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(c) Pester Lloyd / 49 - 2015   POLITIK     01.12.2015

Ganz besondere Bande: Orbán will mit dem Iran ins Geschäft kommen

Ungarns Premier Orbán sieht eine "neue Ära" in den Beziehungen seines Landes zum Iran anbrechen. Sein zweitätiger offizieller Besuch, der am Montag begann, ist der vorläufige Höhepunkt einer Annäherung, die bereits weit vor dem Atomdeal mit den Großmächten begann. Dass Orbán an anderer Stelle gegen Muslime hetzt, Ölscheichs und Mullahs aber umwirbt, ist für ihn kein Widerspruch. Zumal es zwischen Magyaren und Persern eine ganz besondere Bande zu geben scheint...

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Am Montag unterzeichnete Orbán in Teheran eine Reihe der bei solchen Besuchen üblicherweise designten bilateralen Vereinbarungen, u.a. ein Doppelbesteuerungsabkommen, Investitionserleichterungen und Kooperationen im Bildungsbereich, die es den bis dato 1.100 iranischen Studenten in Ungarn leichter machen soll, ihre Studienbeiträge ins Land zu bringen. Orbán wurde in der "Islamischen Republik" zuvor mit militärischen Ehren empfangen, worauf Gespräche mit Ministern und Wirtschaftstreibenden folgten.

 

Nach einem Treffen mit dem "Ersten Vizepräsidenten" Eshaq Jahangiri, einem von 12 Vizepräsidenten, die eine Art Regierung darstellen, äußerte sich der ungarische Gast vor der Presse. Er begrüße es, dass Iran "die Phase der Sanktionen überwunden" habe und nun "auf die globale wirtschaftliche und politische Bühne zurückkehren" könne. "Für uns Ungarn ist eine besondere Erfahrung hier im Iran zu sein, dem Zentrum einer so großen Zivilisation." "Wir sind gekommen, um eine Kultur des Respektes zu pflegen", der schon deshalb angebracht sei, da "die komplexen Probleme der Region nicht ohne den Iran gelöst werden können."

Eshaq Jahangiri erwartet sich von Orbáns Besuch vor allem wirtschaftliche Impulse, wobei er betont, dass Ungarn eines jener Länder sei, das schon seit Jahren bessere Beziehungen zum Iran suche. In Wissenschaften, Kultur, in der Landwirtschaft und im Energiesektor sieht der Vizepräsident künftige Betätigungsfelder. Es folgte eine weitere Reihe von Unterzeichnungen bilateraler Absichtserklärungen.

Orbáns Äußerungen der vergangenen Monate, in denen er immer wieder die "Flut" von Moslems für den nahenden Untergang Europas verantwortlich machte sowie die Fremdheit dieser Kultur und Religion als Gefahr für das christliche Europa darstellte, spielten bei seinen auf pekunäre Spekulationen zielenden Annäherungen an Iraner und Saudis keine Rolle. Hier bewegt er sich ebenso "pragmatisch" wie die großen Player. Die Vermeidung jeglicher Kritik an innenpolitischen, unmenschlichen und undemokratischen Zuständen in diesen Ländern und erst recht an der direkten Unterstützung des internationalen Terrorismus, lässt die Mullahs und Scheichs Orbáns Tiraden verzeihen, zumal diese erkennbar einem innenpolitischen Zweck dienen, - dem bekanntlich jedes Mittel recht sein darf.

Die Beziehungen zum Iran haben jedoch noch eine weitere, recht heikle innenpolitische Komponente. Ist doch der Iran sowohl bei den rechtsradikalen Esoterikern innerhalb und im Dunstkreis des Fidesz als auch bei den von Orbán als einzige zu fürchtende Opposition, der neonazistischen, rassistischen und antisemitischen Jobbik eine besondere Projektionsfläche. Letztgenannte betrachten den Mullahstaat als Bollwerk und Verbündeten gegen die angeblichen Weltherrschaftspläne des Judentums, in denen Ungarn längst eine Art europäisches Palästina darstellt. Iran-Flaggen in Jobbik-Rathäusern und Städtepartnerschaften zeigen diese Nähe in der Praxis.

So wie Orbán den Jobbiks in der Flüchtlingspolitik - aus Angst und Kalkül - praktisch jeden Wunsch von den fanatisch-starren Augen ablas, kann die verschärfte Annäherung an den Iran nun also ebenso als Maßnahme gesehen werden, den Jobbik-Anhängern zu verdeutlichen, dass auch Fidesz bemüht ist, deren Wünschen nachzukommen.

Um die etwas abstrus anmutende Partnerschaft zwischen Magyaren und Persern erklärbar zu machen, schmiedeten Ideologen und Pseudowissenschaftler des rechten Randes in Ungarn, darunter auch mit hohen staatlichen Orden bedachte "Kapazitäten", in den vergangenen Jahren im Bereich des Wahnsinnigen angesiedelte Gegenthesen, sowohl zur christlichen Genesis als auch zur finno-ugrischen Abstammungslehre. Kurz gesagt: Jesus war danach ein Prinz der Parther, eines im persischen Raum angesiedelten Frühvolkes. Die Parther wiederum waren Teil jener Reitertrupps, die alsdann das Karpatenbecken eroberten, mithin ist der Ungar nicht weniger als göttlicher Abstammung. "Genetiker" wiesen bereits daraufhin, dass die Doppelhelix des gemeinen Magyaren ähnliche Muster aufweise wie bestimmte Sternbilder, was die überirdische Herkunft zusätzlich belege.

 

Mögen diese "Theorien" sich auch kaum durchsetzen, es gibt genügend Menschen, die sie glauben, auch, weil sich daraus heutige Verschwörungstheorien besser erklären und Minderwertigkeitskomplexe kurieren lassen. Für den Praktiker Orbán sind sie nur schmückendes Beiwerk. Es ist kein Zufall, dass Ungarns Beziehungen zu Russland, China, Iran, Aserbaidshan, Kasachstan, Türkei und einigen anderen Diktaturen und Autokratien sich seit 2010 zusehends verbessert haben, während sich die zu den Nachbarn, der EU und den USA deutlich und kontinuierlich verschlechterten. Gleich und gleich gesellt sich eben gern. Orbán fühlt sich mit Ölprinzen, Mullahs und Kremlherrschern einfach wohler als mit sich mühsam plagenden, ausstrahlungsarmen Demokraten.

red / ms.

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