava will man nachsehen, ob man noch ein paar Nachtsichtgeräte aus Warschauer Pakt-Zeiten erübrigen kann. Klar, dass vor dieser geballten Kampfkraft die "Horden" fremder "Eindringlinge" binnen Tagen weichen oder weinend Selbstmord am christlichen Bollwerk im Süden begehen werden...

Österreichische und deutsche Polizisten und Berater sind übrigens bereits seit Wochen bei ihren ungarischen Kollegen als Entwicklungshelfer im Einsatz, auch ohne Operationsnamen und PR-Tamtam, aber das hängt man in Budapst lieber tief, schwer wäre sonst die Dolchstoßlegende von den durch den Westen im Stich gelassenen Osteuropäern aufrecht zu erhalten. Gemeinsame Grenzpatrouillen mit den Slowenen wurden ebenfalls gestartet als Ersatz für den schnell - auf dringendsten Druck der EU - wieder eingerollten Stacheldraht an der Schengen-Innengrenze. Auch diese Partnerschaft hat keinen Kampfnamen erhalten.

Ungarn will der EU und Kroatien eine Lektion erteilen

Außenminister Szijjártó improvisierte am Rande eines Ministertreffens in Luxemburg einige Gespräche mit Kollegen von den Westbalkanstaaten und traf auch Vertreter der Hauptaufnahmeländer Türkei, Libanon und Jordanien. Aus diesen - von der EU organisierten Treffen - kreierte die Propagandamaschine der Budapester Regierung eine "EU-Balkan-Naher Osten-Flüchtlingskonferenz", die von Ungarn organisiert worden wäre und praktisch der EU vorführt, wie es laufen müsste. Daher werde man dem Europäischen Rat bald auch "Handlungsempfehlungen" übermitteln, die "der EU ein Beispiel geben". "Operation Beleidigt Leberwurst" an der EU, die es wagte, die allumfassenden Lösungsvorschläge Orbáns nicht entsprechend zu würdigen, wäre also auch ein passender Name.
 
Brüssel ignoriert neue ungarische Waffenbrüderschaft

Dass die ganze PR-Aktion "Gemeinsamer Wille" auch darauf hinauslaufen könnte, Kroatien zu blamieren und Rache an dem widerspenstigen Transitland zu nehmen, das Ungarns "gesetzestreue Flüchtlingspolitik" als reine Lüge entlarvt und "nebenbei" einigen weiteren Zehntausend Flüchtlingen zum Durchmarsch gen Westen verholfen hatte, auf die Idee ist man in Brüssel längst gekommen, weshalb man die ungarische Waffenbrüderschaft auch kosenquent ignoriert oder als übliche EU-Kooperation qualifiziert. Militärische Grüppchenbildung, vielleicht noch entlang der Bruchstellen historischer Feinschaften und unter Führung eines größenwahnsinnigen Egomanen, ist das Vorletzte, was das politisch fragmentierte Europa jetzt noch braucht... Und sich nur auf den Dilletantismus in der Umsetzung zu verlassen, ist auf Dauer doch eine etwas dünne Versicherung für den Frieden.

Orbán, im árpádisch-conquistorischen Wahne gefangen, kopiert mit der Aktion die alten Mätzchen aus den Türkenkriegen, wo regioanale Herrscher Zweckbündnisse schmiedeten, um andere auszuspielen und eigene Zwecke zu verfolgen. Orbán ignoriert dabei nicht nur, dass Europa heute - im Unterschied zu den damaligen Alleinherrschern - klar definierte gemeinsame Ziele und Grundwerte hat, er ignoriert auch die Opfer mehrerer Jahrhunderte, die solche Kleinstaaterei hervorbrachte.

Kroatien ist entsprechend sauer und der lange, unschöne Schlagabtausch mit den ungarischen Nachbarn, persönliche und völkische Beleidigungen eingeschlossen, geht weiter. Ungarn hat es sich mit Österreich, Rumänien, Serbien und Kroatien verscherzt. Und das ist angesichts der drängenden gemeinsamen Interessen und ähnlich gelagerten Nationalismus` schon eine Kunst.

Karpatisch-balkanesischer Flüchtlingskreisel

Niemand traut den ungarischen Äußerungen noch, allen ist klar, dass Orbán jede Verabredung für eigene politische Zwecke mit einem Fingerschnipsen verraten würde - die Flüchtlinge dienen ihm dabei wechselweise als Geiseln und Schaufensterpuppen. Bald wird er ähnlich niedrige Übertrittszahlen von der kroatischen wie von der serbischen Grenze melden (die immer noch rollenden Züge verschweigt man einfach) und sich als regionaler Held feiern. Die Flüchtlinge werden dennoch kommen, über Bosnien, Kroatien, Slowenien, oder über Rumänien / Ungarn, notfalls auch über die Ukraine. Der von Ungarn mit seinem Zaunbau angeblasene karpatisch-balkanesische Flüchtlingskreisel wird so irgendwann zum Hurrican.

Kroatien fühlt sich ausgeschlossen und angegriffen

 

Der kroatische Innenminister Ranko Ostojic, den die Ungarn in Luxemburg von ihrer "Konferenz" zwar nicht ausschlossen, aber wie einen Schuljungen, der bei der Mannschaftswahl als letzter übrig bleibt, aus ihrer "gemeinsamen Grenzschutzgruppe" heraus ließen, sagte, dass es für sein Land "nicht akzetabel" sei, dass Ungarn seine Schengen-Außengrenze, also auch die Grenze zu Kroatien mit der Hilfe fremder Streitkräfte schütze. Das sei ein Angriff die nationale Souveränität Kroatiens, "ein feindlicher Akt" und auch gegen den Geist der Europäischen Gemeinschaft. Es sei zudem ein fatales und falsches Zeichen, dass "Militär, Polizei und Stacheldraht zwei EU-Mitglieder trennen."

Weiterführende Links und News zur Flüchtlingskrise in und um Ungarn

red.



 

 

 

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