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(c) Pester Lloyd / 50 - 2015   POLITIK     12.12.2015

Entrechtung von Asylbewerbern: EU-Verfahren gegen Ungarn "Rachefeldzug"

In der abgelaufenen Woche eröffnete die EU-Kommission ein bereits seit einiger Zeit angedrohtes Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn. Im Kern geht es um die Entrechtung von Flüchtlingen vor der Justiz. Die Regierung in Budapest sieht darin eine Rache an Orbáns (fremdenfeindlicher) Politik sowie einen Erpressungsversuch hinsichtlich der Aufnahme von Flüchtlingen nach Quoten. Die EU wolle Ungarn gar "aus Schengen rausschmeißen."

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Es ist die alte Leier. Lässt die EU die Dinge bei den Mitgliedern laufen, ist sie zu nichts nütze. Beharrt sie jedoch auf die Einhaltung von gemeinsam beschlossenen Regeln, ist es ein feindlicher Akt. Orbáns rechte Hand und Stimme, Kanzler Lázár, erklärte die Einleitung eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens kurzerhand zum "Racheakt". Dabei fordert Brüssel nicht einmal alles ein, was in anderen Ländern Standard ist, sondern "nur" Menschenrechte und rechtsstaatliche Regeln, die Bürgern, egal welchen Landes in der EU zustehen.

Man stößt sich vor allem an dem verkürzten und verbogenen Asyl- bzw. Aufenthaltsprüfverfahren, das Ungarn seit September, also seit Inbetriebnahme der Eisernen Vorhänge mit
Sondertribunalen, Schnellverfahren, quasi Standgerichten abhält. Hier werden grundlegende Rechtsprinzipien missachtet. Unter anderem erfolgen Abschiebungen bereits vor Ablauf der Berufungs- bzw. Revisionsfristen. Berufungen werden teilweise ohne Anwesenheit der Berufenden abgehandelt. Neue Dokumente und Sachverhalte werden nicht als Berufungsgrund zugelassen. Verhandlungen und Urteile nicht immer in einer dem Antragsteller verständlichen Sprache abgehalten bzw. abgefasst, auch das ein schwerer Bruch europäischen Rechts. Pflichtverteidiger beenden Mandantengespräche, obwohl weiterer Klärungsbedarf besteht usw.

Rund 5 Dutzend "Einzelfälle" sind bereits beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig, Brüssel versucht durch sein Verfahren nun dieses Unrechtssystem insgesamt zu stoppen. Über einhundert ungarische Rechtsanwälte und Ex-Richter
hatten bereits vor Monaten auf die Missstände aufmerksam gemacht, aktive Richter nicht, ein Hinweis darauf, wie korrumpiert und widerstandslos das Justizsystem in Orbánistan bereits geworden ist.

Orbáns Sprachrohr Lázár behauptete am Donnerstag vor der Presse schlicht und einfach, dass Ungarn "überzeugt davon ist, dass unser Asylrecht im Einklang mit der Verfassung und den Menschenrechten ist" und der "Grund für das Verfahren darin zu suchen" sei, dass "Ungarn rechtlich gegen das Quotensystem" für die EU-weite Verteilung von Flüchtlingen vorgeht. Dieser Vorwurf einer politischen Motivation lässt sich jedoch schon anhand der Tatsache widerlegen, dass die Slowakei ebenfalls gegen die Quote klagt, jedoch nicht Ziel eines EU-Verfahrens geworden ist.

Auch die Vorschläge, Ungarn zeitweise aus der Schengenzone auszuschließen (Vorschläge, die allerdings noch keine zwingende Form aufweisen) seien "Teil des Rachefeldzuges" der EU-Führer, die "versuchen uns zu bedrohen und uns zwingen wollen Einwanderer aufzunehmen." 40.000 "Fremde" solle Ungarn aus Österreich und Deutschland zurücknehmen, "darin wird Ungarn nicht kooperieren." Den Ungarn aber "die Bewegungsfreiheit einzuschränken", das hingegen sei uneuropäische und das werden "wir nicht hinnehmen", erklärte Premier Orbán in einem Radiointerview vor einer Woche.

 

Neben der Anwendung von Artikel 26, der einen temporären Rausschmiss aus der Schengen-Zone bei Nicht-Einhaltung maßgeblicher Bestimmungen, u.a. Dublin, vorsieht, erachtet die ungarische Regierung auch die Initiative von über 60 Menschen- und Bürgerrechtsgruppen, Ungarn ein Artikel-7-Verfahren über ein europäisches Volksbegehren anzuhängen als einen Angriff der linkslinken, europäischen "Mafia". Rat, Parlament und Kommission hätten keine Mehrheiten für diese europäische "Atombombe" aufgebracht, daher würden "gewisse Kreise" nun ihre NGO´s vorschicken, um ihre politischen Ziele, zu denen die Absetzung Orbáns gehöre, umzusetzen. Das Begehren beschreibt die andauernde Verletzung der in Artikel 1 und 2 fixierten Grundwerte der EU durch Ungarn. Den Organisatoren geht es um deren Durchsetzung und Einhaltung, die Ungarn nicht nur exekutiv, sondern mittlerweile auch legislativ und konstiutiv verweigert.

red.

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