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(c) Pester Lloyd / 21 - 2016   POLITIK     25.05.2016

Orbán On Air: Von Reinrassigkeit als Wettbewerbsvorteil und der Weltverschwörung gegen Ungarn

Im Folgenden bringen wir unserer Leserschaft die deutsche Übersetzung des ersten, politischen Teils des jüngsten, als Radiointerview geführten Monologs von Ministerpräsident Orbán an "sein" Volk. Das von seinen Kritikern als "Freitagsgebet" verspottete Ritual auf Kossuth Rádío im Rahmen des Programmes "180 Minuten", stellt eine Mischung aus Selbstrechtfertigung und -darstellung, Opfer- und Propagandashow dar, völkische Ideologie und Verschwörungstheorien inklusive...

- Guten Morgen, es ist fünfundzwanzig vor Acht, wir haben Premier Viktor Orbán im Studio, Guten Morgen!

- Guten Morgen!

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Premier Orbán am 20. Mai im Studio des Kossuth Rádió, Foto: MTI

- "Die Europäische Union wird sterben, wenn EU-Angelegenheiten durch Volksabstimmungen entschieden werden. Viktor Orbán wird ein Referendum in Ungarn abhalten und sagt, dass nicht ein einziger Einwanderer nach Ungarn kommen darf. Wenn ein Land solch ein Referendum abhält, könnten andere das auch tun und wir können unsere Europäische Konvention für Menschenrechte in den Müll werfen." Das sind die Worte des luxemburgischen Außenministers. Ähnlich kritische Kommentare wurden von anderen gemacht, sowohl in Europa als auch in Ungarn. Und viele merken an, dass das geplante Referendum ist ein Symbol für die Entfernung von der EU.

– Unserer Meinung geht es mehr um eine EU, wie wir sie haben wollen. Wir wollen eine demokratische EU mit zwischenstaatlichen Beziehungen, mit konkreten Regelungen, einer ethnischen Zusammensetzung und Kultur, die von den Menschen, die in den Ländern Europas leben, bestimmt wird und nicht von einer Brüsseler Elite. Außerdem, dieses bürokratische Brüssel handelt ganz klar gegen den Willen der europäischen Völker. Das ist die Art von EU, die wir nicht wollen. Wir wollen ein freies und demokratisches Europa, das seine Mitgliedsstaaten respektiert.

- Also steht das Referendum als Symbol für unsere Distanzierung von der derzeitigen Europäischen Union...

- Nun, es ist schwer, uns von der EU zu distanzieren, denn wir sind ja in ihr. Die Frage ist eher, ob wir stark genug sind, diese zu verändern. Hier besteht ein Widerspruch, da in den meisten europäischen Staaten die Menschen gegen Einwanderung sind - besonders in Mitteleuropa, aber auch in anderen Ländern. Die Menschen weisen eine Politik zurück, mit der, aus ideologischen Gründen, unsere Tore geöffnet werden und Millionen von unbekannten Menschen hierher transportiert werden, in unkontrollierter Weise, ohne Rücksicht auf jedwede Sicherheitsüberlegungen. Für uns ist das keine Frage der Menschenrechte und für die europäischen Menschen genausowenig, es ist eine Frage der Sicherheit. Niemand will die Schlüssel seiner Wohnung komplett fremden Menschen geben oder seine Türen und Fenster aus den Angeln heben. Die Menschen brauchen Sicherheit und sie erwarten von ihren gewählten Führern, dass sie diese Sicherheit garantieren. Aber eine Flut von Einwanderern zulassen, macht ein sicheres Leben unmöglich. Ungarn steht auf eben diesem Standpunkt, weil wir - und ich persönlich - glaube, dass die Sicherheit der Menschen zuerst kommt. All die theoretischen und ideologischen Gründe sind da nur zweitrangig.

- Was werden Sie tun, wenn das Referendum mit überwältigender Mehrheit den Quotenplan ablehnt, Brüssel dann aber nur mit den Schultern zuckt und sagt, dass das Ergebnis in keiner Weise bindend ist?

- Ich wäre überrascht.

- Überrascht? Es gibt Anzeichen, die das möglich erscheinen lassen.

- Ein Referendum ist die einzige Sache, die nicht ignoriert werden kann - nicht einmal von Brüssel. Die Brüsseler Eliten haben nur solange Manövrierraum bis die Menschen ihren unwiderlegbaren Willen kund tun. Wenn das geschieht werden Politiker zurückrudern, weil die EU grundsätzlich eine demokratische Gemeinschaft ist - sogar in ihrem derzeitigen Zustand. Brüssel wird zurückrudern.

- Vergangenen September entschied Ungarn zum Europäischen Gerichtshof zu gehen. Wenn das Gericht zu Gunsten Ungarns - und auch der Slowakei, die auch Klagspartei ist, entscheidet, wird das Referendum an Bedeutung verlieren, denn offensichtlich kann dann keine Entscheidung angenommen werden, die dem Urteil entgegen läuft...

- Das stimmt nur teilweise, weil unsere Klage sich auf die Vergangenheit bezieht. Es wurde eine Entscheidung gefällt, von der wir glauben, dass sie gegen Europäisches Recht verstößt und prozeduale Fehler enhält. Daher fechten wir sie an. Die Entscheidung würde die Ansiedlung von Einwanderern in Ungarn bis zu einer bestimmten Zahl verpflichtend machen. Das weisen wir zurück. Das ist die Vergangenheit. Die Zukunft aber ist viel gefährlicher als das. Da geht es nicht um eine spezielle Entscheidung, die uns zwingen würde mit einer bestimmten Zahl von Leuten zusammenzuleben, mit denen wir nicht leben wollen, sondern darin geht es um einen permanenten Verteilungsmechanismus. Das würde bedeuten, dass sie uns ständig Einwanderer liefern würden - hauptsächlich aus der muslimischen Welt. Es geht also nicht um einen Einmal-Fall, sondern um unsere Zukunft. (...) Die Leute sollen sich mal ein paar Städte in Westeuropa ansehen. Wenn sie sich an diese Städte vor zehn, zwanzig Jahren erinnern, werden sie sehen wie substantiell die Veränderungen sind. Wenn wir das, was Brüssel vor hat, zulassen, werden wir in zehn oder zwanzig Jahren Budapest nicht wiedererkennen. Und Eltern sollten sich die Fragen ihrer Kinder vorstellen, die in 15 Jahren fragen werden, warum sie zugelassen haben, dass das unserem Land angetan wird... Deshalb, glaube ich, müssen wir unsere Landeskultur beschützen, wir müssen die Sicherheit gewährleisten und wir müssen auch unsere kulturelle Homogenität bewahren. Diese ist ein enormer Vorteil. Das wir sind wie wir sind, beruht auf einer Tradition von tausend Jahren, auf Prinzipien und Gewohnheiten, die wir aufrecht erhalten und nicht in Frage stellen werden, denn sie liegen in unserer Natur. Darin liegt ein enormer Wettbewerbsvorteil und schafft eine kulturelle Heimat, die in vielen europäischen Städten nicht mehr existiert.

- Lassen Sie uns kurz zum Europäischen Gerichtshof zurückkehren. Um das zu verstehen, würde ich gern etwas klären. Wenn das Gericht etwas entscheidet, werden die Entscheider in Brüssel nichts tun, was diesem Urteil entgegenläuft. Daher meinte ich, dass das Referendum an Wert verliert, wenn eine Entscheidung zu Gunsten Ungarns getroffen würde. Aber wenn ich Sie richtig verstehe, erwarten sie nicht wirklich ein vorteilhaftes Urteil...

- Wir wissen es nicht. Man kann auch ohne Hoffnung weiterkämpfen, aber wir haben Hoffnung, wie wir es von Ferenc Deák gelernt haben. Wir sind hoffnungsvoll, weil die Argumente, die wir dem Europäischen Gerichtshof geliefert haben logisch sind und, in meiner Sich, gut begründet. Wir werden sehen wie das Gericht entscheidet. Aber ich will wiederholen, dass es sich um die angefochtene Maßnahme und den künftigen dauerhaften Verteilungsmechanismus um zwei Dinge handelt - die nichts miteinander zu tun haben. Das Referendum bezieht sich auf die Zukunft, vor Gericht geht es um eine Entscheidung aus der Vergangenheit.

- Sie bezogen sich kurz auf das Europa der Zukunft. Sie sagten, dass, wenn die Prozesse der letzten zehn Jahre fortgesetzt werden ein Kerneuropa entstehen wird und dass die Länder, die nicht in der gleichen Geschwindigkeit mitziehen wollen, gezwungen sein werden, andere Prozesse der Entscheidungsfindung einzuleiten. Die Franzosen sprechen darüber, selbst die Deutschen machten darüber früher schon Bemerkungen. Haben Sie also akzeptiert, dass ein Kerneuropa entstehen wird und planen Sie wirklich für diese Ära neue Kräfte in Zentraleuropa zu versammeln?

- Natürlich können wir nicht sicher sein, was die Zukunft bringen wird, aber es gibt Trends, die uns anzeigen, was kommen kann. Und dieses "Herzeuropa" (von Englisch: core europe) ist schon ein Begriff der Vergangenheit. Wo ist Europas Herz heute? Früher dachten wir, das sei die französisch-deutsche Achse. Aber wenn Sie sich die wirtschaftlichen Trends der letzten fünf, acht Jahre ansehen und diese auf die Zukunft extrapolieren, sehen Sie, dass Europas Wirtschaftsmotor in Mitteleuropa ist. Würden Polen, Ungarn, die Slowakei, Tschechien - und auch Rumänien - nicht so performen, wie wir es tun, würde die Wirtschaftsentwicklung in Ganz-Europa nicht nur stagnieren, sondern zurückgehen. Das Herz Europas ist die europäische Kultur, es mag heute in Westeuropa liegen, aber es bewegt sich stetig Richtung Zentraleuropa. Langsam aber sich wird dieses Zentraleuropa mit Deutschland zum "Herzeuropa" zusammenwachsen.

- Aber dieses Kerneuropa in Ihrer Definition ist Ziel vieler Kritik und Angriffe. Wir in Ungarn sind vertraut mit dieser Kritik, aber nun sollen auch die Polen ultimativ Brüssel erklären, warum sie ihre rechtsstaatlichen Regeln ändern...

- Zuerst einmal: Ich finde, dass Polen von Brüssel unfair behandelt wird. Brüssel nimmt keine faire Position ein. Brüssel greift die polnischen Menschen an, ihnen sollte mehr Respekt gezollt werden. Es ist eine große Nation. Es ist ein Land und ein Volk, mindestens vier Mal so groß wie Ungarn, es hat also einiges Gewicht. Es hat eine monumentale Geschichte. Wir sprechen über freiheitskämpfende Menschen, die wahrscheinlich mehr Blut, mehr Leben, mehr Opfer für ihre Freiheit gegeben als die meisten anderen europäischen Nationen. Und sie halten ihr Schicksal nun in eigenen Händen. Deshalb finde ich die Schritte Brüssels unfair. Außerdem ist Polen ein starkes Land. Ungarn hat 10 Millionen Einwohner, das sind 0,2 Prozent der Weltbevölkerung. Bei Polen ist das anders, sie haben eine starke Wirtschaft und große Auslandsgemeinden in den USA und anderswo. Ich würde mit Polen keinen Streit anfangen. Vielleicht halten sie sich in Brüssel für "starke Jungs", aber sie werden niemals diesen Kampf gegen Polen gewinnen.

- Nicht nur die Brüsseler Politiker halten sich für "starke Jungs" auch die in den USA. Bill Clinton, Ehemann der Präsidentschaftskandidatin sagte, Polen und Ungarn "haben entschieden, dass ihnen Demokratie zuviel Unruhe bringt und sie deshalb einen putin-ähnlichen Führerstaat" wollen, sie wollten eine autoritäre Diktatur und "Ausländer raus" haben...

– In dieser Angelegenheit sind wir schon mehrfach von Pontius zu Pilatus gegangen. Man kann diese Bemerkungen am besten im Kontext mit der US-Wahlkampagne verstehen. Dennoch bleibt fehlender Respekt fehlender Respekt und ein Angriff ein Angriff. In Europa ist das nicht üblich, hier greifen sich Länder und ihre Führer nicht gegenseitig an. Polen und Ungarn verdienen mehr Respekt von den früheren und kommenden Führern der Vereinigten Staaten. (...) Außerhalb der Wahlkampagne in den USA, haben diese Kommentare über Ungarn und Polen - und Mitteleuropa generell - auch einen politischen Inhalt. Das sind nicht nur Ausrutscher, denn diese Kommentare haben sich seit der Einwanderungskrise vervielfacht. Wir alle wissen, dass hinter den Führern der Demokratischen Partei George Soros steht. Soros hat einen Sechs-Punkte-Plan veröffentlicht, der Werbung dafür macht, dass mindestens eine Million Moslems jährlich nach Europa gebracht werden sollen. Dafür müsse ihnen freies Geleit gegeben werden und Europa solle noch froh sein, solch eine Gelegenheit zu erhalten anstatt sich dagegen zu wehren. Er sagte auch, dass das viel Geld kosten wird und er wird dafür die nötigen Kredite bereit stellen. Es gibt hier also in Mitteleuropa eine Macht im Hntergrund, die George Soros heißt. Der Mund gehört zwar Clinton, aber der Kopf ist Soros. Und Ungarn, das seine nationale Souveränität behalten will sind ein Hindernis in diesem soros-inspirierten, amerikanischen Plan. Er wird hier nicht durchzuführen sein, so lange Ungarn eine Regierung der nationalen Interessen hat. Also hinter diesen Kommentaren stehen einige ernsthafte Zusammenhänge.

– Aber diese Pläne würden ein schwächeres Europa bedeuten, warum wäre das im Interesse der USA?

 

– Ich will mich nicht an Verschwörungstheorien beteiligen, ich halte mich nur an Fakten. Die ungarische Opposition erreicht nicht den Einfluss, den ungarische, durch Soros finanzierte Organisationen erreichen. Das ist eine Hintergrundmacht. Niemand hat sie gewählt, dennoch suchen sie ständig politischen Einfluss und üben Druck auf Entscheidungsfindungen aus. Das passiert nicht nur in Ungarn, sondern ist auch ein Phänomen in anderen zentraleuropäischen Ländern. (...) Die Amerikaner, nicht die USA insgesamt, aber einige ihrer großen Machtzirkel, denken, dass es gut für Europa sei Millionen oder Zigmillionen Moslems aufzunehmen. Soros unterstützt diese Sicht mit Menschenrechts-Argumenten. Ungarn widerspricht dem. Und ich wiederhole: Ungarn ist von der Größe her nicht signifikant, aber seine Lage führt dazu, dass unser Land alle 30 Jahre im Zentrum der weltpolitischen Aufmerksamkeit steht. Das war 1956 der Fall. Die Russen zogen sich 1955 aus Österreich zurück, dann kam die 1956 die Revolution in Ungarn, weil wir an der Peripherie des Sowjetimperiums lagen. 1989, rund um die deutsche Wiedervereinigung, wurden wir wieder ein Schlüsselland wegen der deutschen Flüchtlinge. Und jetzt sind wir wieder ein Schlüsselland, weil wir die Einwanderungswelle aufgehalten haben. Wir haben uns nicht für diese Rollen beworben, nicht einmal. Wir wurden da hinein gedrückt, durch die Weltlage und unsere geographische Lage. Das ist die Situation heute, wir müssen unseren Kurs halten. Das sollte uns aber nicht beängstigen. Wir sollten keine Angst haben vor Bedrohungen und feindlichen Stimmen im Publikum, weil - geben wir dem Druck nach, werden wir unser Land bald nicht mehr wiedererkennen. Unser Widerstand ist Verantwortung.

Auszug aus dem Radionterview vom 20. Mai, Kossuth Rádió, Übersetzung: Pester Lloyd



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