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(c) Pester Lloyd / 43 - 2015   POLITIK     23.10.2015


Orbán in Madrid: "Europas Führer zerreißen den Kontinent..."

Ungarns Ministerpräsident Orbán hat im Rahmen des Kongresses der Europäischen Volkspartei (EVP) in Madrid am Donnerstag nochmals seine fremdenfeindliche Haltung manifestiert und ein gemeinsames, militärisches Vorgehen der EU gegen illegale Einwanderung gefordert. Gleichzeitig verteidigte er seine Alleingänge bei Grenzregime und der Kriminalisierung von Flüchtlingen, unbeeindruckt von durchs Wasser eiskalter Grenzflüsse watender Kinder und Frauen.

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Orbán auf dem Weg nach Madrid...

Orbáns kämpferisch im Vorfeld des Gipfels der europäischen "Konservativen" vorgetragenen Aussagen stehen im krassen Gegensatz zur an humanistischen Grundwerten und europäischer Kooperation orientierten Politik der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die als CDU-Vorsitzende ebenfalls Teil der EVP ist und als Führungsfigur dieser Parteienfamilie Orbáns Fidesz seit 2010 trotz massiven Demokratie- und Rechtsstaatsabbau sowie der Formung eines kleptokratischen Ständestaates den Rücken frei hält. Mehr dazu hier.

Orbán sagte in Madrid u.a. "Kein europäischer Führer hat das Mandat der europäischen Menschen für eine Einwanderungspolitik, die Hunderttausenden den Zutritt nach Europa ermöglicht." "Niemand hat dafür gestimmt." Die "Diskrepanz zwischen dem Willen der Völker und der Politik ihrer Führer kann Europa zerreißen." Nicht also seine Verweigerung einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik zerreißt Europa, sondern jene, denen die europäischen Werte wie Menschenrechte und Rechtsstaat nicht verhandelbar sind, tun dies.

Orbán forderte eine "ehrliche und offene Debatte, frei von politischer Korrektheit" über "die Zukunft Europas." (Unter der Abschaffung politischer Korrektheit - seinem Synonym für die linksliberale Imperialistenklasse, die eine Art Umvolkung in Europa vornimmt, versteht Orbán - ganz im Pegida-Duktus - die pauschale Verunglimpfung und Kriminalisierung der Flüchtlinge und ihrer Motive, die politische Lüge und das Schüren von Ängsten auf dem Rücken Hilfesuchender).

Mit Blick auf den von EU-Kommissionspräsident Juncker für Sonntag einberufenen EU-Gipfel, sagte Orbán, dass Slowenien jetzt um Unterstützung bitte, weil es unfähig sei, die Krise allein zu bewältigen (dass
Ungarns Grenzzäune Slowenien erst in diese Lage brachten - dazu kein Wort). Genau so sei es zuvor Ungarn ergangen, dass aber nun mit der Unterstützung der Visegrád-Staaten (CZ, SK, HU, PL) ein "starkes politisches Hinterland" habe. Orbán behauptet, dass seine Grenzzäune zu Serbien und Kroatien "eine Kontrolle des bisher unkontrollierten Stromes an Einwanderern" ermöglichten, "zum Schutz des Kontinents." 12.400 Flüchtlinge an Sloweniens Grenze an einem Tag widerlegen Orbán ebenso wie seine Ablehnung von von der EU betriebene Hot Spots in Ungarn, die einzig dazu geegnet gewesen wären, die Balkanroute kontrollierbar zu machen. Orbán hat sie lediglich verlegt, verschärft und geteilt.

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Überwiegend Kriegsflüchtlinge. Sie reisen nicht so komfortabel wie ein Orbán, wurden vom ihm zu weiteren demütigenden Umwegen gezwungen.

"Wir müssen unseren Lebensstil schützen, dazu gibt es bei uns in Ungarn einen starken nationalen Konsens", "diesem Zweck dienen unsere Grenzen". Dazu gehöre auch, endlich seinem Vorschlag zu folgen und eine multinationale Grenztruppe - unter Einbeziehung der Türkei - zu installieren. Eine "richtige Politik" wäre es, die Flüchltinge dahin zu schicken, wo sie herkommmen, nämlich in die Flüchtlingslager in der Türkei" und anderswo in der Region. Das habe "auch der Europäische Rat so beschlossen" und er hoffe nun, "dass diese Entscheidung auch so umgesetzt wird."

In vorherigen Statements im In- und Ausland hatte er die Füchtlinge als "kulturfremde" Bedrohung des christlichen Europas bezeichnet, als "organisierte Kriminelle", von denen "kein einziges Leben in ihrer Heimat bedroht" sei und unter denen "viele Terroristen" seien. Regierungsamtliche Hetzplakate, Militäreinsatz gegen Zivilisten und eine Sondergerichtsbarkeit für "Grenzverletzer" folgten dieser Kampagne, die Orbán just einen Tag nach den Anschlägen in Paris im Januar begann. Ungarn sei - wieder einmal in der Geschichte - das Bollwerk gegen eine drohende Islamisierung Europas - und wieder einmal werde es dabei allein gelassen.

Sein politischer Kontrahent, der gescheiterte Ex-Premier Ferenc Gyurcsány erwiderte heute, dass selbst die "radikalsten Schätzungen" nicht mehr als 10% Moslems für Europa prognostizieren, von einer "Islamisierung" könne keine Rede sein. Die Frage, ob wir Europäer in unseren Werten oder Traditionen, Gewohnheiten und - wenn man will - christlichem Glauben durch andere Menschen bedroht werden, die zu uns kommen, könne man nur verneinen. Vielmehr ist es die Angst und die daraus folgende Politik, die diese Werte angreift.

 

Während Orbán sich in Madrid produziert, reiste sein Außenminister Szijjártó nach Ankara und nach Moskau, zu den "neuen strategischen Partnern" Ungarns, denen Ungarn immer ähnlicher wird. Orbán ist ja in seinem Regierungsstil, mehr noch aber bei seinen politischen Inhalten quasi die provinzielle Quersumme aus Erdogan und Putin. Szijjártó glaubt, dass Russland und die Türkei "Schlüsselpartner" für eine Lösung der Flüchtlingskrise seien, wobei Russland eine "grundlegende Rolle beim Managen des syrischen Konfliktes" spiele, ein interessanter Euphemismus für die militärische Interventions Moskaus zu Gunsten des Massenmörders und Diktators Assad. In diesem Zusammenhang sind Aussagen des ungarischen Verteidigungsministers interessant, wonach Russland Bustransporte mit Flüchtlingen finanziere, um die EU zu destabilisieren. Mehr dazu.

Die Türkei habe bereits 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, offiziell. Tatsächlich könnten es längst 5 Millionen sein. Das Land habe eine "fantastische Performance" hingelegt, die EU sollte daher die Finanzierung der dortigen Lager übernehmen. Das Gleiche gelte für Jordanien, den Libanon und den Irak. Diese Forderung dürfte eine der wenigen Übereinstimmungen der ungarischen mit der europäischen Politik darstellen.

red.


 

 

 

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